Porträt eines unterschätzten Amtes
Es ist Aufgabe des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, die erste Sitzung eines neuen Nationalrates einzuberufen. Wichtigste Funktion dieser konstituierenden Sitzung ist die Angelobung der 183 Abgeordneten sowie die Wahl des dreiköpfigen Nationalratspräsidiums. Jenseits davon stehen an diesem ersten Tag der XXVIII. Gesetzgebungsperiode der Republik Österreich die Wahl von Ausschüssen, Schriftführer:innen und Ordner:innen auf der Tagesordnung.
Nach der Nationalratswahl Ende September kam es zu deutlichen Verschiebungen in den Fraktionen. Die stärkste Fraktion stellt nunmehr die FPÖ mit 57 Mandaten, die ÖVP besetzt 51, die SPÖ 41 Sitze. Die Neos sind an vierter Stelle mit 18, die Grünen mit 16 Abgeordneten im neuen Nationalrat vertreten. Es werden viele neue Gesichter ins Parlament einziehen, der Frauenanteil wird voraussichtlich nach Jahren des Zuwachses wieder zurückgehen.
Geändert hat sich auch die künftige Sitzordnung: Die FPÖ sitzt am Donnerstag rechts außen (aus Sicht der Regierungsbank) und hat damit mit der ÖVP-Fraktion Plätze getauscht. Es folgen im Halbrund des Plenarsaales wie gehabt Neos, die Grünen und ganz links die SPÖ. Ein Beschluss, den das neue Präsidium des Nationalrates jederzeit wieder ändern könnte - freilich erst nach der Wahl in der konstituierenden Sitzung.
Üblicherweise machen jene drei Parteien, die im Nationalrat am stärksten vertreten sind, Vorschläge für die Besetzung der Präsidiale. Und ebenso üblicherweise folgt das Plenum bei der Wahl diesen Vorschlägen. Die Zustimmung ist meistens verhältnismäßig hoch. Der scheidende Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) erhielt 2017 mit einem Ergebnis von 61% bisher das niedrigste Resultat.
Bisher sind die Nationalratspräsidenten entweder von der SPÖ oder ÖVP aufgestellt worden. Nun könnte der neue Nationalratspräsident erstmals ein Vertreter der FPÖ sein: Walter Rosenkranz ist als Nachfolger von Wolfgang Sobotka im Gespräch.
Der Nationalratspräsident agiert nicht alleine, da das Präsidium aus drei Personen besteht. Neben Rosenkranz nominieren die ÖVP Peter Haubner und die SPÖ Doris Bures für die weiteren Plätze.
Die Funktionen der Präsident:innen im Nationalrat ist eine oft unterschätzte Funktion. Die Person steht formell an zweiter Stelle des Staates - als Vertretung des Bundepräsidenten. Was an der Konstruktion dieses Amtes abgesehen von der Machtfülle seit 15 Jahren diskutiert wird: Die Präsidentinnen und Präsidenten des Nationalrates sind nicht abwählbar - was potenziell die Möglichkeit für Machtmissbrauch in sich trägt. Trotz weitgehender Einigkeit über eine Änderung dieses Umstandes, kam es nie zu einem politischen Beschluss.
Die Aufgaben und Befugnisse eines Nationalratspräsidenten sind jedenfalls umfassend. Ein kurzes Porträt eines unterschätzten Amtes.
Vorsitz im Plenum
Eine der wichtigsten Aufgaben des Nationalratspräsidenten ist die Leitung der Plenarsitzungen. Er sorgt dafür, dass die Rednerliste eingehalten wird, erteilt das Wort und stellt die Einhaltung der Geschäftsordnung sicher. Bei Störungen oder Zwischenrufen greift er ein, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Besonders wichtig ist die politische Neutralität des Präsidenten, die Vertrauen zwischen den Fraktionen schafft und faire Debatten fördert.
Organisation und Verwaltung
Zusätzlich zur Leitung der Sitzungen ist der Nationalratspräsident für die Verwaltung des Parlamentsgebäudes verantwortlich und übt das Hausrecht aus. Er erstellt den Budgetvoranschlag zusammen mit den anderen Präsident:innen, um sicherzustellen, dass die finanziellen Mittel des Parlaments effizient eingesetzt werden.
In seiner Rolle als oberstes Verwaltungsorgan der Parlamentsdirektion sorgt er für einen reibungslosen Ablauf der parlamentarischen Arbeit.
Repräsentative Aufgaben
Als Repräsentant des Parlaments vertritt der Nationalratspräsident Österreich bei offiziellen Anlässen und pflegt Kontakte zu anderen staatlichen Organen sowie internationalen Parlamenten. Er übernimmt auch die Vertretung des Bundespräsidenten, wenn dieser abwesend ist, und trägt somit zur Stabilität des Staates bei.
Präsidialkonferenz
Die Präsidialkonferenz, bestehend aus dem Präsidenten, den anderen Präsident:innen und den Klubobleuten, koordiniert die parlamentarische Arbeit. Sie legt die Tagesordnungen fest und erstellt Zeitpläne für Beratungen, was zur Effizienz und strategischen Planung des parlamentarischen Betriebs beiträgt.
Die Grünen haben im Vorfeld der Wahl angekündigt, einen blauen Nationalratspräsidenten nicht zu unterstützen. An der Wahl von Walter Rosenkranz wird das aus heutiger Sicht nichts ändern.