Österreichs Konflikt-Themen mit der EU
EU-BUDGET
Österreich ist zu einer der erbittertsten Vertreter der Gruppe "Nettozahler", die den EU-Haushaltsrahmen für 2021 bis 2027 bei 1,0 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung beibehalten will. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht 1,11 Prozent vor. Eine Mehrheit der EU-Staaten ist zu einer Erhöhung ihrer EU-Beiträge grundsätzlich bereit. Die EU-Kommission begründet die Mehrausgaben unter anderem mit der Lücke nach dem EU-Austritt des Nettozahlers Großbritanniens und mit der Finanzierung neuer Herausforderungen wie dem EU-Außengrenzschutz.
FAMILIENBEIHILFE
Die von der Bundesregierung beschlossene Anpassung der Familienbeihilfe für Arbeitnehmer, deren Kinder im EU-Ausland leben, an die jeweiligen Lebenskosten ihrer Herkunftsländer stößt vor allem den osteuropäischen Staaten sauer auf. Mehrere EU-Abgeordnete haben sich in dem Streit an die EU-Kommission um Unterstützung gewandt. Diese hat erklärt, dass es zu keiner Diskriminierung von EU-Bürgern kommen dürfe und für gleiche Beitragszahlungen auch Anspruch auf gleiche Leistungen bestehen müsse. Dieses Prinzip hat bisher auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seiner Rechtsprechung verfolgt. Österreich könnte von der EU-Kommission vor dem EuGH geklagt werden.
MIGRATION
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat 2016 gegen den anfänglichen Widerstand der EU-Kommission eine Schließung der Westbalkan-Route gemeinsam mit den betroffenen Ländern in der Region durchgesetzt. Das österreichische Konzept einer "Flüchtlingsobergrenze" wurde von der EU-Kommission als unvereinbar mit europäischem und internationalem Recht abgelehnt, letztlich blieb der Begriff nur eine politische Zielmarke. Kurz forderte als einer der ersten EU-Politiker auch eine Schließung der zentralen Mittelmeer-Flüchtlingsroute. Er verabschiedete sich außerdem von der Forderung seines Vorgängers Christian Kern (SPÖ) nach einer verpflichtenden Flüchtlingsverteilung in der EU - ursprünglich ein zentrales Ziel von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, das bisher gescheitert ist. Damit und mit dem Fokus auf Sicherung der EU-Außengrenzen liegt die Bundesregierung im Einklang mit der Position der Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Slowakei und Tschechien, die seit dem Höhepunkt der Migrationskrise einen harten Kurs fahren.
HANDELSPOLITIK
Österreich zählt unter den EU-Staaten zu den schärfsten Kritikern neuer Handelsvereinbarungen. Vor allem die Investitionsgerichte und eine von Kritikern sowohl am linken als auch am rechten Spektrum immer wieder als Bedrohung gesehene mögliche Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen wie Wasserversorgung und der Gesundheitsschutz prägen dabei die heimische Debatte. Das geplante Handelsabkommen mit den USA (TTIP) scheiterte letztlich an der Wahl von US-Präsident Donald Trump. Das EU-Kanada-Abkommen (CETA) wurde im Juni mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sowie der NEOS ratifiziert. Weitere Handelsabkommen stehen in der Pipeline mit Japan, Mexiko und dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur; auch mit Australien und Neuseeland will die EU schon bald verhandeln.
RUSSLAND
Die FPÖ hat ebenso wie andere rechtsgerichtete Parteien in Europa mit der Kreml-Partei "Einiges Russland" einen Freundschaftsvertrag. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat zuletzt ein Ende der "leidigen Sanktionen" gefordert, welche die EU nach der Krim-Annexion 2014 gegen Moskau verhängt hat. Bisher wurden die Wirtschaftssanktionen sowie die Einreiseverbote und Kontensperren gegen russische Politiker alle sechs Monate einstimmig von den EU-Staaten verlängert, doch auch andere EU-Staaten wie Italien, Griechenland und Ungarn sehen die Strafmaßnahmen gegen Russland kritisch. Die EU hat eine Aufhebung von einer Umsetzung der Minsker Waffenruhe-Vereinbarung für die Ostukraine abhängig gemacht, die noch in weiter Ferne ist. Bundeskanzler Kurz hat sich für eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen im Einklang mit Fortschritten beim Minsk-Prozess ausgesprochen. In der Skripal-Affäre um einen Giftgasanschlag auf einen Ex-Spion in Großbritannien hat Österreich im Gegensatz zur Mehrheit der EU-Staaten keine russischen Diplomaten ausgewiesen.
NEUTRALITÄT
Ein Bekenntnis zur Neutralität Österreichs ist im Regierungsprogramm verankert. Dass Österreich in der Skripal-Affäre keine russischen Diplomaten ausgewiesen hat, begründete die Regierung unter anderem mit der Neutralität. Im Rahmen von 15 militärischen und zivilen EU-Missionen ist Österreich aber durchaus sicherheitspolitisch engagiert. Im Kosovo stellt Österreich als NATO-Partner mit 500 Soldaten das viertgrößte Kontingent. Österreich beteiligt sich auch an der Ständigen strukturierten Zusammenarbeit im Militärbereich (PESCO), die eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben vorsieht. Nach Ansicht mancher Experten und Politiker ist die Neutralität mit der EU-Mitgliedschaft letztlich nicht vereinbar. Nach Artikel 23j des Bundesverfassungsgesetzes wirkt Österreich an einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU mit.
TÜRKEI
Für die österreichische Bundesregierung ist die Türkei kein EU-Kandidatenland mehr, die Regierung strebt vielmehr nach einer "strategischen Partnerschaft" mit Ankara als Alternative zu einem EU-Beitritt. 2016 blockierte Kurz als damaliger Außenminister die europäische Position zur EU-Erweiterung, weil er einen Abbruch oder eine Suspendierung der seit 2005 laufenden EU-Beitrittsverhandlungen gefordert hat. Die Beitrittsgespräche sind mittlerweile zum Stillstand gekommen, doch hält die EU weiterhin an der Perspektive eines türkischen EU-Beitritts offiziell fest.