Operation Luxor: Nehammers Debakel
Ein verschärftes Islamgesetz. Geschlossene Moscheen. Ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen. Wertekurse. Ein geplanter Straftatbestand gegen den „politischen Islam“ – Maßnahmen, die auf Musliminnen und Muslime abzielen, waren in der Ära von Sebastian Kurz ein opportunes Mittel, um mit Stimmen von rechts Wahlen zu gewinnen.
Doch was am 9. November 2020 geschah, hatte nichts mehr mit populistischer Politik zu tun. An diesem Tag rollte eine der größten Polizeiaktionen der Zweiten Republik an: Insgesamt 21.000 Stunden lang hatten Beamte die Zielpersonen observiert, ehe an jenem Montagmorgen 960 Polizisten in vier Bundesländern ausrückten und in rund 60 Wohnungen, Geschäfts- und Vereinslokalen Razzien durchführten. 70 Verdächtige standen im Fokus, 30 Personen wurden festgesetzt und zur sofortigen Vernehmung vorgeführt. Der Name des gigantischen Unternehmens: Operation Luxor.
Karl Nehammer, damals Innenminister, hatte sich im Morgengrauen PR-bewusst an der Seite der Polizisten fotografieren lassen. Am Nachmittag, nach dem Ende der Operation, setzte er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter eine Meldung ab, in der er von einem „entscheidenden Schlag gegen die Muslimbruderschaft und gegen die Hamas in Österreich“ sprach. Ziel der Aktion seien Personen gewesen, die im Verdacht der Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung und einer kriminellen Organisation sowie der Terrorismusfinanzierung und der Geldwäscherei stünden.
Für Nehammer war es ein dringend nötiger Befreiungsschlag. Eine Woche zuvor hatte ein in Österreich geborener 20-jähriger Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ bei einem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschossen und mehr als 20 verletzt. Der Innenminister war unter Druck, seine Behörden hatten wichtige Hinweise übersehen. Die Operation Luxor war geeignet, seinen Ruf als Kämpfer gegen den Islamismus wiederherzustellen.
Ex-Innenminister Karl Nehammer führte sich die Operation Luxor genau zu Gemüte. In einer Pressekonferenz verkündete er danach, die Wurzeln des politischen Islam seien erfolgreich gekürzt worden.
Heute, zweieinhalb Jahre später, ist von den Vorwürfen kaum etwas übrig. Nach und nach stellt sich heraus, was diesem gestrickten Skandal zugrunde liegt: Es geht um befangene Gutachter, willfährige Verfassungsschützer, ein fragliches EU-Volksbegehren – und einen Islamforscher, der im Verdacht steht, Geld von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) für seine Arbeit über angebliche Mitglieder der Muslimbruderschaft in Österreich bekommen zu haben.
Rückblende. Sommer 2017, es herrscht Wahlkampf, im Oktober wird der Nationalrat neu gewählt. Die Umfragen sind eindeutig, die ÖVP hat mit ihrem neuen Parteiobmann Sebastian Kurz die besten Chancen. Kurz tourt durch Österreich und spielt sein Erfolgsprogramm: Migrationsstopp, Flüchtlingsstopp, Kampf gegen die Islamisierung des christlichen Österreich. Er trifft damit die Stimmung im Land.
