ÖBAG-Chef Thomas Schmid ist zurückgetreten
Dieser Artikel erschien erstmals am 15. April 2021.
Dass ein Unternehmen einen Familiennamen trägt, entspricht der Industrietradition. Man denke an "Manner", "Porsche" oder "Swarovski". Seit zwei Wochen kennt die Öffentlichkeit die "Schmid AG". Der offizielle Firmenname der Industrieholding lautet zwar Österreichische Beteiligungs AG. Gernot Blümel formuliert aber gern salopper. Und so schrieb der Finanzminister in den berühmt-berüchtigten Herzerl-Chats mit Sebastian Kurz und Thomas Schmid am 11. Dezember 2018: "Schmid AG fertig".
An diesem Tag hatte der Nationalrat das neue ÖBAG-Gesetz beschlossen, maßgeschneidert von und für den damaligen Kabinettschef im Finanzministerium.
Die Chats von Kurz & Co brachten der ÖBAG jede Menge unerwünschte Publicity. Verdient hätte sie bessere Testimonials. Die kleine Aktiengesellschaft mit dem sperrigen Namen und zwei Dutzend Mitarbeitern hütet den industriellen Schatz der Republik Österreich im Gesamtwert von 26 Milliarden Euro, darunter Beteiligungen an OMV, Post, Verbund, Telekom Austria Group und Casinos Austria. Dazu ist die ÖBAG Alleineigentümerin der Bundesimmobiliengesellschaft und verwaltet fünf Überbleibsel aus früheren staatlichen Geschäftsfeldern wie etwa dem Bergbau.
Österreich verdient gut an seiner Beteiligungsgesellschaft. Für 2019 schüttete die ÖBAG eine Dividende von 480 Millionen Euro an das Finanzministerium aus. Aber was war die Leistung von ÖBAG-Alleinvorstand Schmid? Und wie groß ist der angerichtete Chat-Schaden?
In den kommenden Monaten wird Schmid jedenfalls weniger mit der Ausschüttung einer Dividende als mit der Abwicklung seiner Karriere beschäftigt sein. Vergangene Woche informierte er den ÖBAG-Aufsichtsrat, keine Verlängerung seines Vertrages anzustreben. Auch seine Aufsichtsratsmandate bei Verbund, OMV, Bundesimmobiliengesellschaft und Telekom Austria wird er zurücklegen. Es sei denn, der Druck wird zu groß und der ÖBAG-Aufsichtsrat beruft Schmid noch vor der Zeit ab. Allerdings müsste er sich dies wohl einiges kosten lassen, da Schmid aktienrechtlich kaum etwas vorzuwerfen ist. Das Bestreben, sich selbst einen hoch dotierten Spitzenjob zu zimmern, mag unsittlich sein, strafbar ist es nicht.
Man möge Schmid an seinen Taten messen, heißt es aus der ÖVP. Dieser leiste hervorragende Arbeit. Immerhin habe sich der Wert des Beteiligungsportfolios seit seinem Amtsantritt im März 2019 um fünf Milliarden auf nunmehr 26 Milliarden Euro erhöht. Der Radiosender Ö1 hat diese Argumentation bereits zerpflückt. Das Plus sei fast zur Gänze auf ein Unternehmen in der ÖBAG-Sammlung zurückzuführen, nämlich auf den Verbund, erläuterten die Kollegen. Die Aktien des Stromkonzerns erlebten zuletzt einen Höhenflug, was am Run internationaler Investoren auf "grüne" Beteiligungen liege.
Die Opposition dreht den Spieß um und versucht, Schmid persönliches Versagen nachzuweisen. Der ÖBAG-Chef sei für ein "Millionengrab" verantwortlich, erklärte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter: Die Casinos Austria seien als politisches Jobkarussell missbraucht worden, und auch bei der OMV laufe es nicht rund. Nicht zuletzt habe es Schmid als Verhandler der Staatshilfe für die Austrian Airlines verabsäumt, eine Jobgarantie herauszuholen.
Das stimmt alles, lässt aber außer Acht, dass die gesamte Weltwirtschaft wegen Corona ein Katastrophenjahr hinter sich hat. Auch außerhalb der ÖBAG sind Managementleistungen derzeit schwer zu bewerten. Ein paar wenige Branchen profitieren von Serienlockdowns, die meisten leiden. Der Schmid-Effekt sei wohl in jedem Fall kleiner als der Pandemie-Effekt, meint Nikolaus Jilch vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria.
