ÖVP-Inseratenaffäre: Die Beinschab-Protokolle
- Die Wiener Meinungsforscherin Sabine Beinschab hat in der „ÖVP-Inseratenaffäre“ umfassend vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt.
- Laut Beinschab machte sie „für die ÖVP“ laufend politische Umfragen, die über die Mediengruppe „Österreich“ und andere Zeitungen veröffentlicht wurden.
- Die Rechnungen bezahlte aber nicht die ÖVP – sondern das Finanzministerium.
- Um das zu verdecken, legte Beinschab falsche Rechnungen.
- Die Geschäfte liefen bis 2020/2021 und damit viel länger als bisher angenommen.
- Beinschab belastete mehrere Leute aus dem Umfeld von Ex-ÖVP-Chef und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, wenn auch nicht Kurz selbst.
- Beinschab belastete auch die frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin. Sie soll noch als Ministerin Provisionen erhalten haben: „Sie hat mitverdient“.
Bisher war es nur ein Verdacht, gespeist aus Chatnachrichten von Thomas Schmid, einstmals mächtiger Kabinettschef und Generalsekretär des ÖVP-regierten Finanzministeriums: Das Ministerium soll der Wiener Meinungsforscherin Sabine Beinschab ab 2016 nach und nach rund 600.000 Euro auf den Tisch gelegt haben – und dafür teils rätselhafte „Studien“ erhalten haben. Tatsächlich sollen mit dem Steuergeld auch andere – verdeckte – Leistungen abgerechnet worden sein: Wohlwollende Umfragen Beinschabs für den damaligen ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz, die hauptsächlich über die Kanäle der Mediengruppe „Österreich“ verbreitet wurden und ihren Anteil am Aufstieg von Sebastian Kurz zum ÖVP-Parteichef und Bundeskanzler hatten.
Wie ausführlich berichtet, ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seit dem Oktober vergangenen Jahres gegen zehn Personen wegen des Verdachts des Bestechung, der Bestechlichkeit, der Untreue und der Beteiligung dazu. Beschuldigt sind: Der nunmehrige Altkanzler Sebastian Kurz; Kurz‘ „Prätorianer“ Thomas Schmid; Kurz‘ einst wichtigste Berater Stefan Steiner, Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann, die frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin, die Verleger Wolfgang und Helmuth Fellner, ein Mitarbeiter des Finanzministeriums – und eben die Wiener Meinungsforscherin Sabine Beinschab. Soweit sich die Betroffenen bisher öffentlich geäußert haben, haben sie die Vorwürfe bestritten. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Sabine Beinschab hatte sich öffentlich bisher nicht geäußert. Doch sie stand der WKStA Rede und Antwort – und das ausführlich. Zwischen Oktober vergangenen Jahres und dem heurigen Februar wurde Beinschab gleich siebenmal als Beschuldigte einvernommen, eine der Befragungen zog sich über gut zwölf Stunden.
Am Ende lag ein 222 Seiten langes Protokoll vor, das nun Teil des Ermittlungsakts ist und Ende vergangener Woche mehreren Medien zeitgleich zur Verfügung gestellt wurde (von Personen mit legalem Aktenzugang, außerhalb von Justiz und Exekutive).
“Dass das nicht in Ordnung ist”
Um es kurz zu sagen: Sabine Beinschab hat den eingangs beschriebenen Verdacht deutlich erhärtet. Sie legte die Beauftragungen durch einstige Vertreter des Finanzministeriums ebenso offen wie die geheimen Verrechnungsmodalitäten. Und sie erhob Vorwürfe gegen die frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin. Karmasin habe Beinschab einerseits mit Thomas Schmid zusammengespannt, andererseits auch den Kontakt zu Verleger Helmuth Fellner angebahnt. Und: Karmasin soll bei Beinschabs Geschäften mit dem Finanzministerium ab 2016 mitgeschnitten haben – im Wege einer mündlichen Provisionsvereinbarung, die ihr eine fortlaufende 20-prozentige Umsatzbeteiligung sicherte (dazu später).