Zur selben Zeit wird von Österreich ausgehend ein EU-weites Volksbegehren gestartet: „Stop Extremism“ hat sich den Kampf gegen den radikalen, politischen Islam auf die Fahnen geschrieben und in mehreren Ländern Kampagnen aufgesetzt. Es gilt, in mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten insgesamt eine Million Unterschriften zu sammeln. Federführend dabei: Efgani Dönmez, der auf der Liste von Sebastian Kurz kandidiert und später für die ÖVP als Abgeordneter in den Nationalrat einzieht. Hunderte profil vorliegende Chats belegen, dass es hinter den Kulissen um mehr ging als den Kampf gegen Extremismus. Auf der Agenda steht Lobbying gegen die Muslimbruderschaft und deren Unterstützer. Dönmez fasste es damals in einem Chat so zusammen: „Türkei = bad, Katar = bad, Saudis = good“. Ein Scherz, wie er später behauptet – tatsächlich aber transportiert er in der Öffentlichkeit genau diese Botschaft. Die PR-Kampagne für die Europäische Bürgerinitiative richtet sich auch gegen einzelne Personen, gegen die koordiniert Stimmung gemacht wird. Einer davon ist der österreichische Politikwissenschaftler Farid Hafez. So treffen sich die Interessen der Betreiber des Volksbegehrens und die der ÖVP-geführten Regierung: Hafez ist am 9. November 2020 eine der Zielpersonen der Operation Luxor.
Die Spur führt in die Emirate
An Lobbyingaktionen gegen die Muslimbruderschaft hat nicht nur die türkise ÖVP ein Interesse. Unter arabischen Golfstaaten tobt ein Streit zwischen jenen, die der Muslimbruderschaft zugetan sind und jenen, die diese bekämpfen. Konkret: zwischen Katar, das die Muslimbrüder während des Arabischen Frühlings unterstützte, und den Vereinigten Arabischen Emiraten, deren Königshäuser sich von der Revolutionswelle der Islamisten bedroht fühlten.
Die Muslimbruderschaft ist eine 1928 in Ägypten entstandene Bewegung, die sich in andere Länder verbreitet hat und als eine der einflussreichsten islamischen Strömungen gilt. Ihr Ziel ist die Umformung der Gesellschaft nach islamischen Moralvorstellungen und die Errichtung eines Staates, der auf den Prinzipien des islamischen Rechts – der Scharia – beruht. Seit rund 60 Jahren ist die Bewegung auch in westlichen Ländern vertreten, um ihre Vorstellungen hier voranzutreiben. Wer ihr angehört oder nicht, ist schwer nachweisbar, da es sich um keinen eingetragenen Verein handelt.
Tatsächlich gibt es Belege für Verbindungen zwischen der Initiative „Stop Extremism“ und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ingo F. ist ein Politikwissenschafter, der die Österreichische Gesellschaft für Politikanalyse leitet, ein Verein, der hinter „Stop Extremism“ stand. Ingo F. arbeitete in der Vergangenheit an der Universität von Abu Dhabi und ist heute dort Berater für ein Regierungsamt. Er bestreitet also seinen Lebensunterhalt mit Geld aus dem Golfstaat. Das Volksbegehren „Stop Extremism“ soll jedoch laut Aussage von Ingo F. nicht von Geldern aus anderen Ländern unterstützt worden sein.
Efgani Dönmez, einer der Initiatoren, behauptete im Herbst 2017, dass dem Volksbegehren etwa 20.000 Euro an Spendengeld zur Verfügung stünden. Schon damals fällt auf: Der finanzielle Aufwand muss deutlich höher sein. Es gab Veranstaltungen, Kampagnen – und Beraterverträge. Ein solcher, in der Höhe von rund 185.000 Euro, liegt profil vor. Heute weiß man: Dönmez hat damals nicht die Wahrheit gesagt. Die Spenden für eine Europäische Bürgerinitiative müssen bei der EU-Kommission gemeldet werden, und so stellte sich heraus, dass Stop Extremism am Ende 241.000 Euro an offiziellem Spendengeld eingenommen hatte, wie heute auf der Website zu lesen ist. Allein 117.000 Euro kamen von Ingo F.s Verein.
Nehammer bei der Razzia
Karl Nehammer wohnt der Razzia am 9. November 2020 bei. Eine Woche zuvor hat ein islamistischer Terrorist in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschossen. Nehammer braucht dringend gute PR.