"Das muss man nicht unbedingt als Lob verstehen"
Operativ kann der ÖBAG-Boss bei keinem Unternehmen eingreifen; das verhindert das Aktienrecht. Über seine Aufsichtsratsmandate hat er theoretisch aber ziemlich viel Einfluss. Jeder Vorstand täte sich schwer, eine geschäftliche Strategie gegen den Vertreter des Anteilseigners Republik durchzuziehen-wenn dieser seine Muskeln spielen lässt. Unter den Managern der ÖBAG-Beteiligungen habe Schmid keinen schlechten Ruf, erzählt ein Kenner der Szene. "Das muss man nicht unbedingt als Lob verstehen. Vielleicht heißt es nur, dass sie mit ihm nach Belieben Schlitten fahren können. Oder es heißt, dass Schmid sich besser macht, als angesichts seiner Ausbildung zu erwarten gewesen wäre." Ein Arbeitnehmervertreter unter den Aufsichtsräten kann über den ÖBAG-Boss nur Gutes berichten. "Thomas Schmid bringt sich bei den Sitzungen ein und wirkt sehr strukturiert. Das hat mich überrascht, weil er ja eine rein politische Besetzung war. Aber ich würde sagen, er hat seinen Job bisher gut gemacht." Bei den Diskussionen im Aufsichtsrat merke man, dass Schmid persönlich Kontakte zu den Vorständen pflege und die Infos nicht von jemand anderem erzählt bekomme. Was den Betriebsrat besonders freut, ist Schmids Aversion gegen weitere Privatisierungen: "Da ist seine Position ganz klar. Er sagt immer wieder, wir müssen den österreichischen Standort stärken. Deshalb kommen weitere Verkäufe für ihn nicht infrage." Ein ehemaliger Manager im staatsnahen Bereich meint dagegen: "Natürlich ist ein gewisses Grundverständnis für die Politik in diesem Job wichtig. Aber wichtiger ist die Managementerfahrung. Man muss die Dynamik einer Aufsichtsratssitzung erlebt haben, sich mit Konzernstrategie auskennen, etwas von Menschenführung verstehen." Daran hapert es bei Schmid eindeutig, auch internationale Erfahrung brachte er nicht mit.
Sein Aufgabenprofil war von Beginn an schwammig formuliert. Ziel der ÖBAG seien Standortstärkung, Sicherung der österreichischen Hauptquartiere und aktives Beteiligungsmanagement. Im Dezember 2020, als die Welt für ihn noch halbwegs in Ordnung war, lobte Schmid die ÖBAG als "stabilen Anker" in der Corona-Pandemie. Und sich sah er wohl als großen Stabilisator. Schmids Hauptjob war im Vorjahr vor allem Verhandlungssache.
Im März 2020 einigte er sich mit der tschechischen Sazka-Group auf einen Syndikatsvertrag zur Führung der Casinos Austria (Casag). Vorangegangen war dem ein langer Streit über den Einfluss im Konzern, der sich an der Berufung des FPÖ-Günstlings Peter Sidlo in den Vorstand entzündet hatte. Positiv ist zu vermerken, dass die Situation in der Casag endlich beruhigt wurde. Und mit Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun fungiert ein Industrieprofi als neuer Aufsichtsratsvorsitzender. Allerdings verschaffte Schmids Deal den Tschechen die Mehrheit an der Casag, nachdem die ÖBAG auf ihr Vorkaufsrecht am Novomatic-Anteil an den Casinos verzichtet hatte. Eine große österreichische Glücksspiel-Lösung war damit endgültig gescheitert. Dank der Einnahmen aus den Lotterien erzielte die Casag 2020 trotz geschlossener Kasinos einen Gewinn, allerdings werden 500 Jobs abgebaut.
