Androsch und Fischer hatten nach dem Studium vorerst wenig politische Ambitionen. Fischer, ein Jurist, wollte in die angesehene Anwaltskanzlei von Wilhelm Rosenzweig eintreten; Androsch arbeitete in der florierenden Steuerberatungskanzlei seines Vaters in Floridsdorf und hatte eine Stelle beim Daimler-Benz-Konzern in Stuttgart angeboten bekommen.
Schließlich landeten beide in der Politik. Fischer blieb im Parlament, wo er als Mitarbeiter im SPÖ-Klub ein Praktikum ableistete. Androsch nahm die ihm dort angebotene Stelle als Referent für Wirtschaftsfragen an – den Konflikt aus Studententagen hatten beide schon zuvor ad acta gelegt.
Das Parlament war in diesen 1960er-Jahren eine Brutstätte für politische Talente: Androsch und Fischer im SPÖ-Klub, Erhard Busek und Wolfgang Schüssel in jenem der ÖVP hoben sich schon bald vom restlichen Personal ab.
Androschs Bezirksorganisation Floridsdorf delegierte ihn 1967 zu jenem denkwürdigen Parteitag, bei dem Bruno Kreisky gegen den von den Gewerkschaftern unterstützten Hans Czettel mit 58 Prozent zum Parteiobmann gewählt wurde.
Die Wiener SPÖ war eher auf der Seite Czettels, hatte den Delegierten die Wahl aber freigestellt. Hannes Androsch stimmte für Kreisky. Er hielt ihn für einen Modernisierer und für den Mann der Zukunft. Nur folgerichtig, dass Androsch bald darauf einer der legendären „1400 Experten“ ist, die für Kreisky im Wahlkampf 1970 Sachprogramme erstellen.
Dem neuen Parteichef fällt der junge Mann auf. Im Wahlkampf 1970 wird er ausgiebig hergezeigt: Androsch am Tennisplatz, Androsch bei Schifahren, Androsch nachdenklich am Schreibtisch.
Als der Jungstar 1970 Finanzminister wird, umgibt er sich nicht mit verdienten Beamten des Hauses, sondern mit jungen Männern seines Vertrauens, etwa mit Beppo Mauhart, dem Freund aus Studententagen und mit dem etwa gleichaltrigen Franz Vranitzky, den er in der Nationalbank entdeckt hatte.
In der Regierung avancieren zwei Männer zu Kronprinzen des Kanzlers, der ja bereits in seinen 60er ist: Hannes Androsch und Leopold Gratz. Als die beiden 1974 Kreisky vorschlagen, als Bundespräsident zu kandidieren, gibt es den ersten Riss in der Beziehung. Kreisky hat das Gefühl, man wolle ihn loswerden, Gratz und Androsch beteuern, ihr Angebot sei nur aus Courtoisie erfolgt. Dass es zwischen Kreisky und Androsch wenig später auch in Fragen der Währungspolitik knistert, ist bereits das Wetterleuchten in dieser Beziehung. Erstes Donnergrollen ist zu vernehmen, als Androsch 1977 aus der Regierung ausscheiden will, um Nationalbank-Chef zu werden, ein hoch dotierter Posten. Kreisky ist fassungslos: Für ihn ist das Fahnenflucht aus Geldgier.
Das Gewitter entlädt sich nach dem Skandal um den Bau des neuen AKH: Hat eine Firma, an der Androsch mittelbar beteiligt ist, dabei Aufträge bekommen? Ist seine Beteiligung an der Steuerberatungskanzlei „Consultatio“ mit dem Amt als Finanzminister vereinbar? Und erst sein Lebensstil, seine Villa, die Anzüge von Knize, dem besten Schneider der Stadt!
Androsch kontert: Kreisky habe immer von seiner Consultatio-Beteiligung gewusst und dessen Lebensstil sei auch nicht eben proletarisch.
Der Kanzler setzt Androschs Hinauswurf nur mit Mühe durch: Der ÖGB, mehrere Minister und Landesorganisationen leisten lange und hartnäckig Widerstand.
Androsch wird reichlich abgefunden. Er wird Generaldirektor der Creditanstalt, muss aber mitansehen, wie sein ehemaliger Sekretär Franz Vranitzky den Posten bekommt, der ihm verwehrt blieb: Der des Bundeskanzlers.
Als Androsch nach einer anonymen Anzeige 1988 wegen Steuerhinterziehung verurteilt wird, verliert er auch den Bank-Job: Das Gericht befand, das Geld für den Bau seiner Villa stamme nicht wie von ihm behauptet von einem „Wahlonkel“, sondern aus schwarzen Kassen. Dass ihm Franz Vranitzky in dieser Lage nicht zu Seite sprang, verzieh ihm Androsch nie.
Sein Comeback nach dem Urteil beweist seine Talente: Maßgebliche Beteiligungen an Europas größtem Leiterplatten-Hersteller, an den Salinen, an einer Wett-Gesellschaft und einem Kurhotel machten Hannes Androsch reich.
Gesundheitlich war er angeschlagen. Ein Rückenleiden quälte ihn, vor einem Jahr rettete ihm eine Nierentransplantation das Leben.
Mit seiner Partei konnte Hannes Androsch zuletzt nicht viel anfangen. Von Vermögens- und Erbschaftssteuern hielt er, einer der wohlhabendsten Männer des Landes, nicht viel. Mit Andreas Bablers Linkskurs kam er nicht zurecht, Wahlen gewinne eine Sozialdemokratische Partei in der Mitte, befundete er nach der verlorenen Nationalratswahl.
Interviews gab er noch eine Woche vor seinem Tod.
Am Mittwoch ist der bis zuletzt unruhige Hannes Androsch in Wien überraschend gestorben.