ORF-Streit um Recherche zu Hofers Erlebnis am Tempelberg
Im ORF-Duell vor der Stichwahl hielt Moderatorin Ingrid Thurnher Norbert Hofer vor, ein von ihm geschilderter Terroranschlag am Tempelberg in Jerusalem im Juli 2014 habe so nicht stattgefunden. Laut profil-Informationen lehnte Thurnher die Frage vor der Sendung ab, wurde aber von „ZIB 2“-Moderator und Chefredakteur-Stellvertreter Armin Wolf – er recherchierte den Fall – dazu gedrängt, sie zu stellen – was Wolf gegenüber profil dementiert.
Nicht nur in der FPÖ löste der Vorfall Wirbel aus. In der ORF-Redaktionssitzung am Tag danach wurde Wolf von mehreren seiner Kollegen heftig attackiert. Der Vorwurf: Bei Thurnhers Vorhalt habe es sich um einen Fehler gehandelt, den man korrigieren müsse. In einem „ZIB 1“-Beitrag am Freitag vor der Wahl wurde eingeräumt, dass israelische Medienberichte über eine zum fraglichen Zeitpunkt vor dem Tempelberg angeschossene Frau in der ORF-Recherche fehlten.
Der Vorfall sei von der israelischen Polizei freilich nicht als „Terroranschlag“ eingestuft worden. Allerdings sei „nachvollziehbar“, dass „bei Absperrungen und Schüssen diese Wahrnehmung entstehen“ könne. Intern wurde die „ZIB 1“-Klarstellung von einzelnen ORF-Journalisten als zu nachgiebig gegenüber der FPÖ kritisiert. Der Beitrag wurde freilich von Chefredakteur Fritz Dittlbacher und ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner persönlich abgenickt.
+++ Interview mit Armin Wolf aus der profil-Ausgabe 23/16: "Ich fand mein Recherche-Ergebnis spannend.“ +++
profil: Ingrid Thurnher hielt Norbert Hofer im TV-Duell am 19. Mai vor, ein von ihm geschilderter Terroranschlag am Tempelberg habe so nicht stattgefunden. profil berichtet, dass Thurnher die Causa ursprünglich nicht thematisieren wollte, von Ihnen aber dazu gedrängt wurde. Armin Wolf: Und das ist eklatant unwahr, wie ja Ingrid Thurnher selbst eindeutig und öffentlich klargestellt hat. Der „Terrorakt“ war ein Nebenprodukt meiner Recherche zu Hofers angeblichem Knesset-Empfang für ein „ZIB 2“-Interview, aber das Dementi des israelischen Polizeisprechers kam leider ein paar Stunden zu spät für mein eigenes Interview. Deshalb habe ich am nächsten Tag meinen Vorgesetzten – übrigens schriftlich, also jederzeit nachweisbar – vorgeschlagen, dass ich diesen Teil meiner Recherche auf meiner Facebook-Seite veröffentliche. Mit der Entscheidung, ob und wo das Thema auf Sendung geht, hatte ich nichts zu tun. Das hat die Chefredaktion gemeinsam mit den betroffenen Sendungschefs entschieden. Deswegen finde ich die falsche profil-Behauptung wirklich rufschädigend.
profil: Der Bericht im profil wird von einem Mail der für das TV-Duell verantwortlichen Redaktion von „Im Zentrum“ vom 23. Mai bestätigt. Darin wird geschildert, „der stellvertretende Chefredakteur Armin Wolf hat auf mehrfache Nachfrage und Bedenken aus der Redaktion versichert“, dass die von ihm recherchierte Tempelberg-Geschichte „wasserdicht“ sei. Es gab also Zweifel, die von Ihnen mit mehr oder weniger Nachdruck beseitigt wurden. Das kann man wohl als „Drängen“ bezeichnen. Wolf: Diese Interpretation ist falsch, und das Mail bestätigt Ihren Bericht keineswegs. Ich habe auf Bitte meiner Vorgesetzten meine Recherche weitergegeben. Und selbstverständlich habe ich jede Frage von Ingrid dazu beantwortet, so gut ich konnte. Aber mir war egal, ob das Thema im Duell vorkommt oder nicht. Ich fand mein Recherche-Ergebnis spannend und hätte es genauso gerne auf meiner Facebook-Seite präsentiert. Und wenn Ingrid selbst sagt „Mich hat niemand gedrängt und keiner hat mir was angeschafft, hätte auch gar keinen Sinn“, wird auch profil schwerlich ein Drängen konstruieren können.
Ich habe auf Bitte meiner Vorgesetzten meine Recherche weitergegeben. Und selbstverständlich habe ich jede Frage von Ingrid dazu beantwortet, so gut ich konnte.
profil: In der Redaktionssitzung am Tag nach dem TV-Duell wurden Sie von mehreren Kollegen für Ihre Recherche, in der der Hinweis auf einen tatsächlichen Vorfall vor dem Tempelberg fehlte, heftig kritisiert. Zu Recht? Wolf: Dass es besser gewesen wäre, von dem Vorfall zu wissen, ist ja überhaupt keine Frage. Nur: Ich habe überprüft, was Herr Hofer mehrfach und im Detail geschildert hat, nämlich dass am Tempelberg zehn Meter neben ihm eine mit Handgranaten und Maschinenpistolen bewaffnete Terroristin erschossen wurde, die versucht hatte, Betende zu töten. Ein „fürchterliches Erlebnis“, wie Herr Hofer sagt. Wahr ist: Es gab keine Terroristin, keine Handgranaten, keine Maschinenpistolen und keinen Versuch, Betende zu töten. Niemand wurde erschossen, schon gar nicht zehn Meter neben Herrn Hofer und auch nicht am Tempelberg. Ich habe sehr gewissenhaft alles überprüft, was Herr Hofer erzählt hat, das können Sie mir glauben. Aber es stimmt: Ich habe nicht überprüft, was er nicht erzählt hat.
profil: Ingrid Thurnher schreibt in einem Tweet, dass sie „in dieser Sache der Recherche einer anderen Redaktion vertraut“ habe. Damit meint sie Sie. Die „Im Zentrum“-Redaktion beschwert sich in dem angesprochenen Mail, dass sie mit der Tempelberg-Recherche nichts zu tun hatte, aber in der Außendarstellung als Verantwortliche übrig bleibt. Haben Sie sich hier an den Kollegen abgeputzt? Wolf: Sorry, aber jeder konnte am Tag nach dem Duell auf meinen Twitter- und Facebook-Seiten nachlesen, dass es meine Recherche war, dass ich die unsäglichen Beschimpfungen an Ingrid „zum Kotzen“ finde und dass jeder, der meint, wegen der Sache wen beschimpfen zu müssen, das bitte bei mir tun soll. Das haben auf meiner Facebook-Seite ca. 700.000 Leute gelesen und an die 2000 davon sind der Aufforderung zum Schimpfen nachgekommen. Also keine Sorge.
profil: Die „ZIB 1“ stellte in der Folge in einem Beitrag klar, dass israelische Medienberichte über eine zum fraglichen Zeitpunkt am Tempelberg angeschossene Frau in der ORF-Recherche fehlten. Intern wurde dieser Bericht als zu nachgiebig gegenüber der FPÖ kritisiert. Wie sehen Sie das? Wolf: Ähnlich.