Dominik Wlazny alias Marco Pogo
Österreich

Nach der Wahl: Machen Wlazny und Wallentin politisch weiter?

Dominik Wlazny erzielte bei der Bundespräsidentenwahl wie Tassilo Wallentin rund 8 Prozent. Verlängern die beiden jetzt ihre Polit-Karriere? Der Verdruss in etablierte Parteien ist groß, neue Bewegungen hätten gute Chancen.

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Nachdem die Hofburg-Wahl laut der ersten Hochrechnung den erwarteten Start-Ziel-Sieg von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen brachte, ist nun die spannendste innenpolitische Frage: Nutzen seine Herausforderer ihre neue Bekanntheit dafür, um weiterzumachen und eine Bewegung für die kommenden Nationalratswahlen aufzubauen? profil hat sich bei Weggefährten von Dominik Wlazny und Tassilo Wallentin umgehört. Was für eine Verlängerung der Polit-Karriere der beiden spricht - und was dagegen.

So unterschiedlich die Positionen der Herausforderer von Van der Bellen auch sind, sie nutzten dasselbe Momentum für sich: den Vertrauensverlust der Bevölkerung in Parteien und Regierung. Ex-Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss hat es vorgemacht: Sie schaffte es 2016 zwar knapp nicht in die Stichwahl, nutzte ihre neue Bekanntheit aber für eine Polit-Karriere – zuerst als Nationalrätin für die NEOS, dann als Elder Stateswoman außerhalb des Parteiensystems, die für prestigeträchtige Positionen wie die Leitung der Kindeswohlkommission angeheuert wird. „Ohne meine Bekanntheit aus dem Präsidentschaftswahlkampf wäre das nicht passiert“, sagt Griss.

Die Zeit für Neues ist günstig, nur 32 Prozent der Österreicher haben laut aktuellen Eurobarometer-Daten Vertrauen in Parteien. Dazu kommt: Die Wechselbereitschaft steigt. Bei den Nationalratswahlen im Jahr 2019 verschoben sich die Prozentbalken der Parteien so stark wie nie zuvor in der Zweiten Republik. Bei der Tiroler Landtagswahl erzielte mit der Liste Fritz eine Bewegung die höchsten Gewinne, deren Markenkern Kontrolle der Regierenden ist. 

Diese Entwicklungen sind fast eine Einladung für neue politische Projekte, vor allem Wlazny und Wallentin wäre ein solcher Schritt zuzutrauen. Grosz dagegen hat seine politische Karriere bei FPÖ und BZÖ bereits hinter sich, ob er sich das nochmals antut, ist fraglich. „In dieser Stimmung haben es neue Parteigründungen leichter“, sagt Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Uni Graz. Allein: „Die meisten neuen Bewegungen können sich nicht lange halten. Sie hängen meistens an einer einzigen Person, und wenn sie stolpert, ist es vorbei.“

Auf eine Person zugeschnitten – das trifft auf die Bierpartei unter der Führung von Wlazny alias Marco Pogo zu. Der Punkrockmusiker, Bierproduzent und Arzt hält in Interviews den Ball flach. Das ist nicht bloß Taktik, erzählt man sich in seinem Umfeld, sondern tatsächliche Planlosigkeit. Die Bierpartei entstand im Jahr 2015 in Wien als Spaßprojekt, der Zuspruch steigerte sich von Wahl zu Wahl, dahinter gab es keine große Strategie. 

In den vergangenen 90 Tagen verdoppelte sich Wlaznys Instagram-Community auf 69.000 Follower. Er bringt es dort auf deutlich mehr Abonnenten als alle Parteichefs der Parlamentsparteien, Bundeskanzler inklusive. Langsam dämmert dem Frontman, dass eine Kandidatur den Einzug in den Nationalrat bedeuten könnte. „Er ist 35, steht mit seiner Musik und seinen Unternehmen gut da. Würde er ins Parlament gehen, würde er seine besten Karrierejahre opfern“, sagt einer, der „den Niki“ gut kennt. So ein Projekt will gut überlegt sein. Der Wlazny-Vertraute sagt aber auch: „Es würde mich nicht wundern, wenn er Gusto hat, mehr zu machen.“

