„Oligarchen“ und Interventionen: Straches geheime Außenpolitik
Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verbrachte als Vizekanzler viel Zeit am Smartphone. profil liegen mehr als 200 neue Seiten an Chats aus Straches Handy vor. Neben blauen Postenwünschen etwa im Verteidigungsministerium beschäftigten den früheren Sportminister aber auch Österreichs Beziehungen ins Ausland, konkret vor allem nach Serbien, Ungarn – und Russland. Die Chats zeichnen Strache 2019 als emsigen Vermittler für österreichische Unternehmen in Osteuropa. Der damalige Vizekanzler hatte zudem ein offenes Ohr für russische Investoren in Österreich.
Heinz-Christian Strache, „Oligarchen“ und ein offenbar befreundeter Russisch-Übersetzer: Der Ex-FPÖ-Chef ging nicht nur 2017 in Ibiza einer angeblichen Oligarchennichte auf den Leim, sondern machte sich auch als Vizekanzler 2019 einen Termin mit russischen „Oligarchen“ (Zitat aus den Chats) aus. Das entsprechende Treffen war derart „geheim“, dass Strache auf österreichische Übersetzer verzichtete und sich stattdessen auf einen damaligen Berater des serbischen Außenministers Ivica Dačić verließ.
Strache hatte Dačić zum Opernball am 28. Februar 2019 eingeladen. Spätestens ab dann nutzte Strache dessen Berater augenscheinlich als Kontaktmann, um österreichische Firmen am Balkan zu unterstützen. So schrieb Strache einem Vertreter eines heimischen Unternehmens, er habe über den Berater „in einer neuen Shoppingmall einen Laden“ organisiert. „! Du bist Spitze!“, dankte der Unternehmer dem damaligen Vizekanzler.
Oligarchen statt Malteser
Doch Strache setzte sich laut den Chats nicht nur für heimische Unternehmen ein. Auch für russischsprachige „Oligarchen“ fand der Ex-FPÖ-Chef Zeit: Anfang März 2019 erkundigte sich Strache bei dem Berater nach einer „Investoren-Gruppe aus Malta“. Der Berater des serbischen Außenministers klärte auf – und bat um Vertraulichkeit:
Die VTB Capital ist eine russische Investmentbank, die zur VTB Bank, der zweitgrößten teilstaatlichen Bank in Russland, gehört. Die europäische Tochter der VTB Bank soll noch im April 2021 einen 80 Millionen Euro schweren Kredit an die „LeiKi Immobilien Beteiligung GmbH“ vergeben haben, wie profil im Jänner berichtete. Über die „LeiKi“ hielt René Benkos Signa indirekt das Eigentum an den Immobilien der kika/Leiner-Möbelhausgruppe. Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde die VTB Bank wie zahlreiche weitere russische Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Seit April 2022 steht sie auf der EU-Sanktionsliste, die VTB Europe wurde vor einem Jahr liquidiert.
Diese Entwicklungen konnte Strache 2019 wohl kaum erahnen. Die USA hatten den Vorstandsvorsitzenden der VTB, Andrey Kostin, allerdings bereits 2018 sanktioniert. Im Februar 2022 legten die Vereinigten Staaten nach und warfen dem Russen zudem Geldwäsche und die Umgehung der Sanktionen gegen Russland vor.
Für Strache war der Sprung von maltesischen zu russischen Investoren offenbar kein Problem, im Gegenteil: Der damalige Vizekanzler wandte sich nur einen Tag später an einen österreichischen Unternehmer, den er unter anderem mit dem Zusatz „Ibiza“ abgespeichert hatte:
Als der Unternehmer Interesse zeigte, bat Strache ihn, sich „nächste Woche Donnerstag“ (gemeint: am 21. März 2019) Zeit zu nehmen: „Termin mit möglicher Invest-Gruppe!“. Zumindest dieser Unternehmer dürfte an dem Treffen nicht beteiligt gewesen sein: Er war laut Chats ab Mittwoch, 20. März 2019 „leider in Dubai“.
Sprachbarrieren
Mit den „russischen Investoren” hat der damalige Vizekanzler Strache dennoch einen Termin vereinbart – auf Bitten des serbischen Beraters ohne österreichischen Übersetzer:
Was hatte der damalige Vizekanzler Österreichs mit den Russen zu besprechen? Warum war dieses vereinbarte Treffen derart geheim? Und wieso verlässt sich ein offizieller Vertreter der Republik Österreich als Übersetzer auf einen Berater eines Drittstaates?
