Neue Funde in der Causa Kurz: "Mitterlehner ist dead like a dodo"
Es sind Tage, die die Republik erschüttern: Am vergangenen Mittwoch ließ die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nach richterlicher Genehmigung Hausdurchsuchungen im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium und in der ÖVP-Zentrale durchführen. Der schwere Verdacht: Kanzler Sebastian Kurz und ein kleiner Kreis seiner engsten Berater sollen sich ab Mitte 2016 vom Finanzministerium verdeckt Umfragen finanzieren lassen haben. Diese wurden – so der Verdacht – dann bei Bedarf auch in Medien der Fellner-Gruppe veröffentlicht. Mit den Inhabern der Tageszeitung „Österreich“ habe es einen entsprechenden Deal gegeben, der auch bezahlte Anzeigenschaltungen bzw. Medienkooperationen im Millionen-Euro-Ausmaß beinhaltet haben soll. Die veröffentlichten Umfragen sollen gut mit den Zielen des Kurz-Kreises zusammengepasst haben, zunächst die Parteiobmannschaft in der ÖVP zu übernehmen und dann die Neuwahlen im Jahr 2017 gewinnen.
Der Verdacht lautet auf Untreue und – je nach Person – auf Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Alle Betroffenen bestreiten sämtliche Vorwürfe. profil hat die 104-seitige Durchsuchungsanordnung online gestellt.
Nun liegen weitere Dokumente vor – konkret Auswertungs- und Analyseberichte der WKStA mit einem Umfang von mehr als 500 Seiten. Diese gewähren einen deutlich ausführlicheren Einblick in die Verdachtslage – jedoch auch in das bemerkenswerte Selbstverständnis einiger der über Jahre hinweg höchsten Amtsträger dieser Republik.
Gemeinsame Bergtour „ohne Seile und Schluchten“
Eine der zentralen Fragen in diesem Ermittlungsverfahren: Wie gut kannten einander der heutige Bundeskanzler Sebastian Kurz und der langjährige Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid. Schmid soll gemäß Verdachtslage als Mittelsmann für den Umfragedeal fungiert haben, für den ja letztlich das Finanzressort bezahlte.
In einem ihrer Auswertungsberichte kommt die WKStA zum Schluss, dass Sebastian Kurz und Thomas Schmid „seit vielen Jahren gut befreundet sind“. Kurz, Schmid und ein weiterer hochrangiger ÖVP-Politiker hätten beispielsweise „immer wieder gemeinsame Wanderungen bzw. Bergtouren“ unternommen. Eine davon fand offenbar im Mai 2016 statt – etwa zu jener Zeit, als laut Verdachtslage auch der mutmaßliche Umfrage-Deal mit „Österreich eingefädelt wurde. Schmid schrieb: „Hi Buben, Tour ist organisiert. … hat alles versendet. Ich habe Unterlagen. Wie kommen wir dorthin. Sebastian – darf ich wieder bei dir mitfahren?“ Der dritte ÖVPler im Bunde antwortete: „Ein Hoch auf den Thomas (…). Ich biete an mit dem Auto zu fahren. Bin um 8 beim Thomas und im Anschluss bei Sebastian. Ok?“ Das gefiel Schmid: „Perfekt! Vielen Dank! … hat uns Tour ohne Seile und Schluchten organisiert :-)“ Kurz schrieb: „Super, vielen Dank!“ Ein paar Tage später meldete sich Schmid nochmals: „Cooler Tag! Danke Jungs :-))“
Im Juni 2016 wollte das Grüppchen erneut wandern gehen. Daraus dürfte allerdings nichts geworden. Lästige Ministerpflichten hinderten den damaligen Chef des Außenressorts Sebastian Kurz offenbar. Er schrieb: „mir tut das extrem leid, aber ich Sitz noch immer im MR“ (Anm.: MR steht üblicherweise für „Ministerrat“.) Schmid fragte nach: „Was geht denn da gerade ab? Redet Kern so lange?“ Kurz antwortete: „unfassbar. Große Briefing Stunde und Stöger Show Einlage“.
Kurz an Schmid: „Danke für Deine Freundschaft“
Im August 2016 übermittelte Schmid dem damaligen Außenminister zum Geburtstag einige persönliche Worte: „Lieber Sebastian, bleib uns allen lange erhalten wir brauchen dich und zählen auf dich!“ Kurz antwortete: „Vielen Dank für deine Glückwünsche und unsere Freundschaft!“ Zu Sylvester 2016 schrieb Kurz an Schmid: „Danke für deine Freundschaft“. Dies alles in jenem Jahr als – laut Verdachtslage – der Umfrage-Deal auf Kosten des Finanzministeriums eingefädelt wurde.