Beinschab zeigte sich im Verlauf der Einvernahmen insgesamt kooperativ – wohl mit Blick auf eine angestrebte Kronzeuginnenregelung. So sagte sie unter anderem:
„Beim Durchforsten dieser Studien ist mir jetzt noch einmal sehr bewusst geworden, dass doch etliche Fragestellungen parteipolitisch waren und nichts mit dem BMF zu tun hatten … Wenn man sich die Studien über die Jahre gesammelt anschaut, erkennt man eine bestimmte Linie zugunsten der Anliegen der ÖVP.“
Bei mehreren Studien sei ihr „schon bei der Beauftragung, der Durchführung und der Verrechnung ans BMF bewusst“ gewesen, „dass das nicht Ordnung ist, wenn das BMF diese zahlt. Als Erklärung möchte ich anführen, dass MMag. Schmid ja wie aus einigen Chats ersichtlich, mir gesagt hat, ich solle solche ,allgemeine politische’ Fragen bei den Studien ,draufpacken’, das heißt reinrechnen. Damit wurden Kosten für solche parteipolitischen bzw. allgemeinen politischen Fragestellungen in die Studien aufgenommen, ohne dass man dies in den Rechnungen, die ich ans BMF gelegt habe, explizit erkennen konnte.“
Mit anderen Worten: Scheinrechnungen. Auf den Vorhalt der WKStA, sie habe dem Finanzministerium unrichtige Rechnungen gelegt, antwortete die Meinungsforscherin knapp: „Ja, das gebe ich zu.“
Wie sie das machte, schilderte Beinschab an gleich mehreren Beispielen. Eines davon: Im Sommer 2017 hatte sie vom BMF den Auftrag erhalten, die Wahrnehmung des Themas „Steuerbetrugsbekämpfung“ in der Bevölkerung zu erheben. Die Studie (600 Online-Interviews, drei Dutzend „tiefenpsychologische Interviews verdichtet auf 57 pdf-Seiten) lieferte Beinschab im Herbst 2017 ab – und verrechnete dem Ministerium dafür via Rechnung „Nummer 1088“ einen Betrag von 51.450 Euro netto. Ein deutlich überhöhter Preis – die Studie hatte sie mit lediglich 36.800 Euro veranschlagt.
Die verbleibenden 14.650 Euro waren andernorts aufgelaufen. Oder wie es Beinschab aussagte: „Die RechnungsNr. 1088 beinhaltete drei Wellen Politikfragen, die unter dem Studientitel ,Betrugsbekämpfung‘ mit abgerechnet wurden … Diese drei Wellen allgemeiner Politikfragen betrafen die Themen ,Pilz‘ (Auswirkungen Antritt Liste Pilz – erste Welle), ,Silberstein-Affäre‘ (zweite Welle) und ,Mobilisierung unentschlossener Wähler‘ (dritte Welle). Diese drei Wellen wurden mit der Studie Betrugsbekämpfung abgerechnet. Dazu gebe ich an, dass der Rechnungsbetrag von EUR 51.450,- netto sich aus EUR 36.800,- für die echte Betrugsbekämpfungsstudie und aus EUR 14.650,- netto für die drei genannten Wellen zusammensetzt.“
Der Draht ins Kanzleramt
Als Auftraggeber sei damals zunächst Thomas Schmid in Erscheinung getreten, später sei die Kommunikation hauptsächlich über Johannes Frischmann gelaufen. Frischmann diente von 2014 bis 2017 als Pressesprecher im Finanzministerium, ehe ihn Sebastian Kurz im Wahlkampf zu sich und schließlich ins Kanzlerkabinett holte.
Laut Beinschab blieb Frischmann auch dann ihr Ansprechpartner, als er gar nicht mehr im Finanzministerium, sondern längst im Kanzleramt und damit in unmittelbarer Nähe von Sebastian Kurz arbeitete. „Johannes Frischmann war für die operativen Umsetzungen der Studien verantwortlich und eigentlich mein Hauptansprechpartner (anfangs neben MMag. Schmid), und zwar beginnend vom Jahr 2016 bis zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung.”
Und die war im Oktober 2021.
Das heißt aber auch: Die Geschäftsbeziehung zwischen Beinschab und dem Finanzministerium währte bis ins Vorjahr hinein – und damit viel länger als bisher angenommen. Kurz war da noch Bundeskanzler und Gernot Blümel noch Finanzminister (Thomas Schmid avancierte bekanntlich 2019 dank einer mutmaßlich geschobenen Ausschreibung zum Alleinvorstand der ÖBAG, wo er zwischenzeitlich auch nicht mehr ist. Er lebt jetzt angeblich in Amsterdam und wird dem nahenden ÖVP-Korruptionsausschuss fernbleiben).