Als stellvertretender OMV-Aufsichtsratspräsident war Schmid 2020 in einen Milliarden-Deal involviert. Im Oktober finalisierte die OMV die Aufstockung ihrer Beteiligung am Chemiekonzern Borealis von 36 auf 75 Prozent. Der Aufsichtsrat segnete das Investment in Höhe von 3,8 Milliarden Euro ab. Experten kritisierten die Höhe des Kaufpreises. Verkäufer war der OMV-Kernaktionär Mubadala, der Staatsfonds von Abu Dhabi. Im Juli hatte Schmid den Syndikatsvertrag mit Mubadala (der Staatsfonds hält 25 Prozent an der OMV) für weitere zehn Jahre verlängert. Als Erfolg verkaufte er die Kür des neuen OMV-Aufsichtsratsvorsitzenden Mark Garrett im September 2020. Allerdings liefern sich Garret und OMV-CEO Rainer Seele mittlerweile einen beinharten Machtkampf im Konzern. Von Stabilität an der Führungsspitze kann keine Rede sein. Die OMV-Aktie brach 2020 ein, erholte sich mittlerweile aber halbwegs.
Auch bei der Telekom Austria Group hat es Schmid mit einem mächtigen Partner und divergierenden Interessen zu tun. Der mexikanische Telekomkonzern America Movil von Carlos Slim will kurzfristige Profite sehen. Als Unternehmen der kritischen Infrastruktur muss die Telekom aber moderne und äußerst kostspielige Hochleistungsnetze im Land errichten. Insgesamt kam der Konzern bisher gut durch die Corona-Krise. Der Aktienkurs entwickelte sich ähnlich wie jener der Deutschen Telekom. Ein Einfluss von Thomas Schmid war dabei nicht messbar.
Schmid-Effekt gibt es nicht
Will man wie die ÖVP Schmids Leistungen an Aktienkursen der ÖBAG-Beteiligungen messen, war die Post AG kein Erfolg. Zu Schmids Amtsantritt Ende März 2019 lag der Kurs der Aktie bei 37,2 Euro, vergangenen Freitag bei 38,2 Euro. Zum Vergleich: Die Aktie der Deutschen Post legte im gleichen Zeitraum von 29 auf 48 Euro zu. Allerdings gilt auch in diesem Fall: Einen Schmid-Effekt gibt es nicht. Ob Telekom, ob Post: Allfällige Boni muss sich der ÖBAG-Chef mit anderen Leistungen verdient haben. Sein Grundgehalt von 400.000 Euro scheint großzügig bemessen, da seine Tätigkeit kaum mit einem operativen Managementposten in der Industrie vergleichbar und bisher eher passiv als aktiv angelegt ist.
Rundum zufrieden kann Schmid mit der Performance der Bundesimmobiliengesellschaft sein, die rund 2000 staatliche Liegenschaften (vor allem Schulen und Universitäten) verwaltet und als Bauträger auch am freien Markt tätig ist. Von den Einnahmen der ÖBAG 2019 in Höhe von 574 Millionen Euro kam der größte Teil, nämlich 200 Millionen Euro, von der BIG (180 Millionen von der OMV, je 74 Millionen von Post und Verbund, 39 Millionen von der Telekom). Die BIG wirtschaftet also erfolgreich-und vom Eigentümer weitgehend ungestört. Seit seiner Bestellung zum ÖBAG-Chef ließ Thomas Schmid nur eine Presseaussendung zur BIG veröffentlichen. Diese betraf die Vertragsverlängerung der beiden Geschäftsführer im September 2020.
Die Causa Schmid löst nun Debatten über eine Reform der erst 2018 reformierten ÖBAG aus. Die SPÖ fordert die Festlegung eines Privatisierungsverbots. Der leitende Sekretär der Industrie-Gewerkschaft PRO-GE, Alois Stöger (ehemaliger SPÖ-Gesundheits-und Verkehrsminister),schlägt eine Aufwertung der ÖBAG vor. Diese sollte mehr volkswirtschaftliche Bedeutung erlangen und in Zukunftstechnologien und neue Unternehmen investieren. Theoretisch kann sich Stöger auch eine Beteiligung an der strauchelnden MAN in Steyr vorstellen.
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fordert für die Zukunft die Bestellung eines zweiten Vorstands. Auf diesen war bei der Reform durch Türkis-Blau 2018 verzichtet worden. Warum, erklärt ein Insider: "Aus Sicht der ÖVP musste verhindert werden, dass die FPÖ auch einen Vorstandsposten haben will."