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Wie sich Österreichs Demokratie schützen könnte

Demokratien sind eine mitunter gefährdete Spezies. Wo und wie man sie mit demokratischen Mitteln absichern kann, erarbeitet aktuell eine parteienübergreifende Gruppe aus Politik und Wissenschaft.

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Auch in Österreich sinken die Vertrauenswerte in die Politik kontinuierlich. Das schwächt die demokratischen Institutionen. Denn mit dem Vertrauen gehen auch das Interesse an politischen Inhalten oder die Wahlbeteiligung deutlich zurück. Das schwächt demokratische Entscheidungen. 

Gleichzeitig steigt der Druck antidemokratischer Kräfte aus dem In- und Ausland: Cyberangriffe und hybride Bedrohungen wie Beeinflussungen im Zuge der Wahlvorbereitung werden in der eben erst aktualisierten Sicherheitsstrategie als besondere Herausforderungen beim Schutz der demokratischen Prozesse und Einrichtungen beschrieben. Und selbst aktive Beteiligte aus dem politischen Prozess konstatieren, „dass die Rahmenbedingungen für konstruktives politisches Handeln ungünstig sind“. Das Vertrauen der Bevölkerung lässt sich so nur schwer zurückgewinnen.

Demokratie resilienter machen

Vor gut einem Jahr hat sich daher das Netzwerk Chance Demokratie formiert – bestehend aus 100 aktiven Akteur:innen aus Politiker und Wissenschaft. Das interessante dabei: Mit etwa 15 Abgeordneten von vier im Parlament vertretenen Parteien sowie Mitgliedern des Bundesrates, entspinnt sich dieses Netzwerk quasi aus dem Inneren unserer zentralen demokratischen Institutionen selbst. Ewa Ernst-Dziedzic (Die Grünen) findet sich ebenso im Netzwerk wie Selma Yildirim (SPÖ), Wolfgang Gerstl (ÖVP) oder Johannes Margreiter (Neos). Zielsetzung der Initiative ist es, konkrete Lösungen zu erarbeiten, um Demokratie resilienter zu machen gegen Unterwanderungen.

„Demokratie ist die Staatsform, die am meisten leisten kann und wo man Konflikte am besten lösen kann,“ erläutert Politikberater Andreas Kovar, einer der Mitinitiatoren von Chance Demokratie die Ausgangssituation. In der Praxis seien politische Prozesse jedoch äußerst zäh: „Selbst Veränderungen, gegen die niemand etwas hat, lassen sich oft nicht umsetzen.“  Das Problem dabei: „Ein Staat, der nichts leistet, verliert seine Legitimität.“ Um demokratische Prozesse hier produktiver und resilienter zu machen, müsse man sich Gedanken machen, wie man Macht besser verteilt und kontrolliert.

In mehreren Diskussionsrunden hat das Netzwerk in den vergangenen 14 Monaten eine Problemanalyse erstellt und zentrale Schwachpunkte der Österreichischen Demokratie herausgearbeitet. Eine der Positionen, die das Netzwerk sich hier näher angeschaut hat, ist die des Nationalratspräsidenten, sagt Kovar: „Er hat das Parlament in der Hand, kann demokratische Prozesse steuern, blockieren und sogar lahmlegen. Und er ist nicht abwählbar“. 

Weitere Schlüsselstellen gebe es im Innen- und das Justizministerium sowie dem Verfassungsgerichtshof. Auch hier könne man demokratische Strukturen relativ schnell unterwandern und aushebeln. „Wir vertrauen, dass der Staat die Gesetze und die Demokratie schützen kann“, argumentiert Kovar, „Geschützt hat uns, dass in zentralen Stellen Menschen gesessen sind, die ihre Macht nicht gegen die Demokratie eingesetzt haben. Dass sich das aber ändern kann, sehen wir in Ländern wie Ungarn“.

Die Ergebnisse der bisher rein internen Debatten hat das Netzwerk Chance Demokratie nun öffentlich gemacht. Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, sich an der offenen Debatte zu Problemstellung – und ab kommender Woche auch zu den Lösungsvorschlägen – aktiv zu beteiligen. Auch ein Symposium diesen Donnerstag im Parlament soll konkretere Vorschläge bringen.

Einige mögliche Lösungsansätze stehen schon jetzt im Raum: Etwa eine Abwahlmöglichkeit des Nationalratspräsidenten, die Stärkung der Weisungsfreiheit der Staatsanwaltschaft oder neue Mechanismen zur Bestellung von Verfassungsrichterinnen – etwa über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament oder eine Obergrenze für jährliche Neubesetzungen.

Die Zielgruppe, die das Netzwerk mit ihren Resultaten ansprechen will, ist klein, aber entscheidend: „Wir wollen bei parlamentarischen Akteuren Bewusstsein schaffen, für diese sensiblen Punkte – vor allem bei den etwa 15 Menschen, die innerhalb von Parteien Entscheidungen treffen. Da konnten wir schon jetzt einige Gedanken anstoßen. Schon allein dadurch, dass wir die Debatte angestoßen haben.“

Auch wenn die Zielgruppe der Resultate in der Politik selbst liege, ist es den Initiatoren wichtig, die Debatte zu öffnen und Bürgerinnen und Bürger einzubinden: „Wir wollen damit Politik transparenter machen. Und Menschen in der Politik den Rücken stärken, die in diese Richtung etwas bewegen wollen.“

Judith Belfkih

Judith Belfkih

ist seit Juli 2024 Digital-Chefin bei profil. War davor in der Chefredaktion der „Wiener Zeitung“