Vorbild Niederösterreich: Was kann der steirische Covid-Fonds bringen?
Mario Kunasek hat geschafft, woran Herbert Kickl gescheitert ist: Er hat es nicht nur mit der FPÖ auf Platz eins erreicht – sondern auch die Regierungsspitze. Erstmals seit 1945 regieren die Freiheitlichen die Steiermark. Kunasek wird Landeshauptmann, die ÖVP nur noch Juniorpartner (ohne den bisherigen Parteichef, Christopher Drexler).
Die neue Macht der FPÖ spiegelt sich auch im steirischen Regierungsabkommen wider: Asylwerber sollen in der Steiermark künftig kein Bargeld mehr erhalten, sondern eine Bezahlkarte. Im Landesdienst soll das Tragen sichtbarer religiöser Symbole verboten werden – das Ziel sind hier weniger christliche Kreuze als muslimische Kopftücher, aber etwa auch jüdische Kippas wären hiervon wohl betroffen. Zudem soll in steirischen Ämtern nicht mehr gegendert werden. Und auch ein „Corona- und Krisenresilienz-Fonds“ soll kommen, wie man im neuen Regierungsprogramm nachlesen kann.
Wem diese Maßnahmen bekannt vorkommen: In einigen Bundesländern, in denen ÖVP und FPÖ gemeinsam regieren, sind sie bereits Realität. Messbare Ergebnisse (und besonders viel Aufregung) lieferte vor allem der „COVID-Hilfsfonds für Corona-Folgen“, den die schwarz-blaue Regierung in Niederösterreich eingesetzt hat: „Wir wissen, dass durch Corona und eine Reihe von Corona-Maßnahmen Schäden entstanden sind“, heißt es auf der Website des Landes Niederösterreich. Mit dem 31,3 Millionen Euro schweren Fonds will der zuständige FPÖ-Landesrat Christoph Luisser (FPÖ) diese Schäden „so gut dies möglich ist“ wieder gut machen. Aber wie sieht es heute, fast zwei Jahre nach Angelobung von Schwarz-Blau in Niederösterreich aus?
„Nicht abgeschrieben“
Am Mittwoch bei der Vorstellung der neuen Landesregierung sagte Mario Kunasek: Man habe nach Niederösterreich geblickt, aber „nicht abgeschrieben, ganz im Gegenteil, wir haben eine grün-weiße Handschrift entwickelt“. Details zum Fonds sind tatsächlich noch offen. Fest steht: Er soll vom Gesundheitsfonds Steiermark eingerichtet werden, der für die Planung und Finanzierung des Gesundheitssystems zuständig ist. FPÖ und ÖVP wollen, dass die Kriterien für die Mittelvergabe von Expertinnen und Experten ausgearbeitet werden. Der Topf soll aber jedenfalls dazu dienen, „Nachteile, die Menschen aufgrund der Corona-Maßnahmen erwachsen sind, zumindest teilweise wiedergutzumachen“. Mit den Geldern müssten aber auch Maßnahmen gesetzt werden, „die unsere Gesellschaft in der Zukunft besser auf ähnliche Krisen- und Ausnahmesituationen vorbereiten.“
Großer Topf, kleine Wirkung
Die Corona-Wiedergutmachung ist in Niederösterreich bisher nur zu einem kleinen Teil gelungen. Mit Stand 16. Dezember 2024 wurden nur 4,14 der 31,3 Millionen Euro aus dem niederösterreichischen Covid-Fonds ausgezahlt – und nur 6,26 Millionen Euro überhaupt beantragt. Zeit, weitere Förderungen zu beantragen, bleibt kaum: Anträge können nur noch bis Ende Februar 2025 gestellt werden. Der Fonds hat dann bis September 2025 Zeit, die restlichen Anträge abzuarbeiten. Obwohl die Aufregung bei Einsetzung des Hilfsfonds groß war, dürften die Kosten für das Land also denkbar gering geblieben sein.
Umso mehr als der Fonds kaum von Corona-Leugnern genutzt worden sein dürfte, im Gegenteil: Mehr als eine Million Euro an Fördergeld wurde Menschen mit Long-Covid bewilligt. Deutlich mehr als alle Unterstützungen für die Rückerstattung von Corona-Strafen (157.096,10 Euro) und „Impfbeeinträchtigungen“ (163.500 Euro) zusammen.
Das liegt vor allem am offenbar mangelnden Interesse der niederösterreichischen Bevölkerung: Bisher wurden in Niederösterreich nur 256 Anträge für Schadenersatz wegen „Impfbeeinträchtigungen“ eingebracht. 137 davon wurden auch genehmigt.
In der Medizin gibt es nur Impfnebenwirkungen bzw. Impfreaktionen (bei der Corona-Impfung zum Beispiel Kopfweh, Schwäche oder Fieber) auf der einen und seltene, langfristige Impfschäden auf der anderen Seite. Die niederösterreichischen „Impfbeeinträchtigungen“ liegen irgendwo dazwischen, in einem medizinisch nicht genau definierten Bereich. Auf einseitigen Musterformularen der Ärztekammer Niederösterreich steht daher: „Die Beurteilung, ob eine 'Beeinträchtigung' im Sinne der Richtlinien des NÖ Covid- Hilfsfonds für Corona-Folgen vorliegt sowie die Umsetzung der gegenständlichen Förderrichtlinie obliegt der zuständigen Behörde.“ Die bewilligt großzügig: Mehr als die Hälfte der bisher abgeschlossenen Anträge waren positiv. Zum Vergleich: Das Gesundheitsministerium bewilligte bisher nur ein Drittel aller fertiggestellten Anträge wegen Covid-Impfschäden. Im steirischen Koalitionspapier finden sich die niederösterreichischen „Impfnebenwirkungen“ finden nicht.