Der Experte und seine Auftraggeber
September 2017. Während Stop Extremism mit großen Kampagnen auf Unterschriftenjagd geht, schreibt ein italienisch-amerikanischer Islamismus-Experte an einer Studie über die Muslimbruderschaft in Österreich. Sein Name: Lorenzo Vidino. Sein Auftraggeber: Der zum Außenministerium (Minister ist damals Sebastian Kurz) ressortierende Integrationsfonds und das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Das Honorar: ein hoher fünfstelliger Betrag. Das Werk wird im September 2017 präsentiert, vielleicht nicht ganz zufällig kurz vor der Nationalratswahl.
Vidinos Arbeit wird schon kurz nach Erscheinen massiv kritisiert. Er rechnet darin prominente Personen des muslimischen österreichischen Lebens der Muslimbruderschaft zu, diese fühlen sich verleumdet und sprechen von Rufmord. Die Auftraggeber hingegen scheinen zufrieden zu sein. Vidinos Studie wird später auch Hauptgrundlage für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Graz im Zusammenhang mit der Operation Luxor sein.
Auch Vidino ist im Emirat Abu Dhabi gut vernetzt. Man findet seinen Namen etwa im Team des dort angesiedelten Thinktanks Hedayah, der sich – wie Stop Extremism – dem Kampf gegen gewaltbereiten Extremismus verschrieben hat. Der Thinktank mutet international an, es stehen ihm aber hauptsächlich Vertreter der dort herrschenden Königshäuser vor.
Eine Recherche des französischen Investigativmediums „Mediapart“ wirft nun ein neues Schlaglicht auf Vidinos Arbeit. „Mediapart“ enthüllt mithilfe geleakter Daten und Zeugenaussagen, dass der Geheimdienst einer ausländischen Macht in Frankreich, aber auch in ganz Europa, klandestine Beeinflussung betreibt. Konkret: die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Deren Aktivitäten werden laut „Mediapart“-Recherchen von einem in der Schweiz ansässigen Wirtschaftsnachrichtendienst koordiniert: Der „Alp Service“ soll besondere, nachrichtendienstliche Missionen für seine Kunden – darunter der Geheimdienst der VAE – durchgeführt haben. „Mediapart“ beschreibt, wie ein Nebel an Falschinformationen verbreitet wurde, um den Gegnern der Arabischen Emirate zu schaden. Und das ist vor allem der Erzfeind Katar – bis vor Kurzem der wohl mächtigste Unterstützer der Muslimbruderschaft.
Auch Katar bedient sich in diesem Disput durchaus zweifelhafter Methoden. Im Dezember des vergangenen Jahres platzte ein Korruptionsskandal im Europäischen Parlament, im Zuge dessen mehrere Abgeordnete, darunter die Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili, wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verhaftet wurden. Mutmaßliche Quelle des Bestechungsgelds: Katar.
Efgani Dönmez
Efgani Dönmez war einst Abgeordneter bei den Grünen, er wechselte dann auf die Liste Kurz, für die er in den Nationalrat einzog. Er trieb das Volksbegehren "Stop Extremism" federführend voran.
Geld vom arabischen Geheimdienst
Auf der Payroll des privaten Nachrichtendienstes Alp, der im Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate tätig ist, findet sich wiederum Lorenzo Vidino. Er hat im Jahr 2018 einen Beratervertrag mit Alp abgeschlossen und sagt dazu gegenüber „Mediapart“: „Ich berate oft Einrichtungen wie Anwaltskanzleien, Beratungsfirmen, PR-Firmen, private Unternehmen, also ist es für mich wie für viele andere Forscher nichts Ungewöhnliches.“ Er versichert, dass er die Identität der Klienten von Alp nicht kennt. „Meine Beziehung bestand zu Alp, und ich habe keine Ahnung, was sie mit meiner Forschung gemacht haben.“ Er betrachte das Geld, das er vom privaten Geheimdienst bekommen hat, nicht als kompromittierend. Gegenüber profil sagt Vidino, dass er rund 3000 Euro bekommen habe. Dafür habe er ein paar Memos über die Muslimbruderschaft, Trends und das wichtigste Who is Who abgeliefert. „Ich tue so etwas regelmäßig, auch für Ihre Regierung, wie Sie wissen.“
Auch das US-Magazin „New Yorker“ berichtet über Vidino und dessen Beziehung zu Alp. Da ist etwa die Rede von einem 1000-Dollar-Essen im Beau Rivage Hotel in Genf mit dem Alp-Chef. Danach unterschrieb Vidino seinen Vertrag, lieferte Namenslisten und Gerüchte rund um die genannten Personen ab. Der „New Yorker“ schreibt von 13.000 Euro, die belegbar an Vidino geflossen seien. Er soll Alp auch Informationen versprochen haben, die er bei der Beratung europäischer Sicherheitsdienste über islamistische Bedrohungen erhalten hatte.
