Koalitionsverhandlungen

Wie sich ÖVP und SPÖ vorsichtig wieder annäherten

Während die ÖVP mit der FPÖ verhandelte, schmiedete sie Pläne für einen Exit. Wie es nun weitergehen könnte.

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Kickls Scheitern macht es wahrscheinlich, dass die ÖVP doch Kanzlerpartei bleibt und den unwahrscheinlichsten Regierungschef der Zweiten Republik stellt: Christian Stocker. Gut möglich, dass Stocker und sein Team am 4. Februar endgültig beschlossen, die Verhandlungen zum Platzen zu bringen. An diesem Tag eskalierten die Gespräche über die Ressortverteilung das erste Mal. Die ÖVP bestand nicht nur, aber vor allem auf das Innenministerium. Sieben Tage später sind die beiden Seiten einander keinen einzigen Schritt näher gekommen. Aber sie bemühten sich, den Anschein zu wahren, dass die Verhandlungen weiterlaufen.

Vergangenen Dienstag beobachtete die Öffentlichkeit, wie Stocker, Kickl und ihre engsten Vertrauten den Fellerer-Wörle-Saal im Parlament betraten. Ein Besprechungsraum wie so viele im Hohen Haus – großzügiger ovaler Tisch, bequeme Sesselgruppen –, aber mit einem entscheidenden Vorteil: viele Ausgänge. Die Jalousien hatte man runtergezogen, sodass man auch vom Balkon nicht durch die Fenster hineinsehen konnte. Schon nach 20 Minuten schlichen sich die Verhandler wieder hinaus. Unbeobachtet, selbst vom Sicherheitsdienst des Parlaments. So wurde stundenlang ein Raum bewacht, in dem niemand mehr verhandelte.

Besprechungssaal im Parlament

Fellerer-Wörle-Saal

In diesem Parlamentssaal besprachen sich FPÖ und ÖVP vergangenen Dienstag für rund 20 Minuten.

Auch die Öffentlichkeit bekam von den Parteien lange keine Antwort auf die Frage, ob und wie die Verhandlungen zu einem Ende gekommen waren. Während ÖVP und FPÖ die Außenwelt im Unklaren ließen, meldeten sich immer mehr hohe Funktionäre via Aussendung kritisch zu Wort. Hier wurde der Boden für einen Abgang aufbereitet. Noch aber wollte das niemand öffentlich sagen.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.