Neos-Absturz in Salzburg: "Es war ein Schock"
Die frühere Höchstrichterin, Präsidentschaftskandidatin und NEOS-Abgeordnete Irmgard Griss (76) über den pinken Scheideweg.
Was sagen Sie zum Absturz der NEOS in Salzburg?
Griss
Das war ein Schock. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Es tut mir leid, dass die in vielen Bereichen sehr gute Arbeit der Landespartei kaum wahrgenommen wurde.
Warum?
Griss
Ich komme aus der Weststeiermark und weiß, wie extrem sch
wer es für junge Parteien ist, in den Ländern etwas aufzubau
en, um Menschen zu erreichen. Anders als im Bund oder in Niederösterreich ist das in Salzburg offenbar noch nicht gelungen.
Könnte den NEOS bei der Nationalratswahl ein ähnlicher Absturz drohen wie in Salzburg?
Griss
Das glaube ich nicht. Die Bundespartei ist viel besser aufgestellt, und Parteichefin Meinl-Reisinger besitzt Strahlkraft. Auch Abgeordnete wie Stephanie Krisper oder Gerald Loacker haben ein klares Profil.
Wofür aber steht die Partei zehn Jahre nach ihrer Gründung?
Die NEOS sind eine Partei der Mitte, eine Partei, die nicht korrupt ist. Das ist schon fast ein Alleinstellungsmerkmal der NEOS.
Das aber nicht sonderlich zündet.
Griss
Die Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Harmonie. Das ständige Anprangern von Missständen behagt vielen nicht, nach dem Motto: Die Berichterstattung über Korruption ist störender als die Korruption selbst.
Und darüber hinaus?
Griss
Das Kernthema Bildung ist leider in den Hintergrund geraten. Es ist ja auch sperrig und berührt viele Wählerinnen und Wähler nicht sonderlich. Dabei ist die Frage, was es braucht, damit es der nächsten Generation gut geht, zentral. Und damit meine ich nicht nur das Kürzen von Luxuspensionen zugunsten der Jungen. In Sicherheitsfragen sind die NEOS die einzige Partei, die sich trauen, zu hinterfragen, ob die Neutralität noch zeitgemäß ist.
Tausende frühere NEOS-Wähler wanderten in Salzburg zu den Kommunisten. Was sagt das über das Profil der Partei aus?
Griss
Es ist verständlich, dass Linke wie die Kommunisten in Salzburg gut ankommen. Sie versprechen günstigere Wohnungen und öffnen selbst ihre Brieftaschen, um Menschen zu helfen. Einfache Themen eingängig rüberzubringen und selbst zu leben, das ist bei den NEOS aktuell ein Manko.
Was empfehlen Sie Ihrer früheren Partei?
Griss
Es klingt abgedroschen, aber die NEOS müssen wieder stärker zu den Leuten hingehen, Haushalte abklappern, Townhall-Meetings im ganzen Land abhalten. Ein systematischer Dialog in ganz Österreich über die pinke Politik, nicht nur vor Wahlen, sondern das ganze Jahr über. So lassen sich auch neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter in Gemeinden und Bezirken rekrutieren, die sich nicht nur kurz wichtigmachen, sondern langfristig für die Partei laufen. Das ist der einzige Weg, den ich sehe.
Klingt ein bisschen retro in Zeiten von Social Media.
Griss
Ich schaue dort nicht hinein. Bin ich retro? Es gibt viele wie mich.