Zwei Männer und eine Frau stehen nebeneinander
Parteien

Mit Beginn der Regierungsverhandlungen radikalisiert sich die FPÖ weiter

ÖVP, SPÖ und NEOS starten ihre Verhandlungen. Im Nationalrat löste das einen Eklat aus. Mitte Jänner muss die Regierung stehen.

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Vergangenen Mittwoch, gegen 14 Uhr, stellen sich die Chefs von ÖVP, SPÖ und NEOS, Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger, mit ein paar Vertrauten an einen kleinen Stehtisch in der Cafeteria hinter dem Plenarsaal im Parlament. Um die nächste Koalitionsregierung geht es dabei nicht. Einberufen hat die inoffizielle Runde ÖVP-Klubobmann August Wöginger, den nach 22 Jahren im Parlament kaum etwas aus der Ruhe bringt. Jetzt schnaubt der Innviertler fast vor Empörung.

20 Minuten zuvor ist es im Plenarsaal des Nationalrats zum Eklat gekommen. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz verstieg sich in einer Rede zur Aussage, das Parlament sei in der Coronakrise von der Regierung „ausgeschaltet“ worden. Der Zweite Nationalratspräsident Peter Haubner, ÖVP, erteilte einen Ordnungsruf. Die Runde in der Cafeteria diskutierte über weitere Maßnahmen. Die von Wöginger im Plenum geforderte Entschuldigung verweigert Schnedlitz. Ganz rein ist dessen Gewissen ob des Vergleichs mit dem Jahr 1933, als Kanzler Engelbert Dollfuß durch die Ausschaltung des Parlaments die Demokratie in Österreich beendete, nicht. Für den Rest des Tages lässt sich der FPÖ-Generalsekretär nicht mehr im Plenarsaal blicken.

Formal war die Sitzung, die vergangenen Mittwoch im Parlament stattfand, die dritte der neuen Gesetzgebungsperiode. Tatsächlich handelte es sich um die erste mit ordentlicher Tagesordnung. In einer aktuellen Stunde diskutierten die Abgeordneten über die Wirtschaftspolitik; danach gab der Kanzler eine Erklärung ab; der neue Finanzminister Gunter Mayr präsentierte sich den Abgeordneten; ein Gesetz gegen Geldwäsche wurde beschlossen; letzter Tagesordnungspunkt war die Wahl der bisherigen Bezirkshauptfrau von Wels-Land, Elisabeth Schwetz, zur neuen Volksanwältin. Und zwischendurch schmetterten ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne einen Misstrauensantrag der FPÖ gegen die Bundesregierung ab.

Plenum in der Zwischenwelt

Und doch war es keineswegs eine normale Nationalratssitzung, sondern ein Plenum in der Zwischenwelt. Die alte, vom Bundespräsidenten mit der Amtsführung betraute Regierung kühlt langsam aus; die neue ist erst im Entstehen. Die Grünen sind noch Regierungspartei, müssen aber in Echtzeit dabei zusehen, wie sich die ÖVP in den roten und pinken Reihen neue Partner sucht. Eifersucht gibt es keine. Kurz vor Beginn der Sitzung zupft Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer ein paar Flankerl von Beate Meinl-Reisingers Blazer.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.