Morgenpost

Lässt Österreich Opfer von sexueller Gewalt im Stich?

Nur 8,6 Prozent aller angezeigten Vergewaltigungen in Österreich führen zu einer Verurteilung. Die versprochenen Gewaltambulanzen, die helfen sollen, diese Fälle besser zu dokumentieren und die Verurteilungsquote zu erhöhen, fehlen. Warum?

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Lässt der Staat Opfer von sexueller Gewalt im Stich? Diese Frage haben sich meine Kollegin Iris Bonavida und ich für die aktuelle profil-Coverstory gestellt. Lang ist es her, fast schon ein Jahr, dass die Bundesregierung beim vierten Gewaltschutzgipfel vergangenen Dezember neue Maßnahmen vorgestellt hat, um stärker gegen Gewalt an Frauen vorzugehen. Ein zentrales Anliegen war die Einrichtung der Gewaltambulanzen, die durch verbesserte Dokumentation dazu beitragen sollen, die Verurteilungsquote zu steigern. Bei Vergewaltigungen führen nur 8,6 Prozent zu einer Verurteilung. Oft, weil die Beweise der Opfer nicht ausreichend sind. Im Zweifel wird für den Angeklagten entschieden. 2023 wurden 1652 Vergewaltigungen angezeigt und 127Verurteilungen ausgesprochen. Die Fälle, in denen Opfer sich gar nicht erst an die Justiz wenden, sind in diesen Zahlen nicht miteinberechnet.

Célines Fall fällt unter die 8,6 Prozent und ist sozusagen ein Ausnahmefall in der österreichischen Justiz. Wir haben sie in Wien getroffen, wo sie mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Lebensgefährten lebt. Im März wurde Céline in der Nacht auf offener Straße in der Viktorgasse im 4. Bezirk vergewaltigt. Ihr Täter konnte zunächst fliehen, wurde aber wenige Tage später von der Polizei gefasst. Der Fall landet vor Gericht. Er wird verurteilt – sechs Jahre Gefängnis. Für sie bleibt der Schuldspruch ein bitterer Sieg, weil die Angst trotz Urteil nicht automatisch verschwindet, sagt Céline zu profil.

Zu viel versprochen?

Celiné wurde in jener Nacht von einer Polizistin ins AKH gebracht. Eine Gewaltambulanz gibt es in Wien nicht. Obwohl die Regierung etwas anderes versprochen hatte. Im Sommer sollte nach dem Pilotprojekt in Graz eine zweite Gewaltambulanz in Wien eröffnen, danach in Innsbruck und Salzburg – ein ambitioniertes Vorhaben, das bislang an der Umsetzung gescheitert ist.

Stattdessen blieb es beim Pilotprojekt in Graz, wo eine erste Zwischenbilanz zeigt, dass die versprochenen Standards nur zum Teil erfüllt wurden. Eine 24-Stunden-Bereitschaft existiert nur an Wochenenden und Feiertagen und fast 70 Prozent der Untersuchungen müssen mobil stattfinden, weil die Ärztinnen drei Bundesländern abdecken müssen – die Steiermark, Kärnten und das Burgenland. Woran liegt das? Kommen die angekündigten Gewaltambulanzen noch? Oder hat die Politik zu viel versprochen? Und was wird die nächste Regierung tun, um die versprochenen Maßnahmen endlich umzusetzen?

Lesen Sie dazu die Coverstory im aktuellen profil-Heft. Print oder digital.

Daniela Breščaković

Daniela Breščaković

ist seit April 2024 Innenpolitik-Redakteurin bei profil. War davor bei der „Kleinen Zeitung“.