Was tat Alp mit diesen Infos? Der private Nachrichtendienst lieferte rund 50 Namen als Ziele an die VAE. Zwischen August 2017 und Juni 2020 sollen rund 5,7 Millionen Euro für Lobbying, Factfinding und das Streuen von Falschinformationen geflossen sein. Eine Anfrage von profil ließ Alp bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Trotz dieser neuen Erkenntnisse über Vidino ist er in Österreich als Experte fest im Sattel. Er gehört dem wissenschaftlichen Beirat der Dokumentationsstelle Politischer Islam an. Die wurde noch unter der FPÖ-ÖVP-Koalition geplant und unter Kultus-Ministerin Susanne Raab umgesetzt. Im Beirat sitzt außerdem der Historiker Heiko Heinisch. Auch sein Name findet sich schon in den internen Unterlagen zu Stop Extremism als möglicher Unterstützer – Heinisch sagt gegenüber profil jedoch, er habe nie etwas damit zu tun gehabt. Bekannt ist Heinisch für viele islamkritische Texte, die er meist in Medien publiziert, oft gemeinsam mit der Politikwissenchaftlerin Nina Scholz. Und er arbeitete außerdem mit Vidino an einer Studie.
Am 21. April 2020, ein halbes Jahr vor den Razzien, bestellt der Grazer Staatsanwalt Johannes Winklhofer Heinisch und Scholz zu den Gerichtsgutachtern seines neuen, großen Falls: die Operation Luxor. Die Ermittlungen basieren laut Akt einerseits auf Vidinos Studie und auf zwei Berichten des Verfassungsschutzes, die ihrer Meinung nach bedenkliche Vorwürfe rund um gewisse Personen beschreiben. Heinischs Gutachten wiederum wird später vielfach im Hausdurchsuchungsbefehl als Grundlage zitiert.
Lorenzo Vidino
Der Amerikanisch-italienische Forscher Lorenzo Vidino bekam 2017 seinen ersten großen Auftrag von der öffentlichen Hand. Er veröffentlichte eine Studie über die Muslimbruderschaft in Österreich, die massiv kritisiert wurde.
Willfährige Verfassungsschützer
Noch einmal zurück ins Jahr 2018. Die türkis-blauen Koalitionsverhandlungen waren erfolgreich, mit dem neuen Jahr startet im Innenministerium eine neue Ära: FPÖ-Mann Herbert Kickl ist frischgebackener Minister. Zur großen Freude von Ingo F., der mit der blauen Führungsriege gut bekannt ist. Die Intentionen seines Volksbegehrens decken sich mit deren Interessen, er hat jetzt einen Mitstreiter auf oberster politischer Ebene für sein Anliegen: der Kampf gegen den politischen Islam und besonders gegen die Muslimbruderschaft.
