Nationalratswahlen 2024

Herbert Kickl, TikTok und die Gen Z

Immer mehr junge Menschen wählen rechts. Die Generation Z wird medial oft als zu woke, zu alternativ und zu links abgestempelt. Ihr Wahlverhalten zeigt: Dieses Bild passt schon lange nicht mehr. Eine Analyse.

Drucken

Schriftgröße

Überrascht war niemand – enttäuscht viele. Die rechtspopulistische FPÖ landete bei den Nationalratswahlen am Sonntag auf Platz eins. Rund 29 Prozent erreichte Kickls Partei, die ÖVP 26 Prozent, die Sozialdemokraten 21 Prozent.

Nicht weniger rechts als der Durchschnitt haben junge Wahlberechtigte gewählt: 27 Prozent der unter 35-Jährigen stimmten für die FPÖ, 20 Prozent für die ÖVP, 18 für die SPÖ, 14 für die Neos, neun Prozent für die Grünen, fünf Prozent jeweils für die Bierpartei und für die KPÖ. 

Es gibt unterschiedliche Faktoren, die ihre Wahlentscheidung beeinflusst haben. Vor allem die Themen Zuwanderung und Teuerungen haben bei der Nationalratswahl 2024 junge Menschen beschäftigt. Das Thema Klimaschutz hat – überraschenderweise – bei den Jungen keine große Rolle gespielt. 

Bei den Nationalratswahlen 2019 sah das Wahlverhalten der Jungen noch deutlich anders aus. Die Grünen und die ÖVP führten mit je 27 Prozent, die FPÖ lag mit 20 Prozent auf Platz drei, die SPÖ bekam 14 Prozent, die Neos acht, die Liste Jetzt drei und WANDEL einen. 

Fünf Jahre voller Krisen

Die vergangenen fünf Jahre waren geprägt von Krisen. Bis diese aufgearbeitet sein werden, kann es mindestens fünf weitere Jahre dauern. Diese Krisen gingen an jungen Menschen nicht spurlos vorbei. Die psychische Gesundheit junger Menschen hat sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert. Laut Gesundheitsministerium weisen 22 Prozent der Mädchen ab der 5. Schulstufe und zehn Prozent der Burschen, Anzeichen einer Depression auf.

Viele Vertreter:innen der Generation Z fühlen sich im Stich gelassen. Wir erinnern uns an die Corona-Pandemie, in der Schüler:innen monatelang in ihren Kinderzimmern unterrichtet wurden, ihre Matura- und Lehrabschlusszeugnisse über Zoom überreicht bekamen, während Skilifte geöffnet bleiben durften. 

Teenager hatten plötzlich keinen strukturierten Alltag mehr. Sie durften mit ihren Freund:innen nicht am Spielplatz chillen, mit der Schule auf Ausflüge fahren oder ihren ersten Rausch in einer schäbigen Bar erleben. Anstatt soziale Kontakte zu knüpfen, isolierten sie sich und scrollten auf der Kurzvideo-App TikTok herum – die seit Beginn der Pandemie ihre Hochphase erlebt. 

Auf die Pandemie folgten der Ukraine-Krieg und die Teuerungen, die vielen jungen Menschen aus sozioökonomisch schwächeren Haushalten den Start ins Erwachsenenleben deutlich erschwerten. 

TikTok als Wahlkampfinstrument

Linke Politiker:innen gingen jahrelang davon aus, dass nachkommende Generationen automatisch für sie stimmen würden – und es mitunter verabsäumt, sie zu erreichen. Dieses Versäumnis hat Rechten in die Karten gespielt. 

Während in den Redaktionen und Parteizentralen vor kurzem noch darüber diskutiert wurde, ob sich TikTok jemals durchsetzen wird, haben rechte Politiker:innen bereits Kurzvideos mit packender Musik gedreht und auf der App ihre Verschwörungstheorien verbreitet. Sie haben junge Menschen in „hipper“ Jugendsprache angesprochen, ihnen in einer turbulenten Zeit scheinbar einfache Antworten auf komplizierte Lebensfragen geboten. Diesen Effekt konnte man zuletzt auch bei den Landtagswahlen in Deutschland beobachten, wo die AfD besonders viele junge Wählerstimmen gewinnen konnte. 

Dass der rechtspopulistische Wahlerfolg bei Jungen mitunter auf Social Media zurückzuführen ist, erklärt auch Meinungsforscher Peter Hajek: „Die freiheitliche Partei hat vor Jahren begonnen, in die Netzkommunikation zu investieren. Sie sind, sowohl was das Investment, als auch was das Know-How betrifft, anderen Parteien Meilen, um nicht zu sagen Lichtjahre voraus.“

Pessimistische Gen Z für Kickl

Junge Wähler:innen sind eine vulnerable Gruppe in jeder Gesellschaft, weil sie oftmals noch keine fixierten Meinungen haben, sondern diese erst bilden müssen. Sie sind daher oft Wechselwähler. Das allein erklärt den Rechtsruck nicht.

Die Forschung zeigt: Generell haben viele Menschen, die mit der Politik unzufrieden sind, am Sonntag FPÖ gewählt. Statistiken belegen, dass unter 30-Jährige pessimistisch in die Zukunft blicken und immer unzufriedener mit ihrem Leben sind als ihre älteren Mitmenschen. 

Die Gen Z und Millennials sind trotz allem eine heterogene Wähler:innengruppe. Während junge Menschen aus urbanen Gegenden mit Maturaabschluss immer noch eher links wählen, stimmen Menschen aus ruralen Orten mit Pflichtschulabschluss, tendenziell häufiger für rechte Parteien. Dass Frauen häufiger links wählen, konnte man bei dieser Wahl nicht beobachten. 

Ob und wie SPÖ, ÖVP und Grüne eine junge Generation wieder für sich gewinnen können? Ein Social-Media-Nachhilfekurs könnte jedenfalls dabei helfen.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.