Beinschab sagte aus: „Auch nachdem Frischmann vom BMF weggegangen war, ist das von mir beschriebene System der Umfragen beibehalten worden. Das heißt, es sind parteipolitische Umfragen von Frischmann bei mir in Auftrag gegeben worden und diese sollten als Teil der ,offiziellen BMF-Studien’ abgerechnet werden. Das hat mir Frischmann so gesagt. Mag P. (Anm. ein BMF-Mitarbeiter), mit dem ich etwa zweimal im Jahr essen war, hat mir dabei jedes Jahr gesagt, dass auch nächstes Jahr dieses System beibehalten werden solle. Ich bin dann im Auftrag von Frischmann in Vorleistung gegangen, habe die Umfragen in seinem Auftrag durchgeführt und später über die ,offiziellen BMF-Studien’, die Mag. P. beauftragt hatte, abgerechnet.“
Umfragen wurden laut Beinschab auch noch 2021 von Frischmann beauftragt und von ihr durchgeführt – allerdings sei es da zu keiner Verrechnung mit dem BMF mehr gekommen. Laut Beinschab bestellte P. bei ihr im August 2021 zwar eine Studie zu „Kryptowährungen“: „Mit Mail vom 1.9.2021 habe ich ihm ein Anbot übermittelt. Bei einem Arbeitsessen hat er mir mitgeteilt, ich möge ein günstigeres Angebot legen und wir könnten dafür mehr Studien, um jedenfalls unter EUR 100.000,- zu bleiben. P. wusste und ich habe das auch beim gemeinsamen Mittagessen angesprochen, dass in diese Studien schon von mir in Vorleistung erbrachte Leistungen und Umfragen für die ÖVP abgerechnet werden sollten.” Der Auftrag zur „Krypto“-Studie wurde vom Finanzministerium allerdings nach der Hausdurchsuchung im Oktober 2021 storniert. Begründung: die „aktuellen Entwicklungen“.
Was wusste Sebastian Kurz von all dem? Beinschab konnte dazu keine Aussage treffen, sie hatte nach eigener Darstellung nie direkt mit ihm zu tun und will ihm überhaupt nur einmal über den Weg gelaufen sein. Auch zu Kurz’ einstmaligen Beratern Stefan Steiner und Gerald Fleischmann hatte Beinschab keine weiterführende Wahrnehmung.
„Das war halt so“
Wie kamen die vom Finanzministerium bezahlten und politisch motivierten Beinschab-Umfragen in die Welt? Wie bereits berichtet, wurden diese größtenteils über die Kanäle der Mediengruppe “Österreich” ausgespielt – aber nicht nur.
„Ich habe, wenn ich irgendeinen Fetzen von ihm bekommen habe, mit Fetzen meine ich jetzt Wortfetzen, zum Thema Koalition oder so, die Frage formuliert und angehängt. Ja, und dann habe ich dem Thomas Schmid das Ergebnis geschickt und manchmal war es so, und ja, auch dann kann man mir vielleicht den Vorwurf machen, warum ich es nicht mehr hinterfragt habe, dass er dann gesagt hat ,das spielen wir jetzt an die Medien’. Warum, wieso, ganz ehrlich, ich habe mir damals keine Gedanken gemacht, das war halt so. Und zum Beispiel, dass man es eben dem Fellner gibt, also Tageszeitung Österreich, und ich glaube, das ist der Grund, warum ich mir keine Gedanken gemacht habe. Es war genauso die Presse, es waren andere Zeitungen, ich weiß es nicht, ob die Krone mit dabei war, die Presse war ganz sicher mit dabei, ich weiß nicht, irgendwelche anderen Medien einfach.“
Der Vollständigkeit halber folgt hier der Hinweis, dass profil keine der inkriminierten Beinschab-Umfragen erhalten hat.
Die Achse Karmasin
Beinschabs Verbindungen zur Mediengruppe Österreich gehen auf das Jahr 2016 zurück – und wenn es nach ihr geht, dann war auch hier Sophie Karmasin maßgeblich beteiligt (zur Rolle der damaligen Ministerin später noch mehr). Sie, Beinschab, habe Ende März 2016 auf Vermittlung von Karmasin einen Termin bei Helmuth Fellner gehabt, bei dem erstmals Umfragen für die Mediengruppe „Österreich“ besprochen worden seien. Daraus erwuchs dann auch ein erster Auftrag: Die Mediengruppe bestellte bei Beinschab im Frühjahr 2016 zunächst sechs Online-Umfragen mit jeweils 500 Interviews. Auffallend: Die Inhalte der Umfragen bestimmte nicht der Auftraggeber „Österreich“ – diese wurden laut Beinschab vielmehr von Thomas Schmid und Johannes Frischmann aus dem Finanzministerium vorgegeben.
