Flüchtlinge

Niederösterreich startet ab Juni umstrittene Bezahlkarte für Asylwerber

Der niederösterreichische FPÖ-Asyllandesrat Christoph Luisser will statt Bargeld Sodexo-Karten an Flüchtlinge verteilen. Damit dürfte er ÖVP-Innenminister Gerhard Karner zuvorkommen. Das Projekt ist allerdings umstritten.

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Es war ein Wettrennen darum, wer das Leben von Asylwerbern in Österreich als Erster erschweren würde. Innenminister Gerhard Karner und seine ÖVP spielten von Anfang an mit offenen Karten. Im Februar erklärten sie das Ziel der Bezahlkarte für Asylwerber so: Es gehe darum, Österreich „so unattraktiv wie möglich zu machen“ – und zwar für Flüchtlinge. 

Das Modell der „Refugee-Card“ aus dem BMI war für Juni angekündigt und dürfte demnächst präsentiert werden.

Sodexo-Karten in Niederösterreich

Von der Öffentlichkeit unbemerkt arbeitete ein Landsmann von Karner an einem Konkurrenz-Projekt: Niederösterreichs FPÖ-Asyllandesrat Christoph Luisser wollte offenbar nicht auf das BMI-Modell warten. Zwei vertrauenswürdige Quellen bestätigten profil unabhängig voneinander, dass in Niederösterreich ab 1. Juni mit einer Bezahlkarte für Asylwerber startet. profil liegt ein Schriftstück vor, dass diese Darstellung stützt.

Demnach sollen die Karten des Anbieters Pluxee (vormals Sodexo) vorerst testweise in zehn niederösterreichischen Flüchtlingsunterkünften ausgegeben werden. Darunter sind auch entlegene Ortschaften wie Mitterbach am Erlaufsee oder Kleinstädte wie Retz.

Bisher bekamen Menschen, die in Niederösterreich auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten, sieben Euro pro Tag für Essen und Taschengeld. Künftig sollen sechs Euro davon auf eine Pluxee-Karte geladen werden – und nur mehr 40 Euro monatlich in bar an die Asylwerber ausbezahlt werden.

Bezahlkarte bringt Nachteile für Asylwerber

Die Pluxee-Karten können in den meisten Supermärkten und Gasthäusern eingelöst werden – der Kauf von Alkohol und Zigaretten wird durch die Karten aber verunmöglicht.

Wenn die Flüchtlinge zu einem Behördentermin oder zum Arzt müssen, sind sie meistens auf Öffis angewiesen. Mit den Pluxee-Karten können sie aber keine Tickets kaufen.

Lukas Gahleitner-Gertz

Noch vor der Einführung gibt es Kritik an dem Projekt: „Gegen die Digitalisierung der Auszahlung spricht grundsätzlich nichts. Negativ ist, dass die Menschen, die ohnehin mit wenig Geld auskommen müssen, künftig ihr Gewand nicht mehr auf willhaben kaufen können. Auch viele kleine und billige Märkte nehmen die Karten nicht an“, sagt Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination. Und er kritisiert: „Wenn die Flüchtlinge zu einem Behördentermin oder zum Arzt müssen, sind sie meistens auf Öffis angewiesen. Mit den Pluxee-Karten können sie aber keine Tickets kaufen.“

Ziel „realitätsfremd“

Der Asylexperte stellt auch das Ziel der Karten infrage: „Zu glauben, irgendwer kommt nicht nach Österreich, wenn man das Geld über Pluxee auszahlt, ist realitätsfremd.“

Aus seiner Sicht wäre es sinnvoller, wenn Debitkarten statt Pluxee-Karten ausgegeben werden, die eine Bargeldbehebung ermöglichen. „Wenn die Leute ein Bankkonto kriegen, wäre das ein erster Integrationsschritt. Aber das ist offenbar aber nicht das Ziel der Aktion.“

Zuvor waren auch schon in Deutschland in mehreren Bundesländern solche Bezahlkarten eingeführt worden. Erklärtes Ziel: Geldtransfers ins Ausland sollten verhindert werden. Wobei es für Österreich keinerlei Zahlen dazu gibt, ob Asylwerber nennenswerte Geldbeträge verschieben.

Die Pluxee-Karte in Niederösterreich ist jedenfalls um einiges restriktiver als etwa die Mastercard, die seit April im deutschen Bundesland Bayern (zu sehen im Aufmacherbild) getestet wird. Denn die lässt sich in jedem Geschäft nutzen, das Kartenzahlung akzeptiert.

Es sieht so aus, als würde Innenminister Karner das Wettrennen um die Bezahlkarte verlieren. Wie sein Modell aussehen wird, ist offen.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.