Corona-Impfpflicht mit großer Mehrheit beschlossen
Die Impfpflicht kommt. Der Nationalrat hat die umstrittene Maßnahme zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit großer Mehrheit abgesegnet. Bei der Abstimmung Donnerstagabend votierten 137 Mandatare für die Covid-Impfpflicht und nur 33 dagegen. Die Koalition stimmte geschlossen zu, bei SPÖ und NEOS gab es vereinzelte Nein-Stimmen. Erhöht wird indes der Druck bei Nichteinhaltung der Corona-Vorschriften mit höheren Strafen und Schließungsdrohung.
Die Vorlage über die Impfpflicht sieht vor, dass die Covid-Schutzimpfung ab Februar für alle Personen ab 18 Jahren mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in Österreich verpflichtend wird. Bis Mitte März ist eine Eingangsphase ohne Strafen vorgesehen. Danach können die Bußen bis 3600 Euro gehen, eine Ersatzfreiheitsstrafe ist explizit ausgeschlossen. Ausnahmen gibt es für Schwangere und all jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können sowie für Genesene (bis sechs Monate nach der Genesung). Über letzteres entscheiden Amts- und Epidemieärzte sowie Fachambulanzen.
Die Debatte zur Impfpflicht war erwartungsgemäß recht emotional ausgefallen. So wetterte FPÖ-Klubchef Herbert Kickl gleich zum Auftakt wortreich gegen die Maßnahme. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) versuchte, Zweifel an der Impfung selbst auszuräumen. "Alle Evidenz spricht dafür, dass alle in Österreich erhältliche Präparate sicher sind", betonte er nach von der freiheitlichen Fraktion gestreuten Zweifel. Die Covid-19-Schutzimpfung sei sicher, man brauche eine hohe Durchimpfungsrate, um das Virus einzudämmen. Gegenteilige Behauptungen dienten auch dazu, die Gesellschaft zu spalten, das Verbreiten von Fake News sei gefährlich. "Ich appelliere an jede Bürgerin und Bürger, Impfmythen zu hinterfragen", so Mückstein.
"Ich bin entsetzt, ich bin fassungslos, ich bin erschüttert und ich bin schockiert", hatte zuvor Kickl die Debatte eröffnet und fuhr nicht weniger dramatisch fort: Mit der Maßnahme werde dem Totalitarismus der Weg bereitet, es handle sich um die "Einführung des Gesundheitskommunismus". Der FPÖ-Obmann zeigte sich auch sicher, dass die Gegner der Impfpflicht im Nationalrat zwar in der Minderheit seien, nicht aber außerhalb des Hohen Hauses, wo man das Gesetz durch Behördenwege und Wahlen kippen werde: Die Regierung werde ihrer "gerechten Strafe" nicht entkommen, glaubt Kickl.
Ebenso intensiv wurde der Ton fortgesetzt. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer meinte in Richtung Kickl: "Schämen Sie sich!" Das Verhalten des Freiheitlichen sei "absolut zynisch", dessen Politik Schuld an der niedrigen Impfquote. "Die Impfung ist auch ein Siegeszug der Wissenschaft gegen die Leugnung von Fakten und Empirie", entgegnete Maurer zudem. Man sei heute im Hohen Haus versammelt, um den Ausweg aus der Pandemie zu beschreiten, befand die grüne Klubobfrau.
Werner Saxinger von der ÖVP fühlte sich durch die Redebeiträge der Freiheitlichen an das Jugendwort des vergangenen Jahres erinnert, wie er sagte: Cringe. Dieses sei ein Ausdruck fürs Fremdschämen, erklärte er. Er habe viel Verständnis für die Ängste der Menschen, beteuerte der Mediziner. Man habe aber mittlerweile 14.000 Covid-Tote "und das ist sehr traurig". In der öffentlichen Debatte würden Hausverstand und Wissenschaft als Konkurrenten dargestellt, obwohl dies nicht vergleichbar sei. Es würden sich auch oft Widersprüche ergeben, "aber die Wissenschaft lügt nicht" so Saxinger.
SPÖ-Obfrau Pamela Rendi-Wagner betonte die sensible, aber wichtige Entscheidung, die im Plenum getroffen wird. Vieles sei in den vergangenen Jahren falsch gelaufen und verabsäumt geworden, weswegen die Impfrate noch immer viel zu niedrig sei. "Die verpflichtende Schutzimpfung gegen Corona, die wir uns alle nicht gewünscht haben, ist leider notwendig geworden", erklärte sie die Entscheidungsgrundlage für ihre Fraktion.
Auch Beate Meinl-Reisinger machte es sich offensichtlich nicht leicht. Man sei mittlerweile durch eine "umfassende Müdigkeit" geeint, die vergangenen Jahre seien enorm anstrengend gewesen, weswegen es wichtig sei, diese Zeiten endlich hinter sich zu bringen, meinte die NEOS-Obfrau. Nie wieder dürfe es zu Freiheitsbeschränkungen kommen, wie sie es durch die vergangenen Lockdowns gegeben habe. Auch Meinl-Reisinger kritisierte - wie viele ihrer Vorredner und Vorrednerinnen unterschiedlicher Fraktionen - die "Agitation" der Freiheitlichen gegen die Impfung.
Freilich stimmten die NEOS der Impfpflicht nicht geschlossen zu. Pikant ist, dass mit Pandemiesprecher Gerald Loacker und Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler gleich beide zuständige Bereichssprecher Nein sagten. Loacker argumentierte damit, dass die Pflicht für Omikron zu spät komme und Experten davon ausgingen, dass Corona nachher mit der Grippe vergleichbar sei. Auch werde Vertrauen in die Politik verspielt und die Gesellschaft gespalten. Belustigt zeigte er sich darüber, dass gleichzeitig noch Gutscheine an jene unter das Volk gebracht werden, die sich impfen lassen: "Sie schütten eine Milliarde aus an Leute, die sich an ein Gesetz halten."
Auch bei den Grünen gab es einigermaßen überraschend eine Abweichlerin. Die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic blieb der Sitzung fern, weil sie der Vorlage nicht zustimmen will. Die ÖVP blieb nach außen geschlossen. Bei der SPÖ ließen sich zwei niederösterreichische Mandatare, die sich im Klub gegen die Pflicht wandten, für die heutige Sitzung entschuldigen. Die freie Abgeordnete Pia Philippa Strache warb in ihrer Rede zwar für die Impfung, aber ebenso vehement wandte sie sich gegen die Impfpflicht.
Geändert wurde am Abend auch das COVID-Maßnahmengesetz. Bezirksverwaltungsbehörden können mit der Novelle mit Bescheid Betriebe für maximal eine Woche schließen, wenn man drei Mal wegen der gleichen Nichteinhaltung der Maßnahmen (z.B. Überschreitung einer Personenbeschränkung oder fehlende Kontrolle von Nachweisen) bestraft wurde. Bei Uneinsichtigkeit kann der Betrieb sogar für sieben Tage sofort geschlossen werden. Neu ist neben einer Anhebung der Höchststrafen, dass sowohl Arbeitsinspektorate als auch Gewerbebehörden sowie Aufsichtsorgane nach Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz, im Rahmen ihrer Tätigkeiten, zur Überprüfung von aktuellen COVID-Maßnahmen ermächtigt sind.
Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) betonte dazu in einer Stellungnahme, sich für Verschärfungen in diesem Bereich eingesetzt zu haben: "Jeder einzelne Betrieb, der gegen die Corona-Maßnahmen verstößt, muss bestraft werden." Mit den "härteren Strafen" werde der Kontrolldruck erhöht.