Aufregung um weitere ÖVP-Alleinvorträge an Schulen
Wenn eine Schuldirektorin nach einem Politikerbesuch an ihrer Schule derart verstimmt ist, muss irgendetwas schiefgegangen sein: „Es ist absolut nicht in meinem Sinn, dass das so gelaufen ist“, sagt Eva Ponsold, Direktorin am wirtschaftskundlichen Gymnasium in Graz. Anlass für ihr Ärgernis ist eine Schuldiskussion zu den anstehenden EU-Wahlen mit dem niederösterreichischen ÖVP-Kandidaten Lukas Mandl Anfang Mai. Bemerkenswert an dem Termin: Vertreter anderer Parteien waren nicht vor Ort, ÖVP-Kandidat Mandl gab vor den Schülern der siebten Klassen den Alleinunterhalter.
Ein Muster, das sich durch Mandls gesamten Wahlkampf zieht: Denn der Europaageordnete hielt an mindestens sechs Schulen Solovorträge vor Schülern. Einen weiteren Einzelauftritt durfte ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas halten – ohne politische Konkurrenten und ohne kritische Moderation. An einer Schule war eine Mitbewerberin Mandls partout nicht erwünscht.
„Schulen offensichtlich für Wahlkampf missbraucht“
Zur einseitigen Einladungspolitik im Grazer Gymnasium kam es, weil die Schule die Organisation der Diskussion an den Verein Initiative Pro Mitteleuropa (IPM) ausgelagerte, der ein Lehrer der Schule angehört – und dessen Vizepräsident ÖVP-Kandidat Mandl ist. „Im Nachhinein musste ich feststellen, dass ein Mitglied dieser Initiative, die sich Überparteilichkeit auf die Fahnen heftet, Schulen offensichtlich für den eigenen Wahlkampf missbraucht“, erklärt Direktorin Ponsold dazu schriftlich. Allerdings sei auch ein Grünen-Politiker eingeladen worden, der kurzfristig absagen musste. Dazu befragt, sagt der grüne Gemeinderat, er sei erst drei Tage vor dem Event informiert worden und habe sich zu jener Zeit im Ausland befunden – außerdem kandidiere er gar nicht für die EU-Wahlen. Die grüne Landespartei war nicht informiert und konnte daher keinen Ersatz schicken.
SPÖ-Kandidatin ausgeladen
Die steirische SPÖ-Kandidatin Bettina Vollath wollten die Organisatoren vom Verein IPM offenbar nicht dabei haben. Nachdem Vollath auf eine vage gehaltene Anfrage geantwortet hatte, schrieb ihr der Lehrer des Grazer Gymnasiums: „Ich habe nicht so prompt mit einer positiven Reaktion gerechnet.“ Weil der „in Bälde stattfindende Tag schon fixfertig durchgeplant“ sei, schlug der Lehrer „den Herbst 2019“ als Termin vor – lange nach den Europawahlen. ÖVP-Kandidat Mandl erklärte auf profil-Anfrage, weder er noch sein Büro wären in die Vorbereitungen der einseitigen Diskussion eingebunden gewesen. Seine Teilnahme am Event rechtfertigt er so: „Wer eingeladen wird, liegt an der einladenden Seite, nicht an der eingeladenen Seite.“ Diskussionen mit Vertretern mehrerer Parteien seien ihm lieber.
profil-Recherchen zeigen, dass Mandl im Vorfeld der EU-Wahlen noch an fünf weiteren Schulen Solovorträge hielt (die ganze Geschichte mit allen Schulen lesen Sie ab Sonntag im neuen profil – oder ab Samstag 17.30 Uhr im E-Paper). Bereits in der Vorwoche berichtete profil über einen ähnlichen Fall in der HAK Mistelbach (Niederösterreich), an der Mandl einen Einzelvortrag hätte halten sollen. Nach massiver Kritik von allen Seiten wurden auch die übrigen Parteien eingeladen. Mandl ist jedenfalls nicht der einzige EU-Kandidat, der allein vor Schülern sprechen darf.
Kritik an Alleinauftritt von Othmar Karas in Graz
Das Grazer Ursulinen-Gymnasium lud ÖVP-Spitzenkandidat Othmar Karas Gelegenheit zu einem Soloauftritt vor Schülern – Mitte April. Das steht auf der Website der Schule, wo der Vortrag folgendermaßen beschrieben wird: „Herr Karas ließ sich auf großartige Diskussionen mit uns ein und erweiterte dadurch mit Sicherheit den Horizont des einen oder anderen.“
Der Landessprecher der steirischen Neos, Niko Swatek, kritisiert die Vorgehensweise: „Schulen dürfen nicht durch Parteipolitik vereinnahmt werden. Die ÖVP hat die Grenzen des Anstands und rechtlicher Vorgaben längst überschritten.” Der grüne Bundesrat David Stögmüller will eine parlamentarische Anfrage an Bildungsminister Heinz Faßmann einbringen.
Bildungsministerium mahnt Berichte ein
In Reaktion auf die profil-Recherchen forderte das Bildungsministerium am Freitag von den Bildungsdirektionen in Niederösterreich und der Steiermark Berichte über Schulbesuche von ÖVP-Politikern im Rahmen des EU-Wahlkampfs an. Der Besuch von Politikern an Schulen wird zwar grundsätzlich befürwortet. Die wichtigste Regel sei allerdings: „Wahlveranstaltungen haben an Schulen nichts verloren", stellte der Generalsekretär des Bildungsressorts, Martin Netzer, am Freitag klar. Schüler sollten sich mit verschiedenen Positionen auseinandersetzen können. Netzer: „Das bedeutet aber auch einen Pluralismus, der zum Ausdruck kommen muss.“