Für Aufregung sorgte der Covid-Hilfsfonds in Niederösterreich auch, weil Impfgegner Martin Rutter mehrere Vereine angemeldet hatte, die um Förderung aus dem Fonds beantragt – und Förderzusagen erhalten hatten. Bei Veranstaltungen dieser Vereine wurden dann krude Falschbehauptungen aufgestellt. Etwa dass die Impfstoffe des Herstellers Moderna „Neuroroboter“ enthalten würden, „die von außen aktiviert werden können, zum Beispiel über 5G“. Oder dass die Zahl der Totgeburten als Folge der Impfung gestiegen wären – obwohl ein Blick in die Statistik Austria das Gegenteil beweist. Nach breiter medialer Berichterstattung, auch im profil, kündigte Landesrat Luisser eine erneute Überprüfung dieser Förderzusagen an.
Auch wenn das Land Niederösterreich mit Verweis auf den Datenschutz nun keine Information zu einzelnen Fördernehmern veröffentlichen will, lässt sich aus den Daten des Covid-Fonds erkennen: Die Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen, denn aus der allgemeinen Förderschiene für Vereine wurde noch immer kein einziger Euro ausbezahlt. Rutter ging also – bisher – leer aus.
Eine andere Maßnahme im niederösterreichischen Regierungsprogramm, die für Aufregung sorgte, hatte so gut wie kein Konsequenzen. Vor der Regierungsbeteiligung der FPÖ galt in Niederösterreich bis Juni 2022 eine Impfpflicht für Neuangestellte des Landesdienstes. Schwarz-Blau einigte sich daher auf folgenden Passus im Arbeitsprogramm: „Das Land Niederösterreich wird alle Bewerber, deren Bewerbung für eine Stelle im Landesdienst auf Grund ihres Corona-Impfstatus nicht weiter verfolgt wurde, zu einer neuerlichen Bewerbung einladen.“ Allerdings waren nur rund drei Prozent aller Bewerberinnen und Bewerber in dem fraglichen Zeitraum nicht vollständig geimpft, teilte das Land Niederösterreich später auf profil-Nachfrage mit. „Von dieser kleinen Gruppe sind wiederum alle Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Gründen (z. B. Zurückziehen der Bewerbung, weil bereits anderswo eine Stelle gefunden wurde oder Bewerbungsprozess nicht abgeschlossen aus anderen Gründen – nicht mehr erreichbar, keine Kontaktaufnahme mehr möglich) schon vorzeitig aus dem Bewerbungsprozess ausgestiegen oder sind nach wie vor vorgemerkt.“ Außerdem erfolgten „laufend Aufnahmen von Personen, die ursprünglich keine Immunisierung nachweisen konnten.“
„Freiwillige Refundierung“
Auch in der Steiermark ist eine freiwillige Rückzahlung des Landes von manchen Corona-Strafzahlungen geplant – aber offenbar zusätzlich zum neuen Fonds. Das Land Steiermark will eine „freiwillige Refundierung“ leisten für Strafen, die wegen Übertretungen von Corona-Verordnungen verhängt worden waren, die in der Folge vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden. Voraussetzung ist, dass derartige Strafen von steirischen Verwaltungsbehörden verhängt wurden.
Andere freiheitliche Landesparteien distanzierten sich übrigens von der Corona-Politik ihrer niederösterreichischen Kollegen: In Salzburg lässt sich im Regierungsprogramm von Marlene Svazek (und Landeshauptmann Wilfried Haslauer) nachlesen: „Die Rückzahlung von Covid-Strafen wird weder als zweckmäßig noch als landespolitisch durchführbar angesehen“, steht dort auf Seite 10. Und zwei Absätze zuvor betont man zwar: „Die medizinische Betreuung und Unterstützung von Menschen mit langanhaltenden Beeinträchtigungen nach einer Covid-19-Erkrankung (Long-Covid) oder nachgewiesenen Covid-19-Impfschäden ist uns ein Anliegen.“ Allerdings mit dem Nachsatz: „Wir stellen die erforderlichen Mittel zur Verfügung, ohne dass es dazu eines eigenen Covid-Fonds bedarf.“
Und in Vorarlberg, wo die Freiheitlichen als Juniorpartner der ÖVP regieren, kommt das Wort „Corona“ im Arbeitsübereinkommen nur ein einziges Mal vor. „Vorarlberg hat die Corona-Pandemie vergleichsweise gut bewältigt und war zeitweise sogar Modellregion für Österreich“, schreiben ÖVP und FPÖ. „Aufgrund einer gründlichen Aufarbeitung aller Maßnahmen und Erfahrungen ist Vorarlberg jetzt noch besser für ähnliche Situationen gerüstet. Der Schutz der Bevölkerung ist oberstes Ziel.“