Wlazny bekam in den letzten Wochen einen Eindruck, wie sich das Leben als Spitzenpolitiker anfühlt. Kritische Nachfragen, Angriffe von Gegnern, vor allem aus grüner Ecke. Ihm wurde vorgehalten, er würde mit seiner Bier-Partei Alkoholismus verharmlosen. Je länger der Wahlkampf dauerte, desto mehr streifte Wlazny seine Kunstfigur Pogo ab und bemühte sich um ein ernsthafteres politisches Profil. Er wäre nicht der Erste, der sich vom Spaßvogel zum Hoffnungsträger wandelte. Internationale Vorbilder gibt es, etwa den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Ausgereifte Programmatik sucht man bei Wlazny vergeblich, statt Inhalten bietet er den Slogan „Red’ ma drüber“. Er versteht allerdings etwas von Symbolik: Sein Personenkomitee aus Pflegekräften, Postlern und Pädagoginnen brachte ihm Zuspruch. Wlazny surft aber auf der Anti-Establishment-Welle, wenn er „Eignungstests“ für angehende Minister fordert. Pogo-Populismus könnte man das nennen. 

Irmgard Griss: "Ohne meine Bekanntheit wäre das nicht passiert".

Neben Wlazny werden noch einem zweiten Kandidaten Ambitionen nachgesagt: dem Rechtsanwalt und Ex-„Krone“-Kolumnist Tassilo Wallentin. Die Anerkennung des früheren „Krone“-Herausgebers Hans Dichand erwarb er sich, indem er seinen Sohn Christoph Anfang der 2000er juristisch vertrat. Christoph Dichand ist längst Chefredakteur. Eine Bekanntschaft, die sich auch im Wahlkampf bezahlt macht: „Wallentin verteilt Brennholz, FPÖ verbrennt mehr Geld als VdB“ titelte die „Krone“ in der Woche vor der Wahl. Allerdings: Ein bereits geführtes Krone-Interview erschien nicht, Wallentin und die Redaktion wurden sich über die Autorisierung nicht einig.


Wallentin suchte stets die Nähe zur Macht. Wäre es nach einem türkis-blauen Sideletter gegangen, säße er am Verfassungsgerichtshof. Bundespräsident Alexander Van der Bellen durchkreuzte den Plan. Nun hätte Wallentin beinahe am Ticket der FPÖ gegen den Amtsinhaber kandidiert. FPÖ-Chef Herbert Kickl bestand auf einer Zusicherung von Wallentin, dass dieser nach der Wahl keine neue Partei gründen würde. Dazu sollte der Rechtsanwalt seine inhaltlichen Positionen stets mit Kickl abstimmen. In Asylfragen und mit seinem ORF-Bashing passt Wallentin perfekt zur FPÖ. Bei Corona wären die Meinungen aber deutlich auseinandergegangen, ist zu hören. 


Im Wahlkampf zeigte der Anwalt Nerven: Sexistische Postings auf seinem Instagram-Account brachten ihm viel Kritik ein, im „ZIB 2“-Interview wirkte er hilflos. Auch sein Wikipedia-Artikel, erst kurz vor der Wahl angelegt, wurde korrigiert: Wohlmeinende Wikipedia-Autoren hatten ihn dort als „Bestsellerautor“ bezeichnet. Dafür fanden Wikipedia-Administratoren aber keinen Beleg, daher wurde er in der wichtigsten Online-Enzyklopädie zum „Autor“ zurechtgestutzt.

Mit Unterstützung der „Krone“ und einem potenten Geldgeber wie Stronach hätte Wallentin durchaus Potenzial, neben FPÖ und ÖVP eine dritte Rechtspartei zu etablieren. Zu seinen Plänen hält aber auch er sich bedeckt. Falls es mit einem Politik-Einstieg nichts werden sollte, bleibt Wallentin immer noch die „Krone“. Dort heißt es, Rudolf Anschober hätte nach seiner Polit-Karriere schließlich auch eine Kolumne bekommen, dasselbe müsse Wallentin offenstehen.

Nicht allen brachte die Kandidatur den gewünschten Effekt: MFG-Chef Michael Brunner versuchte zwar, schwache Zustimmungswerte als „Systemumfragen“ abzutun – letztlich stellten sich die Prognosen aber als richtig heraus und Brunner kommt laut erster Hochrechnung bloß auf knapp über zwei Prozent. Die Schuld daran kann er ausnahmsweise nicht dem Establishment geben.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.