Warum es zwischen Mountainbikern und Jägern immer wieder kracht
Darauf war Martin Koch nicht vorbereitet. Am ersten schönen Sonntag des Vorjahres holte der 56-jährige Lehrer aus Leoben sein Mountainbike aus der Garage, fuhr zum Wald und radelte den Forstweg hinauf – wie schon viele Male zuvor. Doch an diesem Apriltag ging er der örtlichen Forstverwaltung in die Falle.
Auf halbem Weg nach oben wurde Koch von einem grün gekleideten Mann zur Seite gewinkt: „Sie sind hier auf einem verbotenen Weg unterwegs“, sagte er und zückte seinen Forstwache-Ausweis. Noch bevor Koch flüchten konnte, sprangen zwei Securitys aus dem Gestrüpp und hielten das Rad fest. Sie hatten schon eine Weile auf Matratzen hinter kleinen Bäumen gelauert. Erst als die Polizei Kochs Daten aufgenommen hatte, ließen die Sicherheitsmänner von ihm ab.
Striktes Radverbot auf privaten Forststraßen
Koch musste eine Unterlassungserklärung unterschreiben und 190 Euro Anwaltskosten der Forstverwaltung übernehmen. „Mir war klar, dass das Biken dort illegal ist“, räumt Koch ein: „Aber damals gab es noch keinen einzigen Weg in Leoben und Umgebung, auf dem Mountainbiker fahren durften.“
Private Forststraßen wie jene im Leobner Bürgerwald sind zwar für Wanderer freigegeben, für Radler gilt allerdings ein striktes Verbot. Wer trotzdem fährt, riskiert eine Besitzstörungsklage. In den Wäldern grassieren deshalb Regelbruch und Selbstjustiz: Während Biker zu Hunderten die Verbote missachten, stellen einzelne Jäger Drahtfallen und Nagelbretter auf. Alpinverbände und die Mountainbike-Community drängen auf gesetzliche Freigabe aller Forstwege, die Waldbesitzer halten dagegen.
Die Mountainbiker-Community wird lauter
In Leoben sorgte das bizarre Planquadrat für heftige Proteste von Fahrradfans. Die Stadtpolitik reagierte: Inzwischen wurden zwei Forststraßen für Mountainbiker freigegeben. Voraussetzung dafür ist die ausdrückliche Erlaubnis des Grundbesitzers. „Ja, es hat sich etwas bewegt“, sagt Koch: „Aber verglichen mit anderen Bundesländern ist das Angebot schwach.“
Die Mountainbiker-Community wächst und wird lauter. 800.000 Radler strampeln laut Schätzungen durch Österreichs Wälder. Um sich Gehör zu verschaffen, setzt der Mountainbike-Verein „upmove“ auf ein altes Konzept der Naturfreunde: Zu einer Zeit, als die Forstwege selbst für Spaziergänger noch tabu waren, organisierten die SPÖ-nahen Alpinisten regelmäßig „Trutzpartien“ in den Wäldern.
Diese illegalen Ausflüge brachten in den 1970er-Jahren den gewünschten Erfolg – die generelle Freigabe der Forststraßen für Wanderer. „Leider steht im Forstgesetz der Zusatz, dass es für das Befahren der Straßen eine Zustimmung des Grundbesitzers braucht. Damit ist alles gemeint, vom Rollstuhl bis zum Rad“, erklärt Dietmar Gruber, Sprecher des Vereins „upmove“. Deshalb habe man die Trutzpartien wieder aufleben lassen.
Konflikte und Kollisionen mit Spaziergängern wohl unausweichlich
Gruber überschreitet bewusst Grenzen; im Zweifel lässt er es auch auf einen Rechtsstreit ankommen. Bei einer Radtour durch den Nationalpark Kalkalpen wurde der Fahrradaktivist auf einer Schotterstraße von einem Mitarbeiter des Parks angehalten. Konsequenz: 550 Euro Verwaltungsstrafe. Gruber will nun den Verfassungsgerichtshof anrufen: „Denn im Nationalparkgesetz steht nur, dass Fahren abseits von Straßen und Wegen verboten ist. Das bedeutet, das Fahren auf Straßen müsste erlaubt sein.“
Der Forderungskatalog der Biker von „upmove“ geht weit – sie würden am liebsten gleich alle Wanderwege für das Zweirad öffnen. Konflikte und Kollisionen mit Spaziergängern wären wohl unausweichlich.