Im September 2016 dürfte sich Schmid jedenfalls sicher gewesen sein, innerparteilich auf der richtigen Seite zu stehen. An eine Pressesprecherin im Finanzministerium schrieb er: „Mitterlehner ist dead like a dodo“. Am 15. Oktober 2017, dem Tag der Nationalratswahl, war die Freude dann grenzenlos. Schmid schrieb an Blümel: „So ein schöner Tag“. Blümel antwortete: „GOTT SEI DANK“ Schmid konnte den ÖVP-Sieg noch gar nicht glauben: „Das ist alles so irre. So genial. Und so unfassbar geil“. An Kurz schrieb Schmid: „So genial! Wir sind so stolz auf dich!“ Der designierte Kanzler antwortete zwei Tage später: „Danke danke :)“
Nach der gewonnenen Wahl und am Ende der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ war Schmid für Kurz auch in Bezug auf die komplizierte Suche nach einem neuen Finanzminister aktiv. Einmal schrieb er an den designierten Kanzler: „Ich bin jetzt fix und fertig“. Kurz antwortete: „nein bitte nicht. das bin ich schon“. Doch Schmid wollte den ÖVP-Chef offenbar verbal aufrichten: „Du bist unser Leader!“
Kurz-Sprecher wollte sich bei Umfrage „anschließen“
In einem der Analyseberichte der WKStA heißt es mit Vereis auf eine Chatnachricht, dass das mutmaßliche Umfrage-„Tool“ definitiv „auch lange nachdem Kurz Bundeskanzler wurde ‚im Einsatz‘ war“. Aus den Chats ließe sich demnach auch kein Indiz entnehmen, dass ein Ende geplant gewesen wäre.
Schmid forderte laut Chat noch im März 2018 die Meinungsforscherin Sabine Beinschab auf, Fragen mit dem nunmehrigen Kurz-Pressesprecher Johannes Frischmann („Frischi“) abzuklären, der bis Mitte 2017 im Finanzministerium tätig gewesen war. Die WKStA schreibt: „Nachdem Frischmann von Anfang an in das Österreich-Beinschab-Tool eingeweiht war, gibt es Hinweise, dass dieser das Tool im Bundeskanzleramt weiterführte“. Kurz hatte laut Chatnachrichten im Juni 2017 übrigens persönlich bei Schmid nachgehakt, ob Frischmann aus dem Finanzministerium zu ihm wechseln würde. Am Ende eines längeren Austauschs schrieb Schmid: „Alle erledigt! Er kommt und freut sich total! :-)“ Kurz antwortete: „Vielen Dank!“
Am 30. August 2017 schrieb Frischmann von seiner neuen Funktion aus an Schmid mit Verweis auf die Meinungsforscherin: „Beinschab geht heute mit einer Umfrage ins Feld. Darf ich mich mit einer Frage anschließen?“ Schmid antwortete: „Frischi! Wie könnte ich zu dir nein sagen :-)“
„An dieser Firma werden wir uns beteiligen“
Tatsächlich deuten zahlreiche Chatnachrichten darauf, dass Schmid und Frischmann im Finanzministerium zentral in die Umfrage-Thematik involviert gewesen sein dürften. Ob im Spaß oder nicht – das offenbar auch Dank Ministeriumsgeld florierende Geschäft Beinschabs veranlasste Schmid zu bemerkenswerten Gedankenspielen. Im Dezember 2016 schrieb er an Frischmann, der damals noch im Finanzministerium war: „An dieser Firma werden wir uns Beteiligung“. Frischmann fragte nach: „Als was? Als BMF oder als Schmid-Frischmann GmbH?“ Schmid antwortete: „Schmid Frischmann. Ich meine das ernst. Die kriegt bald orf Vertrag. Und Fellner hat sie jetzt fix übernommen. Werde mit ihr im neuen Jahr essen gehen und das klar stellen. Sonst bekommt sie ein Problem. Mit mir! Sophie ist damit einverstanden.“ Dann philosophierte Schmid darüber, der Meinungsforscherin „noch ein paar größere Kunden“ zu „checken“. Frischmann meinte: „Und du machst dann beim Armin Wolf mit dem Filzmaier die Analysen.“
Mitte 2017 wechselte Frischmann dann als Pressesprecher zu Kurz. Im Juli 2017 fragte er bei Schmid bezüglich Beinschab nach: „Machen wir mit Umfragen weiter oder ist das jetzt eingestellt? Ich hab ihr gesagt sie muss das mit dir klären.“ Schmid antwortete: „Nein wir machen da ganz normal weiter … Unbedingt“.