Auch im zum Innenministerium ressortierenden Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) interessiert man sich mit dem Jahres- und Ministerwechsel plötzlich intensiv für das Thema. Laut profil-Informationen werden im Jänner eilig Arbeitsgruppen einberufen und bei Besprechungen lange Personenlisten verteilt. Darauf sollen sich auch die Namen von Kindern und Jugendlichen befunden haben. Die Beamten werden angewiesen, Strukturermittlungen durchzuführen. Mehrere Staatsschützer bezeichnen die Ermittlungen gegenüber profil als „politisch motiviert“. Sie hätten keinen Anfangsverdacht erkennen können und das gegenüber ihren Vorgesetzten so formuliert. Ihre Einwände wurden nicht beachtet: Sie mussten den Anweisungen Folge leisten.
Nachdem die Ära Kickl mit dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos im Frühsommer 2019 jäh endet, zeigen die Beamten einen Vorgesetzten an, der ihrer Meinung nach besonders viel Druck gemacht hat, der unter Türkis-Blau auch Karriere machte. Nach internen Streitigkeiten und Kickls Abgang wird er schließlich ins Innenministerium versetzt. Eine Anfrage von profil ließ er vergangene Woche unbeantwortet.
Der 9. November 2020
Die Haustür des Politikwissenschaftlers Farid Hafez wird eingetreten. Schwer bewaffnete Polizisten stürmen die Wohnräume des Islam-Forschers, seine Kinder geraten in Panik. Dasselbe geschieht bei einer Familie in Wien Liesing, deren Kinder das verstörende Ereignis zu Bettnässern gemacht hat, bis heute können sie nur einschlafen, wenn im Zimmer Licht brennt.
Bei einer weiteren Razzia in einem Haus in Niederösterreich müssen Jugendliche laut Zeugenberichten am Boden knien. In einer weiteren Wohnung im zweiten Wiener Bezirk herrscht nach der Polizeiaktion pures Chaos: Aus dem Kasten gerissene Kleider liegen überall verstreut, Küchenutensilien wurden auf den Boden geschmissen. Eine Lampe ist aus der Fassung gerissen – die Tochter eines Beschuldigten dokumentierte das Vorgehen per Video und spielte es profil zu.
Der Skandal bleibt ohne Konsequenzen
2023, mehr als zwei Jahre nach der Nacht der Razzien. Ein Großteil der Hausdurchsuchungen wurde von Gerichten mittlerweile als rechtswidrig befunden. Beschlagnahmtes Vermögen musste seinen Besitzern zurückgegeben werden. Die Hauptbeschuldigten sind keine mehr – die Liste von mehr als 100 Verdächtigen ist massiv geschrumpft. Das vernichtende Urteil der übergeordneten Instanzen in etlichen Fällen: Es gebe keine stichhaltigen Beweise, dass die Verdächtigen der Muslimbruderschaft angehörten. Und selbst wenn, wäre auch das kein Anlass für Strafverfolgung, es ist nämlich nicht verboten. Die Muslimbruderschaft sei eine breite Bewegung, man könne sie unmöglich zur Gänze als radikal oder gar terroristisch bezeichnen. Der Verdacht der Terrorfinanzierung hat sich ebenso wenig erhärtet.
Heiko Heinisch und Nina Scholz wurden als Gerichtsgutachter abberufen. Das Oberlandesgericht Graz ortete Befangenheit. Der Dokumentationsstelle Politischer Islam ist das offenbar egal. Heinisch sitzt dort laut Homepage wie gehabt im Beirat – wie Vidino, der dort erst diesen Herbst wieder eine Studie zur Muslimbruderschaft in Österreich und Deutschland publizieren durfte. Da lagen allerdings schon etliche Urteile zur Operation Luxor und dessen Rechtswidrigkeit vor. Heiko Heinisch bekommt weiter öffentliche Gelder für seine Studien. Er hat gerade eine Arbeit über die Situation in Moscheen für den Integrationsfonds veröffentlicht.
