Regierungsbildung

Der Staatssekretär: Der Wachhund im Ministerium

Ob als Sprungbrett für höhere Ämter oder als Aufpasser des Ministers. Welche Funktion erfüllen Staatssekretäre und warum sind sie strategisch bedeutsam?

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Während das Dreiergespann aus ÖVP, SPÖ und Neos im Endspurt zur Regierungsbildung steckt, dringen immer mehr Verhandlungsdetails an die Öffentlichkeit. Erste Ergebnisse zur Ministerliste stehen bereits fest: Je sechs Ressorts entfallen auf ÖVP und SPÖ, zwei auf die Neos. Zudem hat man sich auf sieben Staatssekretäre geeinigt: je drei für ÖVP und SPÖ und erstmalig neu: Sepp Schellhorn (Neos) soll Staatssekretär für Deregulierung werden. 

Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik könnte damit die Regierungsverantwortung auf drei Parteien verteilt werden – womit ein Bruch der traditionellen Ressortaufteilung mit einhergeht und eine bisherige Rolle in Regierungen neue Brisanz erhält: der Staatssekretär.

Mit einem Verdienst zwischen 15.000 und 17.000 Euro brutto im Monat, spricht der Boulevard bereits von der „teuersten Regierung aller Zeiten“. Nach aktuellem Stand würde die künftige Regierung mit Kanzler, Vizekanzler, Ministern und Staatssekretären insgesamt 21 Mitglieder umfassen – viele Köpfe, die viel kosten, wie der Boulevard insinuiert. „Köpfe zu zählen, ist für das Budget und die politische Arbeit irrelevant“, sagt Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik im profil-Gespräch. Dass Regierungen größer geworden sind, liege schlicht daran, dass „sich im Zeitverlauf die Themen verändert haben“. Während es im Nachkriegsösterreich noch ein eigenes Ministerium für Volksernäherung gab, spiegeln sich in der jüngeren Geschichte beispielsweise die vielfältigen EU-Agenden in der Regierungsarbeit wider, so Ennser-Jedenastik. 

Staatssekretäre gelten als höchstes Organ der Exekutive und werden wie Regierungsmitglieder bestellt. Sie sind dem jeweiligen Minister weisungsgebunden und betreuen monothematische Fachbereiche innerhalb eines Ministeriums. Als Hilfsorgan unterstützen Ministerien, die mehrere Materien innehaben. So verantwortete Andrea Mayer (Grüne) unter Vizekanzler Werner Kogler die Bereiche Kunst und Kultur, während Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) die Tourismusagenden unter Wirtschaftsminister Martin Kocher betraute. Als verlängerter Arm des Ministers bringen sie die nötige Fachexpertise mit, um einem Bereich eines multi-thematischen Ministeriums beratend zur Seite stehen zu können – soweit in der Theorie. 

Der Wachhund

Dass sich im Posten-Poker nicht alle Koalitionsverhandler einig werden, zeigten die vergangenen Monate. Fehlendes Vertrauen oder gar Misstrauen hindern daran, dem politischen Konkurrenten ein Ministerium völlig zu überlassen – aus strategischer Sicht nachvollziehbar.

Staatssekretäre, mit einer anderen Parteifarbe, gibt es hauptsächlich in Ministerien, die besonders wichtig sind oder wo die ideologischen Differenzen zwischen den Parteien enorm groß ist.

Laurenz Ennser-Jedenastik

Politikwissenschafter

Um den gordischen Knoten zu lösen, ist der Staatssekretär der verhandlungstaktische Kompromiss, einen Aufpasser des Koalitionspartners im Ressort zu verankern. Einerseits, um einen direkten Draht ins Ministerium zu installieren. Andererseits, um die Arbeit der politischen Konkurrenz überwachen zu können. 

„Staatssekretäre, mit einer anderen Parteifarbe, gibt es hauptsächlich in Ministerien, die besonders wichtig sind oder wo die ideologischen Differenzen zwischen den Parteien enorm groß ist“, sagt Ennser-Jedenastik. Mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie errichteten sich die Grünen 2020, mit Leonore Gewessler an der Spitze, ein Megaressort samt üppigem Budget. An dem Ministerium hängen einflussreiche Staatsbetriebe wie Asfinag oder ÖBB. Mit Magnus Brunner, zuvor noch Vorarlberger Bundesrat, setzte die Volkspartei einen Gefolgsmann als Staatssekretär in das finanzstarke Ressort. Das Megaressort dürfte die neue Regierung übrigens auf mehrere Ressorts aufteilen. 

Dass die Regierungsbildung zwischen Blau und Schwarz zuletzt in die Brüche ging, ist dem mächtigen Innenministerium samt Polizeikompetenz geschuldet. Jenes Ministerium, das schon 2017 unter Kurz-Strache von Herbert Kickl geführt wurde. Unter der Bedingung, dass Karoline Edtstadler von der ÖVP als Staatssekretärin im Ministerium wacht, übergab die Volkspartei ihr traditionell beanspruchtes Ministerium nicht widerstandslos an die FPÖ. 

Umgekehrt beharrten die Freiheitlichen genauso auf ihren Staatssekretär im nicht minder mächtigen Finanzministerium. Hubert Fuchs (FPÖ) unterlagen unter dem ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) die Glücksspielagenden. Beide, Fuchs und Edtstadler, wurden so weit es ging vom Informationsfluss abgeschnitten.

So sehr der Koalitionspartner dem eigenen Ministerium einen Wachhund zur Seite stellen möchte, ist dieser letztlich zahnlos. Der Staatssekretär kann zwar die Arbeit des Regierungspartners beobachten, formal unterliegt er nichtsdestotrotz der Weisung des jeweiligen Ministers.

Die Kaderschmiede 

Wie man das Amt des Staatssekretärs allerdings für seine politische Karriere nutzen kann, zeigte Sebastian Kurz: Er startete 2011 als Staatssekretär im Innenministerium unter Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), bei einer Parteifreundin wohlgemerkt. Sein Fachbereich Integration ermöglichte es ihm, die Ministerin in europäischen Räten und Arbeitsgruppen zu vertreten – eine Möglichkeit, sich zu profilieren und mit dem Exekutivapparat vertraut zu machen. Der weitere Karriereweg ist bekannt: Außenminister, Bundeskanzler. 

Ein Erfolgsmodell, das die Volkspartei versucht zu wiederholen um ihren politischen Nachwuchs aufzubauen – wenn auch mit mäßigem Erfolg wie bei Florian Tursky. Als aussichtsreicher gilt hingegen Claudia Plakolm (ÖVP), die in den aktuellen Verhandlungen als zukünftige Familienministerin als gesetzt gilt. Auch sie schaffte als Staatssekretärin für Jugend und Zivildienst (und zuletzt Digitalisierung, übernommen von Tursky), den Sprung von der schwarzen Vorfeldorganisation JVP in die Bundespolitik.

Realpolitisch ist die Macht des Staatssekretärs begrenzt und nicht mehr als ein Posten in einem Ministerium, ob als Hilfsorgan für die eigenen Parteifreunde oder als Aufpasser der anderen. Wie das Amt als Sprungbrett für die eigene Karriere genutzt werden kann, machten bekannte ehemalige Staatssekretäre wie Kurz, Edtstadler und Co vor. 

Dass das Amt für die weitere politische Laufbahn nicht zwingend erfolgversprechend ist, zeigen hingegen die vielen Staatssekretäre, die sich während ihrer Amtszeit bisher weniger profilieren konnten. 

Kevin Yang

Kevin Yang

seit November 2024 im profil Digitalressort.