Pädagogen gesucht: Die größte Hürde beim Ausbau der Kinderbetreuung
Für jedes Kind, das einen Betreuungsplatz braucht, soll es auch einen geben. So lautet das große Versprechen von Familienministerin Susanne Raab. 4,5 Milliarden Euro will der Bund gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden bis zum Jahr 2030 für den Ausbau der Kinderbetreuung in die Hand nehmen. Angekündigt hatte dieses Vorhaben als Erster Bundeskanzler Karl Nehammer im ORF-Sommergespräch am Montag.
Mit dem angekündigten Budget will man gemeinsam mit den Ländern die Betreuungslücke von Kindern im Alter zwischen einem und drei Jahren schließen. In dieser Altersklasse haben nur 30 Prozent der Kinder einen Betreuungsplatz, Österreich verfehlt damit das seit Jahren das Barcelona-Ziel, demzufolge es zumindest 33 Prozent sein sollten. Nun will man garantieren, dass Familien bei der Gestaltung des Alltags eine „echte Wahlmöglichkeit“ haben. 50.000 zusätzliche Plätze will die Regierung in den kommenden sieben Jahren schaffen und stützt sich dabei auf eine aktuelle Bedarfsanalyse, die gemeinsam mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria durchgeführt wurde. Das Institut ist derzeit bis Ende September dabei, die Analyse weiter zu verfeinern – veröffentlicht wurde die Studie nicht.
Zu wenig Ausbildungsplätze
Der Bau neuer Kindergärten und Krippen ist eine vergleichsweise einfache Übung. Die entscheidende Herausforderung für die Regierung wird sein, die neuen Arbeitskräfte zu rekrutieren, die es dafür braucht. Denn im Bereich der Kinderbetreuung herrscht Überlastung: Es gibt zu wenig Personal für zu viele Kinder. Das bekräftigt auch Katharina Mader von der Arbeiterkammer im profil-Gespräch. Sie hält das Versprechen der Regierung, 50.000 zusätzliche Plätze zu schaffen, deshalb nicht für realistisch: „Es werden zu wenige Elementarpädagog:innen ausgebildet.“ Da die Studie noch nicht einsehbar ist, kann Mader nur schätzen, wie viele zusätzliche Arbeitskräfte das Versprechen der Regierung erfüllen werden. Ausgehend von einem Fachkräfte-Kind-Schlüssel von 1:5 oder 1:7, wären das 7.000 bis 10.000 Personen.
Der Bund wäre dafür zuständig, eine Ausbildungsoffensive einzuleiten, so die Familienexpertin. Derzeit sei der Beruf des Elementarpädagogen nicht attraktiv genug, zumindest wenn es nach einer Studie der Universität Klagenfurt geht, die vom Bildungsministerium in Auftrag gegeben wurde: Nur rund 43 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die eine Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (Bafep, früher BAKIP) besuchen, wollen auch Elementarpädagogen werden. Soziologin Sonja Dörfler-Bolt vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) sagt: „Es ist wichtig, die Qualität des Berufes zu verbessern. Wenn diese nicht vereinbar ist mit den Standards, die Pädagog:innen gelernt haben, werden sie den Beruf eher verlassen.“
„Das Allererste, das sich ändern muss, sind die Arbeitsbedingungen“, so Mader. „Mit Geld allein“, sagt sie, „schafft man das nicht.“ Es brauche einen besseren Betreuungsschlüssel und kleinere Gruppengrößen, damit die Pädagog:innen auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen können. Natürlich könne man die Gehälter erhöhen, das würde ihren den Alltag jedoch nicht erträglicher machen. Dass es für die Umsetzung der Regierungspläne eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung brauche und ein gutes Arbeitsumfeld für Pädagoginnen und Pädagogen, war sich Ministerin Raab bei der Pressekonferenz ebenfalls bewusst. Bereits im ORF-Sommergespräch erklärte Nehammer die Problemstellung, mehr Personal für den Ausbau zu finden.
„Es braucht transparente und einheitliche Qualitätsstandards“, sagt ÖIF-Soziologin Dörfler-Bolt und kritisiert den elementarpädagogischen „Fleckerlteppich“ in den einzelnen Bundesländern, was Gruppengrößen und Betreuungsschlüssel angeht. Diesbezüglich sei es laut Raab notwendig, mit den Bundesländern über eine Angleichung der unterschiedlichen Qualitätskriterien zu sprechen. Dörfler-Bolt würde zudem im profil-Gespräch „eine Vereinheitlichung bezüglich der Ausbildungsstandards von elementarpädagogischem Personal begrüßen“.
Ein Konzept zur qualitativen Aufwertung der Kinderbetreuung gibt es noch nicht – eine entsprechende Zielsetzung wurde auch nicht genannt. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) werde in den nächsten Tagen Vorschläge zur Ausbildung präsentieren, verkündete Raab. Am Donnerstag kam der erste Vorschlag. Polaschek nimmt sich Initiativen zum Quereinstieg in den Kindergarten vor und will die Lehrer-Quereinstiegs-Schiene "Klasse Job" auf den Bereich der Elementarpädagogik ausweiten. So will man „kurz-, mittel- und langfristig sicherstellen, dass auch in Österreichs Kindergärten genügend Pädagoginnen und Pädagogen zur Verfügung stehen“.
Ambitionierte Ziele
Mit dem Kinderbetreuungspaket reagiert die Regierung auf langjährige Kritik, denn Österreichs Kinderbetreuungsquote ist im EU-Vergleich unterdurchschnittlich. Die Familienministerin zeigt sich ambitioniert: In Zukunft soll für über die Hälfte aller ein- bis zweijähriger in Betreuung gehen können. Derzeit steht nur 27 Prozent ein Platz zur Verfügung. Bei den Zwei- bis Dreijährigen sind rund 60 Prozent in Betreuung, 90 Prozent von ihnen sollen künftig einen Platz erhalten. Nur zwei Prozent der Kinder unter einem Jahr werden in einer Einrichtung betreut.
Hier bestünde vielfach der Wunsch, das Kind zu Hause zu betreuen, sagte die Ministerin, die dennoch auch für die Nulljährigen mehr Plätze schaffen will. Ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung würde derzeit hingegen "ins Leere" gehen, weil es die notwendigen Plätze nicht gebe, so die Ministerin. Mader vermutet, dass man sich nicht verpflichten will – damit bleibe es erst wieder an den Müttern, hängen. „Ohne einen Rechtsanspruch haben Eltern nichts in der Hand, um ein Recht auf Kinderbetreuung einzufordern.“