„Wir können die Formulierung adaptieren“
Im August 2017 sah sich das Wahlkampf-Team von Sebastian Kurz – vorliegenden Chats zufolge – dringend veranlasst, in das Umfrage-Geschehen einzugreifen. Anlass war eine erschienene Befragung der Meinungsforscherin, die ja auch Aufträge der Fellner-Medien bearbeitete, unter dem Titel: „Wahl: Was Österreich wirklich will“. Das waren demnach Themen wie Gesundheit und soziale Gerechtigkeit, die eher der SPÖ zuzurechnen waren. Außerdem hatte Wolfgang Fellner dazu einen Kommentar geschrieben nach dem Motto: „Mit dem Thema Flüchtlinge ist nix zu gewinnen“. Sebastian Kurz müsse aufpassen, dass er nicht am falschen Thema kleben bleibe.
Da war Feuer am Dach. Gerald Fleischmann – Chef-Kommunikator von Kurz – schrieb Schmid: „Die Themenabfrage sollte – wenn das möglich ist – in der kommenden Welle diese Woche bitte anders ausfallen“. Schmid hakte bei der Meinungsforscherin nach: „Das macht uns etwas sorge – sind das wirklich die Hauptthemen?“ Die Meinungsforscherin antwortete, dass die Darstellung im Artikel „nicht optimal“ sei: „Schauen wir mal, ob er Themen wieder abfragen will. Dann können wir die Formulierung adaptieren.“
Schmid – Generalsekretär im Finanzministerium und nicht etwa in der ÖVP-Bundespartei - erklärte nochmals, worauf er hinauswollte: „So ist es natürlich etwas komisch wenn auf einmal nur SPÖ Themen ziehen sollen“. Die Meinungsforscherin hatte einen pragmatischen Vorschlag und eine – für die Kurz-Strategen – grundsätzlich eher schlechte Nachricht: „Könnten sonst auch noch Themen von Euch ergänzen. Flüchtlinge und terror zieht im Moment tatsächlich nicht mehr so“. Schmid schlug prompt vor: „Steuerreform Wirtschaft Kampf gegen Sozialmissbrauch“. Er machte noch weitere Vorschläge. Die Meinungsforscherin schrieb: „Ok werde ich ergänzen.“
Die andere Silberstein-Affäre
Die Auswertungsergebnisse deuten darauf hin, dass immer wieder auf Wunsch von Schmid Fragen zu Umfragen ergänzt wurden, wenn Beinschab für die Fellner-Gruppe „ins Feld“ zog. Diese Fragestellungen hatten mitunter allerdings wenig mit den Anliegen des Finanzministeriums zu tun, das laut Verdachtslage jedoch dafür aufkam. Stattdessen ging es mutmaßlich um Fragen die für den Wahlkampf wichtig waren.
Im August 2017 regte Schmid vorliegenden Chats zufolge bei der Meinungsforscherin folgendes Umfragethema in Bezug auf den skandalumwitterten SPÖ-Wahlkampfberater Tal Silberstein an: „Silberstein hat steuern hinterzogen – glauben sie das schadet der spo“ (Anm.: Tal Silberstein stand nie im Verdacht Steuern hinterzogen oder Steuerbetrug begangen zu haben. Er war mit anderen Vorwürfen konfrontiert, hat aber jedes Fehlverhalten immer bestritten.) Auch hier erhellt sich nicht, warum das Finanzministerium an einer solchen Frage im Rahmen einer Umfrage Interesse haben könnte – die ÖVP hatte natürlich großes.
„Wahnsinn“
Schmid legte noch einmal nach: „SPÖ bekämpft steuerbetrug jetzt ist der Chefberater wegen steuerbetrug verhaftet. Kann man das irgendwie reinbringen.“ Offenbar war auch das grundsätzlich möglich. Beinschab schrieb: „Ja, ich formuliere es nur etwas anders.“ Im Lichte der aktuellen Vorwürfe gegen Kurz und seine Vertrauten besonders pikant scheint folgende weitere Anregung von Schmid: „Können wir bei Silberstein noch anhängen – sind sie für die Offenlegung der Wahlkampf Spenden … Auch für den Verein von Kern soll das gelten. Gerade jetzt nach dem Silberstein usw Das wäre natürlich besonders spannend“. Dass hier – der Verdachtslage nach – auf Steuerzahlerkosten der ÖVP-Wahlkampf unterstützt wurde schien damals niemanden der Beteiligten abzuhalten.
