Nachruf auf Sabine Oberhauser: Danke, Sabine!
Warum ausgerechnet sie? Das ist mein erster Gedanke, als ich – wie viele andere – in der „ZIB 1“ von Sabine Oberhausers Tod erfahre. Ich bin schockiert. Traurig. Und natürlich fällt mir sofort meine eigene Erkrankung ein. Ich bin mehr als dankbar, dass sich mein Krebs seit dem Herbst 2014 nicht mehr rührt. Aber ich komme mir auf eine unheimliche Art privilegiert vor. So ging es mir auch beim Tod von Barbara Prammer, bei Sigi Mattl, Kurt Kuch, Jean Margulies – bei all den lieben Menschen, die in den vergangenen Jahren an Krebs erkrankten und daran sterben mussten. Und jetzt Sabine Oberhauser.
Ich erinnere mich an ein seltsames Zeitfenster im Oktober 2014. Mein Krebs war schon entfernt, ihrer noch nicht diagnostiziert. Sie hatte als Gesundheitsministerin zu einer Pressekonferenz eingeladen, gemeinsam mit der Selbsthilfegruppe Darmkrebs und dem Nobelpreisträger Harald zur Hausen. Ich war als Testimonial dabei und sollte für die Vorsorgeuntersuchung werben.
Sabine Oberhauser freute sich sichtlich, mich einigermaßen wohlbehalten wiederzusehen. Ich steckte damals in den letzten Runden meiner zweiten postoperativen Chemo, da, wo es wirklich zäh wird. Sie ermutigte mich, befragte mich nach meinen Erfahrungen. Wir wollten uns zu einem längeren Erfahrungsaustausch treffen.
Dazu kam es nicht mehr. Wenige Monate später, im Februar 2015, gab Sabine Oberhauser ihre Krebserkrankung bekannt – auch über Facebook, wo sie ein immer größer werdendes Publikum mit ihren Wetterberichten und ihrem Optimismus erfreute. Ihr öffentlicher Umgang mit ihrer Krankheit hatte in den ersten Tagen durchaus mieselsüchtige und sogar bösartige Reaktionen nach sich gezogen. Doch sie zerbröselten im Laufe der Zeit an ihrer Haltung, ihrem Mut und ihrer Stärke.
Es gibt Menschen, die sich mehr davor fürchten, die Haare durch eine Chemotherapie zu verlieren und auf diese Weise ihre Erkrankung zur Schau zu stellen, als vor dem wuchernden Krebs selbst. Vor diesem Hintergrund kann man die Unbekümmertheit, mit der die Gesundheitsministerin ihre Chemo-Glatze öffentlich präsentierte, gar nicht hoch genug schätzen.
Sabine Oberhauser war keine Sesselkleberin. Sie wollte als Gesundheitsministerin etwas bewirken. Deshalb hat sie ihre Arbeit nicht aufgegeben. Als ich im Frühjahr 2016 in den Nationalrat und in den Gesundheitsausschuss zurückkehrte, ging es hier unter anderem um die Frage, warum Krebspatienten und -patientinnen so lange auf bildgebende Untersuchungen wie Computertomografie und Magnetresonanztomografie warten müssen. Wie immer zeigte bei der Frage nach der Verantwortung jeder sofort auf andere. Nur die Gesundheitsministerin drängte darauf, dass sich dieser unerträgliche Zustand rasch ändert.
Sie war eine zähe Kämpferin für das Gute und die Gerechtigkeit. Und sie war eine tolle Gesprächspartnerin, weil sie die Diskussion suchte. Diese seltene Eigenschaft wird ihr quer durch alle Parteien attestiert. In parlamentarischen Ausschüssen reiht sich oftmals Statement an Statement. Nur selten beziehen sie sich auch aufeinander. Es fiel auf, dass Sabine Oberhauser Argumente aufgriff, prüfte und ihre Position dazu offenlegte – sachlich, unaufgeregt und gleichzeitig engagiert.
Natürlich redeten wir immer wieder auch über unseren Krebs. Es waren meist kurze Gespräche.
Sabine Oberhauser wollte sich von ihrer Krankheit nicht aufhalten lassen. Sie gab nicht auf, kämpfte weiter, stand sogar Sitzungen durch. Die Arbeit gebe ihr Kraft und halte sie davon ab, auf ihre Erkrankung zu starren, sagte sie oft. Aber sie vergaß nie, ausdrücklich zu erwähnen, dass sie in der privilegierten Lage sei, ihre Arbeitszeit frei einzuteilen und von einem tollen Team unterstützt zu werden. Sie hatte die Bodenhaftung der Gewerkschafterin nie verloren.
Auf die Frage, wie Krebskranke mit dem Thema umgehen sollen, gibt es keine verbindliche Antwort. Ich selbst war fast ein Jahr lang krankgemeldet. Ich war froh, im Schutz des Krankenstandes schreiben, arbeiten und mich ablenken zu können. Und obwohl man hinterher vieles wieder vergisst oder verdrängt, erinnere ich mich noch gut an die dunklen Tage, an denen mich Chemobehandlung und Strahlentherapie fast bewegungsunfähig machten.
Ich glaube, Sabine wollte bis zum Schluss zeigen, dass man nicht aufgeben soll – weder im Kampf gegen den Krebs, noch im Kampf für eine bessere Gesellschaft.
Danke, Sabine, dass es dich gegeben hat.
Sabine Oberhauser (1963–2017)
Die Kinderärztin begann ihre politische Karriere beim Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), dessen Vizepräsidentin sie später wurde. Nach Funktionen in der Ärztekammer wurde sie 2006 in den Nationalrat gewählt. 2014 holte sie Werner Faymann als Gesundheitsministerin in die Bundesregierung, später kamen die Frauenagenden hinzu. Trotz Krebsdiagnose im Jahr 2015 blieb die Wienerin bis zuletzt im Amt. Oberhauser war verheiratet und hinterlässt zwei Töchter.
Karl Öllinger (65)
Das grüne Urgestein sitzt seit April 2016 wieder im Nationalrat – wie bereits von 1994 bis 2013. Anfang 2014 wurde bei ihm Krebs diagnostiziert. Mit seiner Erkrankung geht er seither offen um.