Das Volksbegehren Stop Extremism war erfolgreich, es konnten 1.068.793 Unterschriften dafür gesammelt werden, die Initiatoren durften ihre Ideen auf oberster politischer EU-Ebene vorstellen, wurden auf Podien und in Diskussionsveranstaltungen eingeladen. Aufgrund von Hinweisen, dass es bei der Finanzierung nicht mit rechten Mitteln zugegangen sein könnte, kündigte die Kommission jedoch inzwischen an, weitere Unterlagen von den Initiatoren einzufordern – profil liegt ein entsprechender Mailverkehr dazu vor.
Sonst erregt der Fall „Operation Luxor“ kaum Aufsehen. Die Grüne Justizministerin Alma Zadic, selbst Muslimin, will sich zu laufenden Ermittlungen nicht äußern und sich auch nicht einmischen. Konsequenzen dafür, dass die größte Polizeiaktion ein kompletter Schlag ins Wasser war, gibt es keine. Nicht für den Staatsanwalt, noch weniger für die politisch Verantwortlichen.
Politisch gesehen bleibt die Aktion ein voller Erfolg. Karl Nehammer blieb weiter Innenminister und ist heute Kanzler. Auf profil-Anfrage will er sich akutell zum Fall nicht äußern. Die Causa stand seinem Karrieresprung nicht im Weg, ganz im Gegenteil. Bis auf die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper, die immer wieder Anfragen zur Operation Luxor einbringt, interessiert sich niemand für die Causa. Wenn in Österreich Muslimen, zumal konservativen Muslimen, Unrecht getan wird, regt sich deshalb kaum Kritik.
Kanzler Karl Nehammer pflegt dafür weiter seine guten Kontakte nach Abu Dhabi. Erst im März vergangenen Jahres reiste er in die VAE, traf dort Minister Sultan bin Ahmed Al Jaber und twitterte: „Nach dem Terroranschlag in Wien haben wir die Zusammenarbeit noch weiter ausgebaut, um unsere Gesellschaften zu schützen.“ Auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat beste Kontakte in die Emirate und nutzt diese auch beruflich.
Das offizielle muslimische Leben in Österreich hat einen Dämpfer bekommen. Es ist leise geworden, mit seinen Anliegen tritt man momentan lieber nicht öffentlich auf – ein guter Nährboden für Radikalisierung und Extremismus.
Eine Nacht mit Folgen
Die Beschuldigtenliste wuchs zwischenzeitlich auf mehr als 100 Personen an. Es ging um Terrorfinanzierung und Geldwäsche - die Vorwürfe zerbröseln.
Farid Hafez hat Österreich verlassen. Er lebt jetzt in den USA, hat dort einen neuen Job. In Österreich habe er sich nicht mehr wohl gefühlt, er brauche einen Neuanfang für sich und seine Familie, sagt er gegenüber profil. Andere, einst Beschuldigte, schaffen das noch nicht. Das Vorgehen der Justiz haben sie ihre Existenz gekostet – sie flogen aus ihrem Job und haben wegen der enormen Rechtsanwaltskosten hohe Schulden. Der Staat ersetzt den Schaden nicht, der durch seine zu Unrecht erhobenen Beschuldigungen entstanden ist.
Der Schock sitzt bei vielen noch immer tief: „Ich habe immer versucht, meinen Kindern zu vermitteln, dass dies ein gutes Land ist. Dass hier Recht und Ordnung gilt. Wenn sie ein Polizeiauto sehen, fangen sie zu weinen an. Innerlich dreht es mir den Magen um, aber trotzdem sage ich, dass sich die Polizei damals geirrt hat, als sie bei uns war. Und dass die Polizisten trotzdem die Guten sind. Ich glaube aber, für uns wird gar nichts mehr jemals wieder gut nach diesem Erlebnis“, sagt ein ehemaliger Beschuldigter, der seinen Namen nicht mehr in der Zeitung lesen will. Das war früher anders. Der Mann hatte sich immer leidenschaftlich für den Dialog zwischen den Religionen engagiert, auch bei öffentlichen Auftritten. Jetzt ist sein Name mit einem Stigma behaftet, das er wohl nie wieder loswird.