Das kam der WKStA sonderbar vor – der fallführende Oberstaatsanwalt wollte von Beinschab wissen, was es mit dieser Geschäftsstruktur auf sich hatte: Erst die Auftragserteilung durch „Österreich“, dann die inhaltlichen Fragestellungen durch Schmid und Frischmann, dann die Ergebnisvorbesprechungen mit Schmid und Frischmann, dann erst die Weiterleitung der freigegeben Umfrageergebnisse an die Mediengruppe, an welche Beinschab schließlich auch die ersten Rechnungen schickte. Die Meinungsforscherin dazu: „Warum das so abläuft, wurde weder von Schmid/Frischmann, noch von der ,Österreich’-Gruppe erklärt. Dr. Karmasin hat mir nicht erklärt, warum das System so läuft oder war der … Hintergrund dieser Vorgangsweise sei. Ich weiß aber schon, dass es im Hintergrund Kontakte zwischen Schmid, Karmasin und den Fellners gab.“
Laut Beinschab endete das Verrechnungsmodell mit den Fellners nach den ersten sechs Wellen – es wurde offenbar durch das Modell „BMF-Studien“ ersetzt. Noch 2016 erhielt Beinschab vom BMF ganz offiziell den Auftrag zu einer ersten Studie „Wirtschafts- und Budgetpolitik“. Das Thema hatte ihr Thomas Schmid zuvor bei einem gemeinsam Essen mitgeteilt.
Auch diese Studie lieferte sie ab – und auch hier wurden offenbar studienfremde Kosten „draufgepackt“.
Umfragen zum „politischen Islam“ und zur WKStA
Wie berichtet, war auch die Interne Revision des Finanzministeriums (erst hinterher, aber immerhin) auf gravierende Ungereimtheiten bei den Beinschab-Aufträgen gestoßen, wobei die Studie zur „Wirtschafts- und Budgetpolitik“ hier turmhoch herausragte: „Die Studie, die bei Weitem die höchste Unregelmäßigkeit aufwies, war jene zur Wirtschafts- und Budgetpolitik. Sie begann mit einem Angebot von EUR 34.680 (inkl. USt) und endete nach 10 Rechnungen mit EUR 155.940. Die neun Rechnungen für Zusatzleistungen wurden … mit weiteren notwendigen Arbeiten begründet“, schreibt das BMF in einem Untersuchungsbericht, der gleichwohl Teil des Ermittlungsakts ist. Dies war übrigens jene – mittlerweile berühmt gewordene – Studie, in der politische Parteien mit Automarken und Politiker mit Tieren verglichen wurden.
Im Rahmen der Einvernahmen gingen die Ermittler mit Beinschab Abrechnung für Abrechnung durch. Die Meinungsforscherin legte Listen vor, die Aufschluss darüber geben sollen, welche politischen Themenbereiche jeweils eingepreist waren.
2018 fiel unter anderem folgendes darunter: „SPÖ Migration“, „Zufriedenheit mit Kern als Oppositionspolitiker“ und „Kampf politischer Islam“. 2019: „Kurz fordert Trennung FPÖ/Identitäre“, „Mitterlehner Veröffentlichung Buch“, „Bewertung Kurz nach Ibiza” und „Soll Kurz Kanzler bleiben“. 2020: „Soll Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die Führung in der bundesweiten SPÖ übernehmen?“, „Doskozil versus Kurz - erfolgreich“, „Vermeidung Terroranschläge Präventivhaft“ und - besonders pikant - „Defizite und Verbesserungen Wksta“ sowie „Justizpolitisch unabhängig Verbesserungspotentiale“.
