Anzeigenflut: Von öffentlichen Inseraten profitiert nicht nur der ÖVP-Wirtschaftsbund in Kärnten (profil berichtete), sondern auch das ÖVP-nahe Blatt „Freiheit“.

ÖVP-nahes Blatt „Freiheit“: Gut getarnte Inseratengeschäfte

Laut profil-Berechnungen fließen jährlich bis zu 188.000 Euro an einen Verein, der seinen Sitz an der ÖVP-Parteizentrale angemeldet hat - und in dessen Vorstand einst der heutige Kanzler Karl Nehammer saß.

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Wer etwas darüber erfahren will, wie parteinahe Medien Inserate von öffentlichen Institutionen einsammeln und diese Summen vor der Öffentlichkeit und dem Rechnungshof verheimlichen, könnte bei Bundeskanzler Karl Nehammer nachfragen. 

Nehammer war bis 2018 Generalsekretär des ÖVP-Arbeitnehmer- und Angestelltenbundes ÖAAB und saß zeitgleich auch im Vorstand des Wiener Pressvereins. Die einzige nachvollziehbare Tätigkeit des Vereins ist die Herausgabe des Magazins „Freiheit“, das über die politischen Aktivitäten des ÖAAB informiert und für das der Pressverein Inseratengelder – vor allem von öffentlichen Stellen – einsammelt. Nach offizieller Darstellung agiert der Pressverein „unabhängig“ und hat nur zufällig dieselben Ziele wie der ÖAAB. Eine simple Google-Recherche zeigt allerdings: Der Pressverein sitzt an derselben Adresse wie die ÖVP-Bundespartei, er teilt sich mit dem Parteibund ÖAAB die Telefonnummer und den Faxanschluss. Geschrieben wird das Magazin „Freiheit“ laut Impressum von Mitarbeitern des ÖAAB und der ÖVP.

Es stellt sich also die Frage, wieso es für die Produktion der „Freiheit“ einen eigenen Verein braucht und der ÖAAB die Zeitschrift nicht einfach selbst herausgibt. Und was mit allfälligen Überschüssen passiert, die der Verein durch seine Inseratengeschäfte erzielt.

In den vergangenen Wochen rückten die Anzeigenschaltungen der öffentlichen Hand in parteiischen Medien in den Fokus. Nahezu täglich werden neue Werbedeals bekannt, bei denen die jeweils regierende Partei die öffentlichen Inseratenetats in Zeitschriften im Parteiumfeld lenkte (profil berichtete). Zuletzt sorgten Schaltungen in einem Magazin mit Nähe zur SPÖ Burgenland für Aufregung. 

Der Pressverein ist eine besonders blickdichte Konstruktion: Die meisten Werbeschaltungen in der Zeitschrift „Freiheit“ stammen von der Allgemeinen Unfallversicherung (AUVA), der ÖVP-dominierten Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) und der ÖAAB-Fraktion in der Arbeiterkammer, wobei damit fast ausschließlich die Tätigkeit des schwarzen Vizepräsidenten Erwin Zangerl beworben wird. Seitens staatsnaher Unternehmen inserierten etwa der Flughafen Wien (der im Teileigentum von Land NÖ und der Stadt Wien steht) und verschiedene niederösterreichische Wohnungsgenossenschaften. In der Vergangenheit sorgte der Pressverein bereits einmal für Schlagzeilen, als der Lobbyist Peter Hochegger (über seine Firma Valora) dem Verein 10.000 Euro als „Druckkostenbeitrag“ für das Magazin „Freiheit“ überwies. 

Eine Nachfrage von profil an den Wiener Pressverein zur Höhe der Inserateneinnahmen der vergangenen Jahre blieb unbeantwortet. Die Gewerkschaft GÖD wollte „betreffend Medienstrategie“ keine Angaben machen, auch die AUVA schweigt über ihr Inseratenbudget in der ÖVP-nahen Zeitung. Noch. Denn NEOS-Nationalrat Gerald Loacker brachte eine parlamentarische Anfrage dazu an den Gesundheitsminister ein. AK-Vizepräsident Zangerl teilt mit, dass eine „Jahreskooperation“ mit dem Magazin „Freiheit“ bestehe. Man bezahle für sechs Ausgaben einen Seitenpreis von 4115 Euro, insgesamt also 25.000 Euro. Nach einer profil-Berechnung, die alle sieben Ausgaben eines Jahres und die gelisteten Inseratenpreise des Wiener Pressvereins miteinbezog, betrug das Volumen privater und öffentlicher Inserate im Jahr 2021 145.700 Euro, allfällige Rabatte nicht einberechnet. Im Wahlkampfjahr 2017, als Karl Nehammer noch stellvertretender Vereinsobmann war, betrug das Volumen laut profil-Berechnung 188.500 Euro; im Jahr 2018 149.000 Euro. 

Obwohl es sich bei den Beträgen lediglich um Schätzungen anhand der Listenpreise des Wiener Pressvereins handelt, sind diese Größenordnungen bemerkenswert. Laut dem letzten verfügbaren Rechenschaftsbericht aus dem Jahr 2018 lukrierte die ÖVP auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene aus Inseratengeschäften lediglich 72.830,28 Euro; ihre Teilorganisationen bekamen weitere 64.304 Euro.

Die geschätzten 188.500 Euro, die allein der ÖVP-nahe Wiener Pressverein 2018 an Inseraten erhielt, müssen im Rechenschaftsbericht dagegen nicht transparent gemacht werden. 

Denn der Pressverein hat offiziell nichts mit der ÖVP zu tun. Ob die Verschleierung von Inseratengeschäften ein Beweggrund für die Konstruktion ist, beantwortete der ÖAAB-Generalsekretär und Nationalrat Christoph Zarits nicht. Er hielt nur fest: „Betreffend Wahlkämpfe und parteipolitische Aktivitäten können wir ausschließen, dass der Wiener Pressverein in den vergangenen Jahren für diese Zwecke oder generell Geld- oder Sachspenden an den ÖAAB geleistet hat.“

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.