Österreich

Nehammer bei Sondersitzung des Nationalrats: "So sind wir nicht"

SPÖ will von Nehammer "dringlich" Anti-Korruptionspaket - Opposition will Neuwahlen

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Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Mittwoch im Nationalrat Korruptionsvorwürfe gegen sich, die ÖVP und die Regierung zurückgewiesen. "So bin ich nicht und so sind wir nicht", sagte er in der von SPÖ und FPÖ verlangten Sondersitzung, in der ein Misstrauensantrag gegen die Regierung erwartungsgemäß abgelehnt wurde. Klären könnten die Vorwürfe allerdings nur unabhängige Gerichte, betonte der Kanzler und rief die Opposition zu "redlicher Politik" angesichts aktueller Krisen auf.

Nehammer, dessen Rede von zahlreichen Zwischenrufen aus Reihen der FPÖ und SPÖ untermalt war, sprach sich gegen mit Steuergeld finanzierte parteipolitische Umfragen aus, oder dass Multimilliardäre es sich richten können: "Wenn es diese Vorgänge gegeben hat, dann verurteile ich sie aufs schärfste", sagte er: "Korruption hat in Österreich definitiv keinen Platz." Wenn überhaupt, so die Sicht des Kanzlers, wäre so etwas unter seinen Vorgängern passiert. "Die, die gefehlt haben, müssen Konsequenzen tragen", unterstrich er. Aber: "Ich spreche niemanden schuldig, ich bin kein Richter." Alles andere wäre aus Nehammers Sicht eine Vorverurteilung und damit eine Aushebelung des Rechtsstaates.

Bei der Bevölkerung entschuldigte er sich - allerdings nicht für die der ÖVP vorgeworfenen Fehlleistungen, sondern vor allem dafür, dass der Umgang im Parlament immer hämischer und verächtlicher werde und der Eindruck entstehe, dass die Politik die Nöte der Menschen nicht sehe. Die Justiz habe jetzt ihre Ermittlungen zu führen. "Aber ich als Bundeskanzler, wir als Bundesregierung, haben ein Land durch die Krise zu führen." Man sei jedenfalls für die Dauer der Legislaturperiode gewählt, unterstrich er und erteilte dem "Gutdünken der Opposition" eine Absage.

Zuvor hatte SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in der Debatte den Dringlichen Antrag seiner Fraktion begründet. Er berief sich auf Moral und Anstand und erinnerte daran, dass die ÖVP sich christlich-sozial nenne. Wenn sie sich rein auf das Strafrecht berufe, dann wären ihr auch 7,5 der zehn Gebote aus der Bibel "wurscht". "Zumindest der Herr Schmid hat sich an das Vierte gehalten, du sollst deine Mutter ehren", meinte er in Anspielung auf die Aussagen des früheren Finanz-Generalsekretärs Thomas Schmid, der Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz und andere ranghohe Türkise vor der Staatsanwaltschaft massiv belastet und den Tadel seiner Mutter als Motivation dafür genannt hat. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach von "einer noch nie da gewesenen politischen Schamlosigkeit" und "Unanständigkeit" der ÖVP. Die Regierung sei handlungsunfähig, forderte sie Neuwahlen: "Klammern Sie sich nicht länger an Ihre Regierungsfunktionen!"

Gewohnt deftig ging es FPÖ-Chef Herbert Kickl an. Er erkannte in Nehammers Rede bloß "Süßholz-Gerasple" und ein "Abschütteln der Verantwortung, Kindesweglegung, Abputzen, Ablenken und eine unglaubliche Wehleidigkeit". Das sei eine gewisse Realitätsverweigerung, "die mich an einen Ceausescu (letztlich hingerichteter rumänischer Diktator, Anm.) in der Endphase erinnert", polterte Kickl. Am Ende der juristischen Aufarbeitung werde "sich zeigen, ob die ÖVP eine kriminelle Organisation ist", meinte Kickl, aber "das Problem ist Ihre hochgradige moralische Verwahrlosung", "dass Sie nicht wissen, was sich gehört und was nicht". Kickl erinnerte Nehammer an den Verhaltenskodex der ÖVP und dass darin betont werde, dass die Pflichtenethik über die Rechtsordnung hinausgehe. "Sie nehmen sich ja selber moralisch nicht mehr ernst", stellte Kickl fest. Für den von Schmid belasteten Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), der hinter ihm den Vorsitz führte, zupfte Kickl außerdem eine Rote Karte aus dem Sakko.

ÖVP-Affäre: Sondersitzung im Nationalrat

Das Vertrauen in die Politik sei im Keller, meinte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die ÖVP reiße auch alle anderen mit in den Abgrund. Der Wahlsieg der ÖVP sei "getürkt und erkauft", forderte auch Meinl-Reisinger einmal mehr Neuwahlen. "Die ÖVP hat ein Korruptionsproblem und ist vielleicht ein Korruptionsproblem."

Die Entwicklungen der vergangenen Wochen hätten ein "schauderliches Bild" der Politik geliefert, räumte die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer ein. Es sei "unerträglich, dass sich der Eindruck verfestigt, man könne es sich in Österreich richten" - das schade "immens dem Vertrauen in die Demokratie", richtete sie dem Koalitionspartner aus. Dennoch nahm Maurer auch die anderen Parteien in die Zange: Denn auch wenn die ÖVP nun "in den eigenen Reihen für Ordnung sorgen" müsse, sei das, was den U-Ausschuss beschäftige, erst durch den Ibiza-Skandal der FPÖ-Spitze aufgebrochen, betonte sie. Den Sozialdemokraten konterte sie, dass es gerade der Wiener Bürgermeister und andere rote Gemeinden seien, die die Abschaffung des Amtsgeheimnisses blockierten. Zur Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, das seit einem Jahr auf dem Tisch liege, forderte Maurer allerdings die ÖVP zu "Tempo" auf.

Der rote Dringliche Antrag fand schließlich nur die Zustimmung von SPÖ und NEOS und wurde damit abgelehnt. In der Minderheit blieben auch weitere Anträge von SPÖ und NEOS zur Korruptionsbekämpfung. Mit ihrem Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung und einem weiteren Antrag zur Parteienfinanzierung blieben die Freiheitlichen allein. Auch mit dem Wunsch nach umgehender Fristsetzung ihres bereits im Juli eingebrachten Neuwahlantrags konnten sich die Freiheitlichen nicht durchsetzen. Von der SPÖ kam ebenfalls ein Antrag zur vorzeitigen Beendigung der Gesetzgebungsperiode, er wurde zu Sitzungsende dem Verfassungsausschuss zugewiesen.