ORF: Das skurrile Agieren des FPÖ-Stiftungsrats Norbert Steger
Zum Streiten gehören angeblich immer zwei. So sehen das auch Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Medienminister Gernot Blümel. Nach den jüngsten Attacken der FPÖ gegen den ORF ließ Blümel verlautbaren, „ein Zurückfahren der Emotionen und der Aufgeregtheit auf allen Seiten wäre dienlich“. Auch Kurz riet nach dem Ministerrat vergangenen Mittwoch allen Beteiligten, „mit den Emotionen runterzukommen“.
Was der Kanzler und sein Medienminister geflissentlich übersahen: Für den aktuellen Streitfall reichte eine Beteiligte – die FPÖ. Endlich in der Regierung, wollen die Freiheitlichen nun auch im ORF mitspielen. An vorderster Front: Norbert Steger, 74, Ex-FPÖ-Obmann, Ex-Vizekanzler, aktuell von der FPÖ entsandtes Mitglied im ORF-Stiftungsrat, dem 35-köpfigen Aufsichtsgremium des Rundfunks, in dem seit der Wahl 2017 nicht mehr die SPÖ, sondern die ÖVP dominiert.
Vergangene Woche räsonierte Steger in den „Salzburger Nachrichten“ zunächst über die Streichung eines Drittels aller ORF-Auslandskorrespondenten. Dann schwadronierte er im „Kurier“ über einen „politischen Endkampf für linke Ideen“ in den ORF-Redaktionen. Zu profil meinte er, er habe lediglich dazu aufgerufen, dass „im ORF korrekt informiert“ werde.
Schüsse ins eigene Bein
Der Regierungswechsel von Rot-Schwarz zu Schwarz-Blau verleiht Steger neue Macht. Seine Schüsse auf den ORF gehen allerdings ins eigene Bein. Sowohl Kurz als auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache dürften irritiert gewesen sein: Kurz, weil er vor Beginn der EU-Präsidentschaft keine Debatte über eine „Orbanisierung“ der Medienpolitik braucht; und Strache, weil dieser sich erst vor Kurzem peinlicherweise beim ORF wegen überzogener Kritik entschuldigen musste.
Überdies dürfte Steger seinen eigenen Karrierewünschen geschadet haben. Laut einer vertraulichen Absprache zwischen ÖVP und FPÖ soll Steger am 17. Mai vom Stiftungsrat zum neuen Vorsitzenden gewählt werden. Stegers erklärtes Ziel in der Spitzenfunktion ist ein neues ORF-Gesetz. Dieses könnte 2019 beschlossen werden – und Steger danach zurücktreten. Laut Vereinbarung soll der Stiftungsratsvorsitz dann an die ÖVP gehen, vermutlich an den Sprecher der schwarzen Fraktion im Stiftungsrat, Thomas Zach. Dieser hat also großes Interesse daran, Steger zu halten.
Unter den ÖVP-Stiftungsräten im Westen herrscht allerdings Unmut ob der Personalie Steger. Der Vertreter Tirols, Josef Resch, gegenüber profil: „Man stelle sich vor, ein möglicher Aufsichtsratspräsident eines Autokonzerns erklärt öffentlich, dass seine Designerabteilung nur hässliche Autos entwirft und daher ein Drittel der Mitarbeiter gehen soll. Nützlich für ein Unternehmen ist das nicht.“ Matthias Limbeck, der Vertreter des Landes Salzburg, forciert offen einen ÖVP-Alternativkandidaten, den bisherigen stellvertretenden Stiftungsratsvorsitzenden Franz Medwenitsch. Limbeck: „Der Vorsitzende des Stiftungsrats muss mit dem ORF und dessen Geschäftsführung in einem konstruktiven Dialog stehen. Kontrolle, strategischer Ausblick, Managementfähigkeiten und soziale Kompetenz sind wichtige Kriterien. Medwenitsch erfüllt dies und ist für diese Funktion sehr gut geeignet.“
Wackelt schwarz-blaue Mehrheit im Stiftungsrat?
Thomas Zach hat damit ein veritables Problem. Nach Ansicht des parteiunabhängigen Kärntner Stiftungsrats Siggi Neuschitzer könnte sogar die schwarz-blaue Mehrheit im Stiftungsrat wackeln. Um die Steger-kritischen Stiftungsräte aus dem Westen doch noch zu überzeugen, müssen Zach, Blümel und wohl auch Sebastin Kurz persönlich bei den Betroffenen oder den übergeordneten ÖVP-Landeshauptleuten intervenieren.
Kampflos wird Norbert Steger auf sein Wunschamt nicht verzichten. Der frühere Vizekanzler gilt als geschickter Netzwerker. Mit Gerhard Anderl schickte die Regierung im Februar einen alten Steger-Bekannten aus gemeinsamen Tagen bei den Wiener Sängerknaben in den Stiftungsrat. Für den kürzlich ausgeschriebenen Job des ORF-Personalchefs wird die Direktorin der Wiener Rechtsanwaltskammer, Sabine Schuh, gehandelt, eine Human-Resources-Expertin, die als frühere Steger-Mitarbeiterin wohl auch mit dessen Fürsprache rechnen kann.
Auch auf der Kandidatenliste neuer ORF-Publikumsräte (des Beirats der Hörer und Seher, Anm.) findet sich ein interessanter Name: Christoph Erler. Der Wiener Rechtsanwalt ist Ehemann von Stegers zweiter Tochter Angela. Gegenüber profil meint Erler: „Auch wenn mich die Tatsache, dass ich für dieses Ehrenamt in Betracht gezogen werde, persönlich sehr freut, bin ich nicht dazu bestellt.“ Daher sei es seines Erachtens „nicht sinnvoll, zum jetzigen Zeitpunkt Stellung zu nehmen“. Sollte er „tatsächlich zum Publikumsrat bestellt werden“, stehe er aber „sehr gerne“ für journalistische Anfragen „zur Verfügung“.
Norbert Steger hält gegenüber profil fest, es sei nicht seine Sache, ob sein Schwiegersohn in den ORF-Publikumsrat bestellt werde. Jedenfalls halte er es nicht für problematisch, wenn er und sein Schwiegersohn gleichzeitig Mitglieder in ORF-Gremien wären.
Der Publikumsrat wird sich Anfang Mai konstituieren und aus seiner Mitte sechs Vertreter in den Stiftungsrat entsenden. Theoretisch könnten Steger und Erler also bald im selben Gremium sitzen – und der Schwiegersohn den Schwiegervater zum Chef wählen.