Nach profil-Enthüllung: Steirischer Landesrat Buchmann verliert Doktortitel
Hirschbirn, Holler, Zirbe, Kernöl, Apfel, Wein: Wenn dieses Sextett auf dem Wiener Rathausplatz dominiert, ist „Steiermark-Frühling“. Er wurde vergangenen Donnerstagvormittag eröffnet, und der steirische Landesrat Christian Buchmann gab ein paar betont launige Wortspielereien über die Tradition der „Sommerfrische“ und die aktuell kühlen Temperaturen zum Besten – so als wäre nichts gewesen.
In der Presseabteilung des „Steiermark-Frühling“ hingegen machte sich gewisse Verwirrung breit: Das Politikeraufgebot wurde via Aussendung aufgelistet – von „Bürgermeister Dr. Michael Häupl“ über „Bundeskanzler Mag. Christian Kern“ und „Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner“ bis zum „Landesrat Christian Buchmann“. Bei dem es so ganz titellos auch nicht stimmt.
Michael Häupl, Biologe, dissertierte einst über „Funktionsanatomische Untersuchungen am Schädelskelett und der Kopfmuskulatur verschiedener Arten der Familie der Gekkoniden“. Christian Kern krönte sein Publizistikstudium mit einer Diplomarbeit über „Media Monitoring: die innenpolitische Berichterstattung der österreichischen Tages- und Wochenzeitungen 1993“. Reinhold Mitterlehner promovierte in Jus. An sich hatte auch Christian Buchmann eine Doktorarbeit verfasst – Titel: „Die Wirtschaft im Spannungsfeld von Zentrum und Peripherie: Ansätze zur Rückholung der Kundenkaufkraft in die City am Beispiel der Landeshauptstadt Graz“. Seit dem Jahr 2000 durfte Buchmann dafür den Doktortitel führen – aber nur bis Mittwoch vergangener Woche. An diesem Tag entschied die Universität Graz, Buchmann den Doktortitel abzuerkennen und ihn zum Magister zu degradieren, weil Teile seiner Dissertation abgekupfert waren. So steht es mittlerweile auf Buchmanns Website; bis zur Presseabteilung des „Steiermark-Frühling“ wird es sich wohl auch bald durchsprechen.
Einschlägige Beispiele aus Deutschland
Die Aberkennung eines Doktortitels für einen Spitzenpolitiker ist hochnotpeinlich und war in Österreich bisher nicht aktenkundig. Einschlägige Beispiele kennt man aus Deutschland: Karl-Theodor zu Guttenberg verlor mit dem Doktortitel auch sein Amt als Verteidigungsminister, Annette Schavan trat als Wissenschaftsministerin zurück, nachdem ihr der Doktortitel entzogen worden war. In Österreich gelten andere Rücktrittsstandards: ÖVP-Politiker Buchmann ist entschlossen, Wirtschaftslandesrat in der Steiermark zu bleiben. Zu Recht?
Die Vorwürfe gegen seine Dissertation waren schwerwiegend. Im Juni 2016 berichtete profil über ein brisantes Gutachten des Plagiatsjägers Stefan Weber, der Buchmann Fehlverhalten in großem Stil vorwarf. Nach dieser Enthüllung (profil 26/16) wandte sich die Universität Graz zur Klärung der Vorwürfe an die OeAWI, die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität. Auch deren Prüfer gingen mit der Dissertation scharf ins Gericht, wie profil im Jänner schrieb (siehe profil 3/2017).
"Das ist schlicht Betrug und ein Fehlverhalten"
Kein Politiker in Österreich hat sich intensiver mit Plagiaten auseinandergesetzt als Karlheinz Töchterle. Der Altphilologe war Rektor der Universität Innsbruck, später Wissenschaftsminister und ist heute ÖVP-Wissenschaftssprecher im Parlament. Töchterle urteilt im profil-Gespräch streng über Plagiate: „Das ist schlicht Betrug und ein Fehlverhalten. Man raubt einem anderen sein geistiges Eigentum.“ Töchterle will auch nicht gelten lassen, dass früher andere Kriterien galten: „Das ist eine schwache Ausrede.“ Allerdings unterscheidet Töchterle, ob durch ein Plagiat die Substanz einer Arbeit berührt wird – „oder ob jemand zum Schluss noch schnell ein Vorwort hinschludert und nur dabei unsauber arbeitet“.
Auf die aktuellen Plagiatsfälle – jenen von Buchmann und jenen des designierten Staatsoperndirektors Bogdan Roščić, der derzeit von der Universität Wien geprüft wird – will Töchterle seine Aussagen jedoch dezidiert nicht gemünzt wissen. Auf die Frage, ob Buchmann zurücktreten müsste, antwortet er so: „Wenn man findet, ein Politiker muss sein Leben durchgehend moralisch einwandfrei geführt haben, dann müsste man seinen Rücktritt fordern. Ich finde schon, dass Politiker auch Fehler machen können. Und Buchmanns Fehlverhalten war ein akademisches, kein politisches.“
Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 15 vom 10.4.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.