Auch die zunehmend scharfe Justizkritik der Kanzlerpartei fand demnach Niederschlag in jenen Umfragen, die – laut Beinschab – von Kanzlersprecher Frischmann bei ihr beauftragt worden waren und dann über das Finanzministerium abgerechnet wurden. Gefragt, inwieweit die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten als objektiv einzustufen seien, gab Beinschab zu Protokoll: „Jeder Auftraggeber von Umfragen hat ein Ziel im Kopf und ein Wissen, von dem ausgehend er die Fragen und Antworten vorgibt. In den vorliegenden Beispielfällen kamen sowohl die Fragen als auch die Antworten von Frischmann.“
Tricksereien bei Umfrageergebnissen
Doch auch methodisch waren die Beinschab-Studien – wie die Meinungsforscherin gegenüber den Ermittlern einbekannte – nicht immer das Gelbe vom Ei: Mal wurden weniger Personen befragt als eigentlich vorgesehen („Das BMF bzw. P. beauftragte im Zeitraum 2018-2020 Studien, bei denen mir P. vorgegeben hat, eine geringere Stichprobengröße durchzuführen, um die Kosten niedrig zu halten, sodass die von Frischmann beauftragten ÖVP-Studien ,hineingerechnet’ werden konnten.“). Mal wurde bei den Ergebnissen getrickst („Wenn ich bei der Darstellung der Ergebnisse der Umfragen innerhalb der Schwankungsbreite abgewichen bin, habe ich das aufgrund der Wünsche von Frischmann oder/und Schmid getan und nicht aus sachlichen und wissenschaftlichen Gründen. … So wird die Darstellung unrichtig.“). Dass Schmid und Frischmann dadurch „politisch gewünschte Wirkungen“ erzielen wollten, sei ihr klar gewesen.
Frischmanns Anwalt Karl Schön weist für seinen Mandanten sämtliche strafrechtlichen Vorwürfe entschieden zurück. „Als Pressesprecher unter Finanzminister Hans Jörg Schelling und auch später im Kanzleramt war es das Tagesgeschäft Frischmanns, mit Journalisten, Meinungsbildnern, Kommentatoren und Meinungsforschern Kontakt zu pflegen.“ Es zähle „zur Kernaufgabe des Pressesprechers, mit diesen Informationen über die Arbeit der Regierung, aktuelle Projekte und Vorhaben sowi das politische Geschehen auszutauschen und auf die Berichterstattung und öffentliche Meinungsbildung einzuwirken“. Dies sei auch in Bezug auf Beinschab der Fall gewesen. Frischmann sei „zu keiner Zeit in ein illegales Konstrukt aus Umfragen und Inseraten involviert“ gewesen. Darüber hinaus betone sein Mandant, dass er „zu keinem Zeitpunkt von Sebastian Kurz, Stefan Steiner oder Gerald Fleischmann Aufträge im Zusammenhang mit Studien und Umfragen“ bei Beinschab erhalten habe.
„20 Prozent für Karmasin“
Die Meinungsforscherin hat jedoch nicht nur den einen oder anderen Kurz-Vertrauten in ihren Aussagen belastet.
Den Ermittlern liegen E-Mails zwischen Beinschab und Sophie Karmasin vor, die darauf hindeuten, dass Karmasin persönlich Einfluss auf Umfrageergebnisse nahm. Am 24. August 2017 schrieb Karmasin an Beinschab: „SPÖ muss bei Gelegenheit auf Platz 2!“ (Anm.: Laut Umfrageergebnissen lagen die Sozialdemokraten damals hinter der FPÖ auf dem dritten Platz). Am 6. September 2017 schrieb Karmasin: „Kurz nicht steigen lassen“. Auf einen bestimmten Vorschlag Beinschabs antwortete Karmasin: „Wäre eine Möglichkeit die spö nach vorne zu bringen und abstand kurz zu verringern, damit sie nervös werden ohne ihn zu beschädigen“. Offenbar sollte da mit Umfragen Wahlkampftaktik gemacht werden. Karmasin war zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht ihrem Beruf als Meinungsforscherin tätig - sondern als Ministerin für die ÖVP in der Bundesregierung.
Beinschab betrachtete Karmasin als eine Art Mentorin. In ihren Einvernahmen erhob sie jedoch schwere Vorwürfe gegen die Ex-Ministerin: Karmasin habe den Kontakt zum Finanzministerium und zu „Österreich“ eingefädelt – und an den Studien für das BMF unter der Hand kräftig mitverdient. „Sie hat über den Umsatz jeder Studie, die ich für das BMF gemacht habe, Bescheid gewusst, weil ich ihr das gesagt habe, und teilweise Listen für die Abrechnung bzw. Gegenverrechnung übermittelte. … Dr. Karmasin wusste über das dargestellte System der angehängten und hineingepackten Fragen Bescheid, sie hatte das alles ja mitinitiiert und war daher voll eingebunden“, gab Beinschab zu Protokoll. Karmasin sei ab 2016 – somit zu einer Zeit, als sie noch Ministerin war – mit zwanzig Prozent am Erlös jener Studien beteiligt gewesen, die Beinschab dem Finanzministerium verrechnete. Die Abrechnung sei zunächst über die Beratungsfirma eines Angehörigen Karmasins erfolgt, ab 2018 – als Karmasin nicht mehr in der Politik war – dann großteils über Leistungen Beinschabs für Karmasin.
