Nehammer in Wels
ÖVP

Karl Nehammers Kanzlerrede: Welser Messe

Der ÖVP-Obmann präsentiert seinen Plan für Österreich. Die angekündigte Bergpredigt bleibt aus.

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Beim letzten großen ÖVP-Event, dem Parteitag im Mai 2022 in Graz, fiel Karl Nehammer durch einen vielzitierten Sager auf: „So viele in so einem kleinen Raum heißt auch so viele Viren, aber jetzt kümmert es uns nicht mehr – schön, dass ihr da seid.“  Zu Nehammers und der Volkspartei Glück ist das Coronavirus kein größeres Problem mehr, auch nicht Freitagnachmittag in der Halle 19 der Welser Messe. Beim Einzug herzt und quetscht der ÖVP-Obmann minutenlang dutzende Parteipromis in den ersten Reihen. Auch die ÖVP-Ältesten wie Josef Pühringer, Waltraud Klasnic und Andreas Khol werden nicht verschont. Vor zwei Jahren wären alle auf Verdacht ins Homeoffice geschickt worden.

Wo demnächst die Bogensportmesse und das Fishing Festival stattfinden, haben sich schwarze Regierungsmitglieder, Landeshauptleute, Mandatare, Funktionäre, einfache und weniger einfache Parteimitglieder zur Präsentation von Nehammers Österreichplan eingefunden.  2000 Leute sind im Saal. Es ist eine Veranstaltung zur Selbstvergewisserung. Erwartet wird eine Antwort auf die Frage: Wer sind wir, und werden wir nach der nächsten Wahl noch genauso viele sein?

Kein Hauptakt ohne Vorgruppe: Zu Beginn widmen sich Klubchef August Wöginger, Generalsekretär Christian Stocker und Staatssekretärin Claudia Plakolm auf der Bühne ihrer Konkurrenz: Herbert Kickl – der Putin-Versteher und Wurmmittel-Empfehler. Andreas Babler – der Marxist und Suderer. Angesichts dieser Gruselkandidaten kann es nur einen geben: den „Nehammer Koarl“ (Wöginger). Der Klubobmann aus dem Innviertel ist bei ÖVP-Großveranstaltungen immer als Alleinunterhalter gebucht. Er sorgt für lustige Pointen. Für kryptische Sätze ist Generalsekretär Stocker zuständig: „Das F bei der FPÖ ist eigentlich ein V und steht für Verschwörung.“

ÖVP-Spitze

Biblisches

Als der „Nehammer Koarl“ die Bühne betritt, hält es die Menge vor Begeisterung nicht mehr auf den Sesseln. Schon im Vorfeld sind große Erwartungen geweckt worden; so groß, dass man damit rechnen durfte, Nehammer werde in der Welser Messe eine Bergpredigt halten.

Der Kanzler beginnt auch mit einer Begebenheit, die neutestamentarisch anmutet. Ein junger Bauer habe ihn einmal gefragt, ob er den Hof seiner Eltern übernehmen solle. Und siehe, er habe geantwortet: „Ich muss es dir nicht sagen, wenn du den Hof deiner Eltern übernehmen sollst.“ Denn ihm sei es bei der Übernahme des Kanzleramts ähnlich ergangen – obwohl dieses strenggenommen kein Erbhof ist.

Inhaltlich bietet Nehammers Österreichplan ein Best-of-Black: Unternehmen stärken, Export stärken, Bäuerinnen stärken, Ehrenamt stärken, Familien stärken, Frauen stärken, Bildung stärken, Gesundheitssystem stärken, Senioren stärken, Bundesheer und Polizei stärken, Österreich in Europa stärken, Energienetz stärken, Gemeinden stärken. Zuwanderung ins Sozialsystem stoppen, illegale Migration stoppen, Vermögens- und Erbschaftssteuer stoppen, Bürokratisierung und Regulierung stoppen, Kriminelle stoppen, Klimakleberinnen und Klimakleber stoppen, Aufweichung der österreichischen Staatsbürgerschaft stoppen, übertriebenes Gendern stoppen.

Moralisches & Kalendarisches

Sehr viel Applaus erhält Nehammer, als er ankündigt, mehr Österreicher zu Eigentümern machen zu wollen, obwohl er nicht ausführt, wovon. Sonst bietet er in seiner Rede Bekanntes („Österreich ist ein Autoland“), Altbekanntes („Familie ist die Keimzelle“), Moralisches („Redlichkeit ist wichtig“) und Kalendarisches („Das Bessere ist der Feind des Guten“). Der grüne Koalitionspartner wird in seiner Rede verschont, Sebastian Kurz kein einziges Mal erwähnt.

Zum Ende nimmt sich auch Nehammer seinen größten Gegner vor, ohne Herbert Kickl beim Namen zu nennen. Es gebe einen „Unterschied zwischen ihm und mir“. Er wolle gestalten und nicht spalten. Und deswegen habe er diesen „Plan für Österreich“ entworfen. „Geht mit mir diesen Weg“, ruft Nehammer ins Publikum. Standing Ovations. Bundeshymne (mit Töchtern). Nehammer steht stramm wie ein Gardeoffizier. Dann Buffet. Dort ist Thema, worüber Nehammer nichts sagte: Neuwahlen. Ein Insider schätzt gegenüber profil die Wahrscheinlichkeit, dass am 9. Juni Europa- und vorgezogene Nationalratswahlen stattfinden, auf 60 Prozent. Entschieden sei noch nichts. Zum ÖVP-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, Reinhold Lopatka, sagt Nehammer in seiner Rede: „Danke, Reinhold, dass du dir das antust.“ Wahrscheinlich war es gar kein Versprecher.

 

 

 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.