Später bemerkte Schmid übrigens, dass er Tal Silberstein ein falsches Delikt unterstellt hatte. Er schrieb der Meinungsforscherin: „Bei Silberstein geht es um Geldwäsche Müssen wir bei fragen – Geldwäsche / Steuerbetrug schreiben …“ (Anm.: Silberstein hat sämtliche Vorwürfe immer vehement bestritten.) Schmid ließ sich die Ergebnisse der Umfrage dann auf seine ÖVP-Email-Adresse schicken und kommentierte diese mit „Wahnsinn“. Er teilte der Meinungsforscherin mit, sie solle auch die Antworten auf die von ihm veranlassten Fragen an „Österreich“ weitergeben. Schmid informierte Kurz-Berater Stefan Steiner, der ebenfalls zu den Beschuldigten zählt. Der fragte: „Kommt das?“ Schmid schrieb: „Hoffentlich“.
„Echt ein Vertrauensbruch“
Unabhängig von allfälliger strafrechtliche Relevanz gewähren die neuen Chats auch einen tiefen Blick in das Medienverständnis von Thomas Schmid – immerhin jahrelang Pressesprecher wichtigster ÖVP-Vertreter. Als zum Beispiel im Juni 2016 in „Österreich“ trotz des sich mutmaßlich anbahnenden Deals mit dem Finanzministerium ein unangenehmer Artikel über Schelling erschien, schrieb Schmid an Helmuth Fellner: „Das war echt ein Vertrauensbruch. Und nur ÖSTERREICH brachte diese privat Story. Extrem unsympathisch.“ Fellner erklärte nicht etwa, dass interessante Artikel eben auf Basis redaktioneller Entscheidungen veröffentlicht würden, sondern wollte offenbar lieber der Sache nachgehen, wie das im konkreten Fall passieren konnte: „Nein bitte nicht falsch verstehen – die Mondsee-Story ist uns unverständlich und ist durch Urlaub ... nicht aufgepoppt. Wofe (Anm.: Wolfgang Fellner) recherchiert das gerade.“ Letztlich entschuldigte sich Helmuth Fellner bei Schmid sogar: „Tut echt leid !!!“. Ein paar Tage später brachte „Österreich“ eine Doppelseite mit den vom Kurz-Umfeld gewünschten Inhalten.
Schon einige Jahre vorher zeigte sich im Finanzministerium ein bemerkenswerter Umgang mit dem Fellner-Boulevard. Im April 2014 schrieb eine Mitarbeiterin des damaligen Ministers Michael Spindelegger an Schmid: „guten morgen thomas! DEIN fellner schießt sich auf spindi ein. Und dem gibst Geld?!?!? ich pack das nicht.“ Die Mitarbeiterin überlegte sich auch gleich eine bemerkenswerte Lösung: „sollten überlegen wie wir mit Österreich tun. ob wir ihnen was geben. das dreht mir zu sehr in Richtung Chef … viell geb ich … als Insider morgen dass spindi einen Wirtschaftsgipfel will? - Schulterschluss für den Standort. ohne Details.? und was is wenn ich Österreich gebe 2x80 Mio für ganztagsbetreuung fix? das is ein Puzzlestück aus Budget Bildung..?“ Für derartige Kreativität in Sachen Storys-Stecken gegen positivere Berichterstattung hatte Schmid nur ein Wort übrig: „Super!!!“
„Fellner wird gaga“
Ein derart erkaufte Friede währt aber naturgemäß nicht ewig. Am 10. Dezember 2014 teilte die Mitarbeiterin Schmid mit: „Fellner dreht heute schon wieder durch.“ Keine drei Wochen später schrieb sie dann: „Es ist nun amtlich – Fellner wird gaga.“
Als im April 2016 eine Kontaktaufnahme der Fellners mit Schmid nicht funktionierte schrieb Wolfgang Fellner: „Lieber Herr Schmid, da es mir leider unmoeglich ist, Sie zu erreichen wuerde ich … (Anm.: eine „Österreich“-Journalistin) vorerst von der USA-Reise abziehen. Bitte um Verstaendnis.“
„Propaganda. Genial“
Laut Verdachtslage arrangierte man sich in der Folge wieder und zog den Umfrage-Deal durch. Dies auf Kosten der Steuerzahler. Wie schwer es Thomas Schmid offenbar mit tatsächlich objektivem Journalismus hatte, zeigt folgende Episode aus dem Oktober 2017 – knapp vor der Wahl. Schmied schrieb an Kurz-Sprecher Frischmann: „Was ist mit der Ulla los??“ Gemeint war offenbar ORF-Investigativjournalistin Ulla Kramar-Schmid. Frischmann wollte wissen, was sie denn gemacht habe. Schmid: „Faktencheck. Zu Betriebsräten“ Und dann nannte er den Grund für seine Aufregung: „Und gesagt kurz war falsch“.