Karmasins Rechtsanwalt Norbert Wess bestätigte auf Anfrage von profil die 20-Prozent-Vereinbarung. Diese habe es gegeben, sei jedoch nicht strafrechtswidrig. Auch eine Nicht-Meldung als Ministerin sei nicht strafbar. Entschieden in Abrede stelle seine Mandantin jedoch, auch nur irgendetwas davon gewusst zu haben, dass dem Finanzministerium Leistungen in Rechnung gestellt worden wären, die möglicherweise nicht dem Ministerium zugute kamen, sagt Wess. Hat Karmasin als Ministerin Einfluss auf Umfrageergebnisse genommen? Ihr Anwalt verweist darauf, dass sich Beinschab von vielen Seiten Meinungen eingeholt habe. Karmasin habe jedenfalls immer nur innerhalb der Schwankungsbreite Empfehlungen abgegeben.
Beinschab überraschte die Ermittler auch mit einer historischen Anekdote: „Für mich war es nichts Neues, dass es im Zusammenhang mit durchgeführten Meinungsumfragen Absprachen zwischen einem Medium und einer Partei mit der Meinungsforscherin gibt, das war schon während meiner Tätigkeit für die Karmasin Motivforschung in den Jahren 2011 bis 2013 so.“ Damals seien laufend Studien für die Gratiszeitung „Heute“ durchgeführt worden, wobei es im Hintergrund Gespräche mit der Bundes-SPÖ gegeben habe. Es seien „sehr deutlich Wünsche der SPÖ kommuniziert“ worden, in welche „Richtung die Ergebnisse der Umfragen zu Gunsten der Wünsche der SPÖ verändert werden“ sollten. Laut Beinschab habe Karmasin ihr gesagt, dass es „diese Anrufe und Wünsche der SPÖ geben werde und diese umzusetzen sind“. Waren auch damals öffentliche Dienststellen beteiligt? Daran konnte sich die Meinungsforscherin nicht erinnern. Es könnte der entscheidende Unterschied zum „Beinschab-Tool“ der Kurz-Getreuen sein.
Stellungnahme von Heute-Geschäftsführer Wolfgang Jansky:
Vorausschicken möchte ich, dass ich weder Frau Beinschab noch die im Protokoll angeführten Personen, P. und T., kenne und daher auch nie Kontakt zu ihnen hatte. Mit dem Umfrageinstitut Karmasin, hatte „HEUTE“ geschäftliche Beziehungen, und zwar konkret zwischen April 2012 und Nov 2013. Davor arbeiteten wir bei Umfragen mit OGM (das ganze Jahr 2011) und teilweise mit IFES zusammen, nach 2013 mit dem Institut Hajek/Unique Research zusammen.
Diese Umfragen für „HEUTE“ bestanden aus regelmäßigen Polit-Barometern/Sonntagsfragen und Fragen zu politisch aktuellen Themen, die der Redaktion interessant erschienen (mit einer ausgewiesenen Stichprobe von n800/bzw. n500) Die Leistungen wurden immer von „HEUTE“ beauftragt und auch bezahlt. Alle Umfragen mit Sonntagsfragen sind auf den Internetseiten NEUWAL.com und Sonntagsfragen Österreich 2006-2021 (strategieanalysen.at) abrufbar.
Bei Durchsicht werden Sie feststellen, dass die HEUTE-Umfragen in keiner Weise von den Umfragen anderer Meinungsforschungsinstitute abweichen, insbesondere nicht von jenen von KARMASIN durchgeführten wöchentlichen Umfragen für das PROFIL im Zeitraum 2012 + 2013. Wir gehen daher davon aus, dass alle Leistungen die KARMASIN für „HEUTE“ erbracht hat und von uns bezahlt wurden, mit der nötigen wissenschaftlichen Sorgfalt erbracht wurden und hatten auch nie einen Grund daran zu zweifeln.