Verrat von Amtsgeheimnis

Ott-Prozess: Eine Frage der Auslieferung

Weil die Immunität des Ex-FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein nicht aufgehoben wurde, könnte der Prozess gegen den suspendierten Verfassungsschützer Egisto Ott platzen, meint die Verteidigung. Das Justizministerium sieht das anders.

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Überraschend gut gelaunt erschienen der frühere FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein und der suspendierte Verfassungsschützer Egisto Ott heute im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts. Ott, der sich hier gegen den Vorwurf des Geheimnisverrates verteidigen soll, konnte sich sogar ein Grinsen nicht verkneifen. Unüblich für einen Angeklagten, doch offenbar mit gutem Grund.

Den Paukenschlag im Prozess trug Jeneweins Verteidiger Christoph Rother mit aller Ruhe vor: Es sei weder in den Ermittlungen gegen seinen Mandanten, noch am ersten Prozesstag am Mittwoch, ausreichend berücksichtigt worden, dass Jenewein zum Zeitpunkt der mutmaßlich strafbaren Handlungen Abgeordneter des Nationalrates gewesen sei – und damit vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt war. Die Staatsanwaltschaft Wien dürfte zudem vergessen haben, Jeneweins parlamentarische Immunität aufheben zu lassen. 

Oder anders gesagt: Der Prozess gegen die beiden Männer könnte an einem Fehler der Staatsanwaltschaft scheitern.

Die Oberstaatsanwaltschaft Wien und das Justizministerium sehen das anders.

Kurzer Prozess

Dem suspendierten Beamten des früheren Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Ott wird vorgeworfen, für Russland spioniert zu haben. Im laufenden Prozess wirft ihm die Staatsanwaltschaft Wien allerdings nur Verletzung des Amtsgeheimnisses vor. Ott soll Jenewein sensible Informationen aus dem BVT zugespielt haben - und Jenewein Ott im Gegenzug Fotos von BVT-Beamten geschickt haben, die in U-Ausschüssen ausgesagt hatten.

Der Richter war „vollkommen überrascht“ davon, dass Jeneweins Immunität nicht aufgehoben worden sein könnte: Das Gericht habe diesen Umstand nicht erneut geprüft, da die Anklageschrift entlang der Weisungskette jedenfalls von der Oberstaatsanwaltschaft Wien, dem Justizministerium „und wohl auch dem Weisungsrat“ geprüft worden war. 

„Die Immunität wurde von uns selbstverständlich geprüft“, teilte dazu später eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien der APA mit. Man sei allerdings zum Schluss gekommen, dass Jeneweins seinerzeitige Tätigkeit als Parlamentarier seiner Strafverfolgung nicht im Weg standen. Man muss also nichts aufheben, was ohnehin nicht schützt.

Immunitätsfrage

Jenewein war zum Beginn der Ermittlungen 2021 nicht mehr Abgeordneter. Da die möglicherweise strafbaren Handlungen aber einen Bezug zu seiner politischer Tätigkeit hatten, sei „absolute Immunität“ gegeben, argumentierte Jeneweins Verteidiger: „Die ist zeitlich unbegrenzt und endet nicht mit der Beendigung der Abgeordnetentätigkeit.“ Auch der Richter nahm im Großen Schwurgerichtssaal an, dass Tätigkeiten, die Abgeordnete im Plenum oder in U-Ausschüssen setzen (und sei es, Auskunftspersonen verbotenerweise zu fotografieren), von dieser vollständigen Immunität erfasst sind.

Ergebnis: Nach 15 Minuten Verhandlung wurde der Prozess auf unbestimmten Zeitpunkt vertagt. Wahrscheinlich wird er erst im Dezember fortgeführt. Für eine erneute Auslieferung wäre es zu spät: Jenewein schied am 22. Oktober 2019 aus dem Nationalrat aus. Eine Aufhebung seiner Immunität hätte spätestens fünf Jahre später erfolgen müssen - also vor zwei Wochen.

Angriffige Angeklagte

Die Staatsanwaltschaft habe die Aufhebung nie beantragt, sagte Jenewein nach dem Prozess. Ist ihm das selbst nie aufgefallen? „Das wäre die Aufgabe der behandelnden Staatsanwälte gewesen. Die haben es nicht gemacht.“ Jenewein ortet ein „Zeichen dafür, wie dieses Rechtssystem in Österreich funktioniert“.

„Die Staatsanwaltschaft hat die Hausaufgaben nicht gemacht“, sagte Otts Anwalt Josef Phillip Bischof: „Ich war sowieso der Meinung, dass der Strafantrag nicht richtig ist. Jetzt kommt noch ein Argument dazu.“

Egisto Ott selbst nutzte die Aufmerksamkeit am Ende des kurzen Prozesstages für ein kurzes öffentliches Statement, in dem er Beamtenschaft und Justiz kritisierte: „Es ist heute schon Pflicht für die Einstellung in den Beamtenstatus, dass jemand nicht sinnerfassend lesen kann.“ Und: „Das zieht sich durch - auch in Teilen der Justiz.“

Am Nachmittag hielt auch die Oberstaatsanwaltschaft Wien in einem Statement fest: Sowohl die Einleitung des Ermittlungsverfahrens 2021 als auch der Strafantrag gegen Jenewein habe keine Aufhebung der Immunität benötigt. Denn nachdem Jenewein 2019 aus dem Parlament ausgeschieden sei, habe auch seine „außerberufliche Immunität“ geendet. 

Auch das Justizministerium hielt fest: „Ein Antrag auf Aufhebung der Immunität war nicht nötig“, die Ermittlungen und die Anklage gegen Jenewein seien im Einklang mit der Rechtslehre als zulässig bestätigt worden.

Der Prozess sollte demnach folglich im Dezember fortgesetzt werden können.

Ergänzungen

Der Artikel wurde um 12:53 Uhr um die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Wien und das Video von Egisto Ott und um 16:00 um die Stellungnahmen der Oberstaatsanwaltschaft Wien und des Justizministeriums ergänzt.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.