Österreich

ÖVP-Parteitag: Zeltfeststimmen

In St. Pölten ließ sich Sebastian Kurz erneut zum Bundesparteiobmann der ÖVP wählen. Ein profil-Reporter war dabei.

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Der 39. ordentliche Bundesparteitag der ÖVP in St. Pölten (Motto: „Mit neuer Kraft“) begann als Kirtag und endete als Zeltfest. Zu Beginn riss Moderator Peter L. Eppinger in der Veranstaltungshalle ein paar Witze, wozu er als Kultursprecher der Wiener Landespartei auch zweifellos qualifiziert ist. Nach der Stimmabgabe begaben sich die Delegierten geschlossen ins benachbarte Großzelt zu Würstel und Bier. Praktischerweise wurde das Wahlergebnis auch dort verkündet. Sebastian Kurz erreichte 99,4 Prozent der Stimmen. Vor vier Jahren, beim Parteitag in Linz, waren es 98,7 Prozent gewesen.

Günther Platter, Leiter des Wahl-Gremiums, hatte Kurz als Kandidaten offiziell vorgestellt. Wenn der Landeshauptmann aus dem Tiroler Oberland den Namen „Kurz“ ausspricht, klingt es, als ob er im Kiefer Walnüsse knackt. Für Platter ist Kurz „ein zacher Bursch“. Der Landeshauptmann weiß das von gemeinsamen Bergtouren, allerdings nicht in Ischgl.

Digitaler Höhepunkt des Parteitags war ein Video, in dem das pensionierte Who-is-Who der Partei - Ex-Parteichefs, Ex-Landeshauptleute, Ex-Nationalratspräsident - die „Schlammschlacht“ gegen Kurz beklagten. „Alle gegen uns, alle gegen die Volkspartei“, nannte es August Wöginger in seiner Rede. Der Klubobmann aus dem Innviertel gilt als Bierzelt- und Frühschoppen-Zampano der Volkspartei, kein Wunder, er wurde in Bayern geboren. Beim Parteitag gab der „Gust“ den Einheizer für Kurz, dessen Qualitäten er so zusammenfasste: „Herz, Hirn und Hausverstand.“

Der Mann mit Herz, Hirn und Hausverstand sprach dann eine halbe Stunde lang und verkündete: „Wir sind in der Normalität angekommen.“ Die Delegierten hatten es zuvor schon bewiesen. Der Parteitag der ÖVP wird als jene Veranstaltung in die niederösterreichische Landesgeschichte eingehen, bei der Massen-Handschlag und Begrüßungsküsschen wiedereingeführt wurden.

Die Ankunft in der Normalität, von der Kurz sprach, hängt natürlich auch mit der österreichischen „Testinfrastruktur“ zusammen. Um diese, so der Kanzler, würde uns „die ganze Welt beneiden“. Wie auch nicht.

Still wurde es im Saal, als Kurz zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen falscher Zeugenaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss sprach. Er habe deswegen alles in Frage gestellt; überlegt, ob er solche Auseinandersetzungen für das eigene Leben wolle; ob er das alles seiner Familie zumuten dürfe; ob solche Angriffe nie aufhören würden. Dem Parteitag stockte der Atem. Die Berichterstatter spitzten die Ohren. Dunkle Wolken zogen über St. Pölten zusammen. Die Sensation blieb aus. Er macht weiter. Mit neuer Kraft.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.