Otmar Lahodynsky: EU-Postenschacher

Die Kür von Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin ist kein Zeichen der Stärke für die EU.

Drucken

Schriftgröße

Nach tagelangem Gefeilsche der EU-Staats- und Regierungschefs wurde erstmals eine Frau als neue Präsidentin der EU-Kommission und als Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker ausgewählt: Ursula von der Leyen, bislang deutsche Verteidigungsministerin und CDU-Politikerin. Damit stellt nach Walter Hallstein erstmals wieder Deutschland die Führung der EU-Kommission.

Der Kompromiss, der maßgeblich von Kanzlerin Angela Merkel herbeigeführt wurde, zeigt freilich eine große Schwachstelle: Die EU-Staats- und Regierungschefs halten sich nicht mehr an das "Spitzenkandidatensystem", mit dem eigentlich seit der Kür Junckers vor fünf Jahren das Ergebnis der Europawahlen berücksichtigt werden muss. Damit hätte der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber, der Sozialdemokrat Frans Timmermans oder die Liberale Margarethe Vestager zum Zug kommen müssen. Doch vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte erfolgreich gegen Weber lobbyiert. Mehrere Regierungschefs aus Mittel-Osteuropa wollten wiederum den Niederländer Timmermans, der als Vize-Kommissionschef Vertragsverletzungs-Verfahren gegen Polen und Ungarn forciert hatte, verhindern. Von der Leyen gehört der stimmenstärksten EVP-Parteienfamilie an, zumindest in diesem Punkt wurde das Ergebnis der Europawahlen laut Vertrag von Lissabon erfüllt.

Jetzt wird sich zeigen, wie das neugewählte Europäische Parlament auf die Kampfansage der Regierungschefs reagieren wird. Eine Ablehnung Von der Leyens würde eine Schwächeperiode der EU einleiten, wo eigentlich angesichts der vielen Probleme – von Brexit bis Handelskriegen – nun Handlungsstärke erforderlich wäre.