Österreichs Studierende: „Wir sind allen scheissegal“
Die Pandemie erwischte Heribert Insam auf dem Sprung in ein lang geplantes Sabbatical. An seinem Institut für Mikrobiologie an der Universität Innsbruck hatte er davor wenig mit Viren zu tun, „trotzdem haben wir sofort angefangen, zu überlegen, was wir zur Bewältigung beitragen können“. Als ein Doktoratsstudent mit der Idee bei ihm anklopfte, Abwasser-Epidemiologie zur Pandemieüberwachung einzusetzen, fing der Professor gleich Feuer.
Für den Umweltbiologen und seine Kollegenschaft erwies sich die Corona-Krise als Glücksfall. Man brachte ein landesweites Abwasser-Monitoring auf den Weg, ein Schulstandort-Monitoring ist in Arbeit, und ließ sich von der Fülle an neuen digitalen Möglichkeiten mitreißen: „Nie war es einfacher, sich über Unis, Fächer und Grenzen hinweg digital zu vernetzen und auszutauschen“, sagt Insam. Und doch. In der Lehre wünscht sich der 64-jährige Innsbrucker Professor die guten alten Zeiten zurück, als er im Hörsaal herumspazierte und in die Reihen hinein fragte: „Was halten Sie davon?“ Und: „Gibt es noch andere Meinungen?“
Wie der Mikrobiologe Insam haben im vergangenen Jahr viele Lehrende die Erfahrung gemacht, dass Abstandhalten der Debattenkultur abträglich ist: „Studierende zu kritischem Denken anzuleiten oder Diskussionen in Gang zu setzen, ist online fast unmöglich.“
Ich hatte ein Stipendium für Princeton. Dort lehren Starprofessoren, die sich dennoch Zeit nehmen für die Studierenden. Damit verglichen ist die Universität in Wien eine Katastrophe. Erstsemester werden entmutigt und rausgeprüft. In den USA wäre ein Professor bald weg, wenn er die Hälfte der Studenten verliert. Der freie Hochschulzugang ist eine schöne Tradition, aber dann ist vielen alles egal. Aber man geht doch auf die Uni, um zu denken und um das Denken zu lernen.
Die Pandemie geht in das vierte Semester. profil sprach mit jungen Menschen über Studieren im Distanz-Modus, ließ sich von Forschern erklären, wie sie in der Pandemie aus unterschiedlichen Richtungen zueinanderfanden, und fragte beim Wissenschaftsminister und bei Rektoren nach, wie es mit den Universitäten weitergeht. Wie viel Präsenz brauchen sie? Wie viel Online verträgt der akademische Betrieb? Wie soll die künftige Elite ausgebildet werden?
„Das Corona-Jahr war wie Schule ohne Klassenzimmer und ohne Freundschaften. Alles per Zoom. Eine zähe Angelegenheit. Die Politik, die Gesellschaft – alle haben uns vergessen, alle haben auf uns geschissen. Man dachte, wir sind schon erwachsen und machen eh alles selber. Das Geschichte-Studium an der Uni hab ich abgebrochen. Ich will einmal in der Filmwirtschaft arbeiten und studiere jetzt Animation an der HTL.
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