Wald als Sportstätte missbraucht
Martin Höbarth kann dem Ansinnen der Biker wenig abgewinnen: „Das wäre ein weiterer Schritt der Enteignung, der Wald würde als Sportstätte missbraucht werden.“ Der Leiter der Abteilung Forstwirtschaft in der Landwirtschaftskammer sieht zwar ein, dass der Sport an Popularität gewinnt, der Bedarf sei aber ein anderer: „Die meisten Mountainbiker wollen anspruchsvolle sportliche Trails, die nicht nur bergab, sondern auch bergauf führen. Alle Forststraßen zu öffnen, nützt gar nichts. Das würde nur den Effekt erzielen, dass die Leute rasch überall sein können und dann erst recht abseits fahren – und das völlig unkontrolliert.“ Höbarth schlägt daher vor, eigene Mountainbikerouten zu entwickeln, im Einvernehmen mit den Grundeigentümern.
Tatsächlich boomt vor allem das Biken abseits von Schotterstraßen. Die Tourismusregionen in Salzburg und Tirol haben den Trend erkannt und investieren massiv in den Ausbau von Trails; das Skigebiet Sölden gilt als größte Trail-Baustelle Europas. Für die Touristiker sind Mountainbiker attraktiv, denn sie garantieren auf den Skiliften auch im Sommer Frequenz. Bereits 2009 wurden mit dem Biketourismus 317 Millionen Euro an Wertschöpfung erzielt, wie eine Studie des Umweltministeriums und der Wirtschaftskammer ergab.
„Aus den Mountainbikern wird noch was"
Im geschäftsführenden Klubobmann der SPÖ, Andreas Schieder, finden die Radler einen prominenten Unterstützer. Seinen Sommerurlaub verbrachte der Naturfreunde-Vorsitzende in der Vorwoche mit dem Mountainbike in Südtirol. Dort, berichtet Schieder, sind Forstwege längst für Biker freigegeben. Das würde er sich auch für Österreich wünschen, denn Forststraßen seien in der Regel so breit, „dass Radler und Wanderer einander ausweichen können“. Die touristischen Investitionen in die Bike-Infrastruktur sieht Schieder zwar, er macht aber ein eklatantes Ost-West-Gefälle aus: „Wichtig wäre mir, dass es nicht nur im Westen Angebote gibt. Die Wohnbevölkerung sollte auch im Osten ungestraft auf legalen Bahnen biken können.“ Die Freigabe von Wanderwegen geht aber selbst dem Bikerfreund Schieder zu weit: „Aus waldbiologischer Sicht ist es nicht überall sinnvoll, Radfahrer durchfahren zu lassen. Und ich bin schon dafür, dass die Schwächsten den stärksten Schutz haben. Das sind auf Wanderwegen die Wanderer.“
Im Regierungsprogramm ist zwar festgeschrieben, dass sich an der aktuellen Regelung nichts ändern soll. Die westlichen Tourismusländer sind allerdings schon einen Schritt weiter, allen voran Tirol. „Aus den Mountainbikern wird noch was, da lasst’s euch was einfallen“, soll der frühere Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner Mitte der 1990er-Jahre prophezeit haben. So berichtet es zumindest Dieter Stöhr, der seit 21 Jahren die Mountainbike-Agenden des Landes verantwortet. Der Auftrag des Landeschefs lautete damals: eine Lösung, damit Mountainbiker auf Forst- und Almwegen fahren können. Das Tiroler Mountainbike-Konzept ermutigt Grundeigentümer, ihren Weg freiwillig für Radfahrer zu öffnen. Ganz ohne Anreiz geht es allerdings nicht.
Steuerung durch Angebote
„Am Anfang war es eine zache Partie“, berichtet Stöhr. „Die Grundbesitzer haben alle gesagt: ‚Wenn wir den Weg freigeben, werden wir vor dem Kadi landen.‘“ Längst gibt es Musterverträge und eine Sammelversicherung, die das Land finanziert. Stürzt ein Biker auf einer privaten Forststraße, haftet nicht der Forstbetrieb, sondern das Land. In den großen Tourismusregionen verdienen die Grundeigentümer auch etwas am touristischen Aufkommen – etwa über Beteiligungen an den Liftgesellschaften. Dort ist die Bereitschaft ungleich höher, Straßen und Wege freizugeben. Heute können Biker bereits ein Viertel aller Tiroler Forst- und Almwege befahren, die insgesamt gut 18.000 Kilometer zählen.
Von der Forderung der Bikeaktivisten, alle Wege freizugeben, hält auch der Mountainbike-Beauftragte Stöhr wenig. Seine Ansatz: Steuerung durch Angebote. Fehlen entsprechende Trails, herrscht im Wald und auf den Bergen Anarchie. „Auf der Innsbrucker Nordkette sind die Radler früher auf allen Wanderwegen gefahren, weil es nichts gegeben hat“, erzählt Stöhr. „Jetzt gibt es drei lässige Trails, seither fahren die Leute dort, ohne dass ich ein einziges Verbotsschild aufstellen muss.“