Da delektierte man sich im Lager des ÖVP-Spitzenkandidaten doch lieber an der Berichterstattung der Fellner-Gruppe. Frischmann schrieb: „Ich schau gerade Fellner“. Schmid antwortete: „Propaganda. Genial ;-)) Unsere!!“ Laut Verdachtslage allerdings auch mit Geld der österreichischen Steuerzahler bezahlt.
Kohle und Content
Auch 2018 lassen vorliegende Chats wenig Zweifel daran, dass Thomas Schmid im Umgang mit der Fellner-Gruppe ein gewisses Geben und Nehmen für normal erachtete. Einer der Pressesprecher zeigte sich im Jänner 2018 verwundert, dass „Österreich“ trotz Vorankündigung nicht über eine Reise des nunmehrigen Finanzministers Hartwig Löger nach Brüssel berichtet habe. Schmid meinte dazu lakonisch: „Das liegt daran dass wir denen keine Geld Zusagen gemacht haben. Die stehen noch auf null. … Empfehlung: Fahr zu Wolfgang Fellner und treffe ihn“. Der Pressesprecher antwortete: „Gerne. Aber da muss es ja trotzdem sowas wie eine Redaktion geben… tja“. Schmid dazu: „Naja. Da bin ich mir nicht so sicher“. Der Pressesprecher wollte wissen, wie er Löger nun „verdammt nochmal morgen in die Zeitung“ bringen könne. Schmids Antwort: „Helmuth Fellner – für die Kohle. Wolfgang Fellner – für den content“.
Umso größer die Freude des Pressesprechers, als Löger im Februar 2018 in einer „Österreich“-Bewertung gut abschnitt: „2+ wie schafft er das bloß?“, schrieb der Sprecher an Schmid. Dessen lakonische Antwort: „Finanzminister ist Größter ÖSTERREICH Sponsor. Nach der Gemeinde Wien“. Der Pressesprecher stellte sich scheinheilig: „Du meinst das könnte nicht gänzlich objektiv sein… du erschütterst meine Welt“. Schmid replizierte: „Hehe Objektivität gibt es nicht im Journalismus“. Da irrt Schmid. Aber in Bezug auf seine mutmaßlichen Deals mit dem Fellner-Boulevard mag er möglicherweise andere Erfahrungen gesammelt haben.
Zwischen „Österreich“ und „Westendorfer Bote“
Ein bemerkenswerter Vorgang zeigt sich auch in Chatnachrichten aus dem Jänner 2017. Frischmann – damals noch im Finanzministerium – schrieb: „Der Westendorfer Bote hat angerufen. Sie wollen Auszüge aus morgiger HBM Rede. Was soll ich Ihnen geben? Sie sagen, wenn sie nix exklusiv bekommen dann schreiben sie dich nieder! #fellnerismusjetztschonindendoerfern“. (Anm.: Ob dieses Telefonat tatsächlich in dieser Form stattgefunden hat, ist im Auswertungsbericht der WKStA nicht dokumentiert, da dieser ja in erster Linie Chatnachrichten enthält. Das gesprochene Wort ist hier nicht abgebildet.)
Wissen muss man, dass Thomas Schmid aus dem Tiroler Ort Westendorf stammt. Schmid und Frischmann flachsten eine Weile herum, was man ausdealen könnte. Tatsächlich erschien im selben Monat im „Westendorfer Boten“ ein beinahe ganzseitiges Porträt von Schmid.
Versorgungs-Auftrag für Karmasin beim IHS?
Im Rahme ihres Analyseberichts befasst sich die WKStA auch im Detail mit der Rolle der damaligen ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin. Diese sei den bisherigen Ermittlungsergebnissen zufolge für Kurz und Schmid der „Door Opener“ zur Umfrage-Meinungsforscherin Beinschab und den Fellners gewesen. Sie habe die wesentlichen „Player“ vernetzt und im Jahr 2016 die Umsetzung des „Befragungstools“ koordiniert. Die Ermittler halten es für „naheliegend“, dass Karmasin dafür selbst Vorteile erhielt. Aber welche könnten das gewesen sein?
