Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP)
Wahljahr 2024

Nationalrat: Wann wählen wir?

29. September oder doch 26. Mai? Der Wahltermin hängt von vielen Faktoren ab, auch von David Alaba.

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In der Politik fallen die wirklich wichtigen Entscheidungen in informellen Gremien. In der ÖVP ist das nicht anderes. Am Vorabend offizieller Sitzungen des Bundespareivorstands bittet der jeweilige Parteichef gern seine wichtigsten Funktionäre zum Gedankenaustausch. So hält es auch Kanzler Karl Nehammer. Am Montag nominierte der Parteivorstand den langjährigen Abgeordneten und früheren Generalsekretär, Reinhold Lopatka, zum Spitzenkandidaten für die Europawahl am 9. Juni. Tags zuvor beriet Nehammer mit seinen Landeschefs über den Termin für die Nationalratswahl, die planmäßig erst im Herbst stattfinden soll, wie der Kanzler auch jüngst im ORF-Interview bestätigte. 

Laut mehreren Medienberichten soll sich eine Mehrheit der Landesparteichefs allerdings für einen vorgezogenen Termin ausgesprochen haben. Die Letztentscheidung liegt allerdings beim Chef. 

Terminsuche

Was spricht aus ÖVP-Sicht für, was gegen Neuwahlen? Und welcher Termin ist der wahrscheinlichste?

Eine Vorverlegung würde für den schwarzen Apparat – Bundespartei und Landesparteien – eine Doppelbelastung bedeuten, denn neben der Nationalratswahl muss ja auch ein Wahlkampf für die EU-Wahl organisiert werden. Mehr Werbeflächen müssten gebucht, mehr Plakate gedruckt, mehr Veranstaltungen organisiert werden. Die Medientermine – vor allem die TV-Diskussionen – wären kaum mehr zu koordinieren. Karl Nehammer müsste in eigener Sache, aber auch für Lopatka wahlkämpfen. 

Der Vorteil der Vorverlegung: Die schwarze Wahlkampfmaschine müsste nur einmal und nicht zweimal – im Frühjahr und im Spätsommer – hochgefahren werden. Insgesamt könnte ein gemeinsamer Wahlkampf für Nationalrats- und EU-Wahl auch billiger kommen. Manche in der ÖVP sind dazu der Meinung, ein früherer Wahltermin hätte taktische Vorteile. SPÖ-Chef Andreas Bablers Umfragewerte seien schlecht. Dazu würde die vorhersehbare Niederlage bei der EU-Wahl schlecht für die Moral vor einer Nationalratswahl im Herbst sein. 

Grüne Hürde

Der reguläre Wahltermin wäre wohl der 29. September, auf den Tag genau nach der letzten Wahl 2019. Wird bereits im Frühjahr gewählt, werden die möglichen Termine knapp. Aufgrund der vorgesehenen Fristen käme wohl frühestens der Mai in Frage. Allerdings ist am 12. Mai Muttertag, der für die Familienpartei ÖVP eher nicht möglich ist. Immerhin müssen an einem Wahltag tausende Parteimitglieder Dienst in den Wahllokalen schieben. Auch der 19. Mai ist für die christlich-soziale ÖVP ungeeignet, da es sich um den Pfingstsonntag handelt. Daher ist der wahrscheinlichste Termin in diesem Monat der 26. Mai. 

Wahlen im Juni würden mit einem Sportereignis kollidieren. Denn am 14. Juni beginnt in Deutschland die Fußball-EM, für die sich die Nationalmannschaft um den derzeit verletzten Kapitän David Alaba qualifiziert hat. An einem Wahlkampf kurz vor oder gar während der EM wären die Millionen Fußballfans im Land kaum interessiert.

Sollte die ÖVP im Frühjahr wählen wollen, bleibt immer noch eine Hürde: der grüne Koalitionspartner. Denn Werner Kogler ist dezidiert für den regulären Termin. Und die ÖVP müsste ihm – und der Öffentlichkeit – genau erklären, warum sie nach 2017 und 2019 zum dritten Mal Neuwahlen initiiert.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.