Therapiestunde Teil 6

Wie verbittert man nicht, Herr Zotter?

In der Serie „Therapiestunde“ befragt profil Menschen nach den Lehren, die sie der Politik mitgeben können. Teil 6: Der Chocolatier und Biolandwirt Josef Zotter über Gendefizite bei Politikern, eine fehlende Kultur des Scheiterns und das perfekte Wahlzuckerl.

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Herr Zotter, Sie sind einer der wenigen Unternehmer, die öffentlich über ihr Scheitern reden. Hat Ihnen das schon einmal geschadet?

Zotter

Es gab Freunde, die haben mich, als ich mit meinen Konditoreien in Graz in die Insolvenz gegangen bin, nicht mehr zum Abendessen eingeladen. Und meine Eltern haben sehr gelitten, die haben sich geschämt. Aber eigentlich habe ich recht positive Erfahrungen damit gemacht.

Inwiefern?

Zotter

Als wir das Unternehmen saniert und mit der Chocolaterie eine echte Erfolgsgeschichte begonnen hatten, hat mich Ö3-Moderatorin Claudia Stöckl zum „Frühstück bei mir“ eingeladen. Ich wollte dort eigentlich nicht über die Pleite reden, aber das Thema war dann sendungsfüllend. Als ich die Ausstrahlung gehört habe, dachte ich mir: Das war’s jetzt. Jetzt weiß es ganz Österreich. Aber der Briefträger hat mir dann säckeweise Post mit Sympathiebekundungen gebracht. Das war für mich der Beweis, dass es gut ist, über das Scheitern zu reden. Die Leute wollen nicht angelogen werden.

Sollten auch Politiker offener mit ihren Fehlern umgehen? Wir stehen ja alle noch unter dem Eindruck der Causa Lena Schilling, wo diverse Vorwürfe zurückgewiesen und kleingeredet wurden.

Zotter

Offensichtlich war sie nicht ehrlich. Aber die Leute haben eine Sehnsucht nach Ehrlichkeit. Sie wollen keine geschleckten Teflonmenschen mehr. Man braucht wieder Leute, die in die Politik gehen, weil sie Ideen haben, unabhängig sind, und nicht, weil sie gut verdienen und danach in irgendeiner Institution einen geilen Job bekommen wollen.

Wie sehr muss man sich von der Konkurrenz unterscheiden, um reüssieren zu können?

Zotter

Ganz massiv. Es gibt Tausende Schokoladenmarken. Uns ist es nur gelungen, zu überleben, weil wir uns eine Nische gesucht haben. Wie soll ich mich denn mit Lindt oder Milka matchen? Wir haben uns auf handgeschöpfte Schokoladen fokussiert, die wir exzessiv optimiert haben.

Und auf die Politik umgemünzt? Die ÖVP beispielsweise unterscheidet sich in vielen Inhalten kaum noch von der FPÖ.

Zotter

Die Parteien sollen für etwas Konkretes stehen. Aber sie wollen ja alles sein. Die ÖVP will ein bisschen links und ein bisschen rechts sein, die Linken wollen auch ein bisschen rechts sein. Aber damit sind sie alle nicht Fisch und nicht Fleisch. Und das treibt die Leute von den Urnen weg oder hin zu einer Protestwahl. Wer gewählt werden will, muss kompromisslos authentisch sein. Als ich damals in die Insolvenz geschlittert bin, hat mir mein Steuerberater gesagt, ich muss sparen. Beim Personal, bei den Kosten – ich soll halt die günstigen Nüsse und statt Butter Margarine kaufen. Da bin ich zornig geworden: Da gehe ich lieber pleite, bevor ich diese Kompromisse eingehe. Denn was kann die Kundschaft dafür?

In der Politik muss man das immer wieder tun. Halten Sie das für falsch?

Zotter

Wenn man Koalitionen eingehen muss, muss man natürlich auch Kompromisse eingehen. Aber wenn man für ein Programm gewählt ist, muss man dieses auch durchziehen. Das ist mein Wink an die Politik, aber auch an uns als Bürger und Wähler: Wir können froh sein, in einer lebendigen Demokratie zu leben – und das bedeutet auch: Was gewählt wurde, ist zu akzeptieren.

In der Serie „Therapiestunde“ befragt profil Menschen nach den Lehren, die sie der Politik mitgeben können.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).