Einerseits hegt die WKStA den Verdacht, Karmasin sei „am wirtschaftlichen Erfolg“ der Meinungsforscherin beteiligt gewesen – möglicherweise verdeckt. Andererseits gebe es „deutliche Indizien“ dafür, dass Schmid – „wohl mit Billigung der anderen Täter“ – für Karmasin wohlwollend intervenierte, damit „sie nach dem Ausscheiden aus der Politik wieder möglichst rasch unternehmerisch im Bereich der Marktforschung Fuß fasst.“ Bereits Ende 2016, als Schmid und Frischmann über eine mögliche Beteiligung bei Beinschab flachsten, schrieb Frischmann, man müsse „den Chef“ vorher noch absichern. (Damit war möglicherweise Finanzminister Schelling gemeint, in Bezug auf den die Ermittler nach detaillierter Anfangsverdachtsprüfung allerdings kein Verfahren eingeleitet haben. Sie kommen zum Schluss, dass dieser in den Umfrage-Deal nicht eingeweiht gewesen sein dürfte.) Schmid antwortete Frischmann damals: „Das mache ich ja gerade. Sophie im IHS Institut“.
„muss Dich was zu IHS fragen“
Der Verweis auf das „Institut für Höhere Studien“ (IHS) ist höchst bemerkenswert: Im Dezember 2017 schied Karmasin aus der Bundesregierung aus. Ein halbes Jahr später gründete sie ein Marktforschungsunternehmen. Laut Analysebericht der WKStA wurde das Unternehmen „praktisch umgehend nach dessen Gründung Mitte 2018 Partnerin von Insight Austria, einem beim Institut für Höhere Studien (IHS) eingerichteten Kompetenzzentrums.“
Bereits im Jänner 2018 bat Karmasin laut vorliegenden Chatnachrichten Schmid um einen Anruf: „muss Dich was zu IHS fragen“. Im April 2018 hakte sie nach: „Bitte Termin Kocher (Anm.: Martin Kocher war damals Leiter des IHS, heute ist er ÖVP-Arbeitsminister.) Du und ich dringend!“ Im Juni 2018 wurde Karmasin dann Konsulentin von „Insight Austria“. Selbst als es später noch einmal zu Problemen gekommen sein dürfte, wandte sich Karmasin direkt an Schmid. Im September 2018 schrieb sie: „Ich muss Dich bitte dringend sprechen, es dauert 3 Minuten, mit IHs rennt das nicht so wie vereinbart!!!!“
Machtspiel mit den Wirtschaftsforschern
Abgesehen von einer möglichen Karmasin-Involvierung ergibt sich aus den Chatnachrichten jedoch noch eine weitere interessante Erkenntnis: Thomas Schmid – damals einer der höchsten Beamten der Republik – hatte für unabhängige Marktforschung offenbar ähnlich wenig übrig wie für unabhängigen Journalismus.
Im Juni 2017 gab Schmid dem damals designierten ÖVP-Chef Kurz Feedback zu einem Auftritt im ORF und erwähnte dabei auch einige Wirtschaftsforscher. Unter anderem schrieb Schmid: „Kocher bringe ich noch auf Linie. IHS von BMF finanziert.“
Der Wille, Einfluss zu nehmen, dürfte durchaus vorhanden gewesen sein. Im Juli 2017 fragte Schmid intern nach, ob er einen Fördervertrag für das IHS noch rückgängig machen könnte. Im Februar 2018 schrieb Schmid an Kocher: „wir Haber in paar ernste Fragen zur Entwicklung des IHS! Möchte gerne baldigen Termin“. Im Mai 2018 wollte Schmid intern wissen, wie der Kuratoriumsvorsitzende Franz Fischler – ein Urgestein der sogenannten alten ÖVP - „früher abgelöst“ werden könne. Man brauche ein „verlässliches Kuratorium“.
Hier hat sich Schmid nicht durchgesetzt. Fischler ist bis heute im Amt. Schmid selbst erlebte dann bekanntermaßen 2019 einen beruflichen Aufstieg: zum Chef der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG. Den 400.000-Euro-Job musste er inzwischen wieder räumen. Es war wohl dann doch die eine oder andere Chatnachricht zu viel bekannt geworden.