Strache schweigt
Laut Außenministerium ist es „nicht ungewöhnlich, dass bei sprachlichen Schwierigkeiten oder technisch spezialisierten und anspruchsvollen Themen Mitglieder der Delegation das Dolmetschen übernehmen“. Allerdings: Serbiens Außenminister Dačić habe an dem Treffen nicht teilgenommen, teilt sein Büro profil auf Anfrage mit. Man habe weder schriftliche Informationen noch mündliche Kenntnisse über den Termin.
Der Berater, der den Termin eingefädelt und angeboten hatte, für Strache zu übersetzen, ist im Juni letzten Jahres verstorben. Heinz-Christian Strache ließ eine umfangreiche Anfrage von profil unbeantwortet. Somit bleibt offen, was er bei dem „geheimen“ Treffen genau mit wem besprechen wollte. Den „russischen Investoren“ wird das nur recht sein.
„Wir sehen, dass der ehemalige FPÖ-Vizekanzler sehr viel Tagesfreizeit für dubiose Immobilienvermittlungen rund um russische Geldgeber aufgewendet hat”, sagt Yannick Shetty, NEOS-Fraktionsführer in den U-Ausschüssen. Nach der Wahl werde „eine umfassende Aufarbeitung der österreichisch-russischen Verstrickungen unumgänglich sein”.
Österreichisch-ungarische Zusammenarbeit
Für dasselbe österreichische Unternehmen wie in Serbien machte sich Strache auch in Ungarn stark – offenbar auf höchster Ebene und mit Erfolg:
Setzte sich Strache hier einfach nur für österreichische Firmen im Ausland ein? Nachdem Strache dem Unternehmer die positive Reaktion aus Ungarn weiterleitete, schrieb der damalige Vizekanzler:
Als ein anderer österreichischer Unternehmer Unterstützung bei einer Firmenansiedlung in Ungarn sucht, schreibt Strache den ungarischen Kanzleiminister Gergely Gulyás gar direkt an. Wie Serbiens Außenminister Dačić war Gulyás 2019 Straches Gast am Opernball. Der österreichische Unternehmer wollte dies nutzen: Sein Projekt sei „abhängig von Budapest” schrieb er Strache, und: „Wenn dein heutiger Ball-Gast Minister Gulyas die Ansiedlung unterstützt, wäre ich froh!“
Strache leitet diese Nachricht direkt an Viktor Orbáns Kanzleiminister weiter:
In weiterer Folge organisiert Strache dem Unternehmer auch eine Kontaktadresse zum ungarischen Minister.
Russischer Botschafter
Dass Strache keine Berührungsängste zu Russland hatte, wird noch in einem weiteren Chat deutlich: Der frühere FPÖ-Chef hat die Angewohnheit, Telefonnummern in seinem Handy mit eindeutigen Schlagworten einzuspeichern. Einer seiner Kontakte heißt: „Werner M. – Russland“ (Abkürzung durch profil, Anm.). Der Kontakt war jahrelang Präsident des Vereins „Opora Europe“, der sich der „Förderung und Unterstützung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen russischen und europäischen Unternehmen“ verschrieben hatte.
Auch wenn M. selbst keine offiziellen Funktionen bei den Freiheitlichen bekleidete, fühlte er sich der Partei augenscheinlich zugehörig. An Strache schrieb er im März 2019, der Vizekanzler möge für die Beförderung eines Botschafters zum Personalchef im Außenministerium intervenieren. Der Kandidat sei laut M. „sehr affin zu uns, war immer extrem hilfreich und hat immer dichtgehalten“. Er wäre für „Aufbau Personaldecke immens wichtig“.
Gemeint ist wohl: Ein blaues Netzwerk im Außenamt.
Strache gab die Intervention sofort an die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl weiter – zwei Monate später platzte allerdings die türkis-blaue Koalition und damit wohl auch der Beförderungsplan.
Warum ließ sich Strache bei heiklen Personalentscheidungen im Außenamt von einem Mann beraten, der offenbar beste Kontakte nach Russland unterhielt?
Der Ex-Vizekanzler ließ auch diese profil-Anfrage unbeantwortet.
Fest steht: Mehrere blaue Spitzenfunktionäre waren Teil des Opora-Vorstandes. Russland-Verbindungsmann M. dürfte auch einen guten Draht zum Tiroler FPÖ-Nationalrat Gerald Hauser gehabt haben. 2012 erzählten M. und Hauser den Regionalmedien, dass sie wöchentlich 250 russische Touristen ins Osttiroler Defereggental bringen wollen. Sechs Jahre später lotste das Duo eine russische Wirtschaftsdelegation nach Tirol. Beim Gipfel waren auch ÖVP-Politiker und Skilegende Karl Schranz vertreten.
Der Verein Opora wurde 2021 freiwillig aufgelöst. Die Gründe dafür bleiben offen. „Werner M. – Russland“ war für profil telefonisch nicht erreichbar.