Neue Rote, gedämpfte Blaue: Lehren aus der Salzburg-Wahl
Das Superwahljahr 2024 begann mit den Gemeinderatswahlen im Bundesland Salzburg (440.000 Wahlberechtigte). In der Landeshauptstadt waren am 10. März 113.000 Bürgerinnen und Bürger stimmberechtigt – und sie wählten bemerkenswert. Drei Lehren aus der Wahl in Salzburg Stadt.
Linkspopulismus wird zur politischen Kraft
Zum Ergebnis in Graz, wo die Kommunisten bei der Gemeinderatswahl 2021 mit 29 Prozent stärkste Partei wurden, reichte es am Sonntag nicht. Aber dennoch sind 23,1 Prozent in der Stadt Salzburg und der zweite Platz hinter der SPÖ (25,6 Prozent) ein sensationelles Ergebnis. Dazu hat KPÖ-plus-Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl in zwei Wochen bei der Stichwahl gegen Bernhard Auinger (SPÖ) die Möglichkeit, wie Elke Kahr in Graz Bürgermeister zu werden.
Dankl ist es mit einem kleinem Team gelungen, das politische Gefüge in Salzburg zu verschieben. Er vertritt einen milden Linkspopulismus, der auch für Bürgerliche und junge gebildete Milieus wählbar ist. Er verschenkt wohltätig und PR-tauglich Teile seiner Gage. Seine Feindbilder („Spekulanten“, „Reiche“) sind mehrheitsfähig, seine Lösungsvorschläge („Die Stadt soll selbst 10.000 leistbare Wohnungen bauen“) zwar unterkomplex, aber verständlich. Und der Begriff „Kommunismus“ hat 35 Jahre nach dem Fall des Ostblocks offenbar an Schrecken verloren.
Die Nachfrage nach einem neuen linken Projekt in Österreich ist also gegeben. Den aktuellen Umfragen zufolge schaffen die Kommunisten den Einzug in den Nationalrat allerdings nicht. SPÖ-Chef Andreas Babler, dessen Klassenkampf-Rhetorik schärfer ist als Dankls, verhindert eine Drainage roter Stimmen nach links – verschreckt aber möglicherweise bürgerliche Wechselwähler. Diese dürften in der Stadt Salzburg scharenweise KPÖ-plus gewählt haben.
Die ÖVP ist wieder Landpartei
Dass die ÖVP ihr – Sebastian Kurz zu verdankendes – Ergebnis von 2019 (36,7 Prozent) nicht halten kann, war absehbar. Dass sie sich unter Spitzenkandidat Florian Kreibich mit 20,8 Prozent fast halbiert, ist aus schwarzer Sicht ein Fiasko. Die ÖVP ist damit in der Stadt Salzburg auf ihre Kernschichten aus Gewerbetreibenden und Beamten plus Familien dezimiert.
Wie im Bundesland Salzburg ist die ÖVP insgesamt eine rurale, keine urbane Partei. Nach der Niederlage in Salzburg stellt sie nur noch in einer Landeshauptstadt, Eisenstadt, den Bürgermeister. Nur dort und in Bregenz wurde sie bei der vergangenen Gemeinderatswahl stärkste Partei. Und auch in anderen großen Städten wie Wels oder Villach ist die ÖVP eher schwach. Bundesparteiobmann Karl Nehammer kann das nicht gefallen. 35 Prozent der Gesamtbevölkerung leben in Städten, 38 Prozent in ländlichen Gebieten und 27 Prozent in so genannten Zwischenregionen.
Wolfgang Schüssel und Sebastian Kurz konnten nur deshalb Nationalratswahlen gewinnen, weil sie auch in den Städten gut abschnitten. Für Nehammer geht es bei der Wahl im Herbst darum, wenigstens das Maximum in den ländlichen Gebieten auszuschöpfen. Woraus die ÖVP Hoffnung schöpfen kann: In Städten ist die Wahlbeteiligung deutlich niedriger als am Land.
Die FPÖ hat kein Sieger-Abo
Es gibt eine interessante politische These zu den Freiheitlichen: Sie besagt, dass die FPÖ auch ohne Herbert Kickl in den Umfragen voran liegen würde. Unabhängig von der Person des Parteichefs würden die aktuellen Themen wie Zuwanderung, Asyl, Teuerung, der Ukraine-Krieg und die Nachwehen der Corona-Pandemie eine rechtspopulistische Partei begünstigen.
Das Ergebnis in der Stadt Salzburg könnte diese These falsifizieren. Die FPÖ kommt auf 10,8 Prozent, immerhin ein Zugewinn nach den blamablen 8,4 Prozent vom März 2019, ist aber nur fünftstärkste Partei hinter der grünen Bürgerliste (12,7 Prozent). FPÖ-Spitzenkandidat Paul Dürnberger, 28, stammt aus der Parteijugend und war bei Wahlkampfbeginn nahezu unbekannt. Auch er setzte wie Dankl auf das Thema Wohnen, allerdings in gewohnter Verknüpfung mit dem Migrationsthema: „Kein Deutsch, keine Wohnung“.
Angesichts der Ausgangslage mit einer schwächelnden ÖVP wäre wohl mehr möglich gewesen, vor allem mit einem schlagkräftigeren Spitzenmann. Zum Vergleich: Bei der Landtagswahl 2023 erreichte die FPÖ in der Stadt Salzburg 18,7 Prozent. Dies lag vor allem an Spitzenkandidatin Marlene Svazek, der heutigen Landeshauptmann-Stellvertreterin. Der Kommunist Kay-Michael Dankl könnte für Protestwähler der attraktivere Kandidat als Paul Dürnberger gewesen sein, vor allem für jene, die nicht auf das „Ausländer“-Thema fixiert sind. Für die FPÖ war die Wahl in der Stadt Salzburg ein Dämpfer. FPÖ-affine Nichtwähler blieben diesmal wohl daheim.