Michael Nikbakhsh und Stefan Melichar
Pandora Papers

Pandora Papers: Sechs Fragen und Antworten

Michael Nikbakhsh und Stefan Melichar beantworten sechs Fragen zum größten Rechercheprojekt der Geschichte.

Drucken

Schriftgröße

1. Was sind die Pandora Papers?

Es handelt sich um das größte journalistische Projekt der Geschichte. Mehr als 600 Journalistinnen und Journalisten aus 117 Ländern arbeiteten sich annähernd zwei Jahre lang durch Millionen sensibler Dokumente: geleakte Geschäftsunterlagen von 14 global tätigen Anwaltskanzleien und Treuhandgesellschaften, die sich auf die Errichtung und die Verwaltung von „Shell companies“ spezialisiert haben. Die jüngsten Dokumente datieren aus 2020, die ältesten aus 1971. Die Datensammlung führt zu den tatsächlichen Eigentümern hinter knapp 30.000 Offshore-Firmen.

2. Wo kommen die Daten her?

Eine anonyme Quelle spielte dem International Consortium of Investigative Journalists das Material ab 2019 in mehreren Tranchen zu. Die Namen der 14 betroffenen „Offshore service provider“ sind in Österreich kaum bekannt: So beispielsweise Trident Trust mit Zentrale auf den Britischen Jungferninseln, ein global tätiger Finanzdienstleister mit rund 900 Beschäftigten; die panamaische Anwaltskanzlei Alemán, Cordero, Galindo & Lee, die zu den führenden Offshore-Beratern der Region zählt; die Treuhandgesellschaft Asiaciti Trust mit Sitz in Hong Kong; die zypriotische Anwaltskanzler Demetrios A. Demetriades LLC, kurz DADLAW, die viel russisches Geld betreut.

Die Kanzleien und Agenturen betreuten für tausende Kunden rund um den Globus Briefkastenfirmen in drei Dutzend einschlägigen Weltgegenden, darunter Zypern, Panama, Britische Jungferninseln, Seychellen, Mauritius, Saint Kitts & Nevis, Marschall Inseln, Singapur, Hong Kong, Vereinigte Arabische Emirate und mehrere US-Bundesstaaten wie Delaware, South Dakota, Florida und Nevada.

3. Wer sind die Kunden?

Die Dokumente offenbaren die verdeckten Offshore-Geschäfte der Reichen und Einflussreichen aus gut 200 Ländern. Sie benennen drei Dutzend aktive und ehemalige Staats- und Regierungschefs – unter ihnen der tschechische Premier Andrej Babiš, der König von Jordanien, die Präsidenten der Ukraine, Kenias und Ecuadors, der frühere britische Premier Tony Blair.

Die Dokumente führen auch zu mehr als 130 Milliardären aus zahlreichen Ländern, darunter Russland, Indien, USA und Mexiko. Sie führen auch nach Österreich. Die beteiligten Medien konnten insgesamt rund 160 Österreicherinnen und Österreicher identifizieren, welche in der Vergangenheit Offshore-Services in Anspruch genommen haben. Politisches Personal ist nicht darunter, dafür aber mehrere Unternehmerpersönlichkeiten. Die Pandora Papers benennen darüber hinaus Hunderte von Spitzenbeamten, Richtern, Geheimdienstlern, Kommunalpolitikern, Sportgrößen und Celebrities. Und schließlich führen die Dokumente auch zu Mafia-Clans, Drogenbaronen, Waffenschiebern, Rotlichtgrößen, Glücksspielhasardeuren und Anlagebetrügern – selbst ein gesuchter italienischer Neonazi und ein wegen mehrfachen Mordes einsitzender Landsmann sind darunter.

4. Wie groß sind die Pandora Papers?

Die analysierte Datenmenge war enorm: 2,94 Terabyte Daten, verteilt auf 11,9 Millionen Dateien: Pdfs, Word-, Excel- und Power-Point-Files, Outlook-Dateien, Fotos, Audios und Videos. Die Klientel der Kanzleien ist international, so sind es auch die Pandora Papers: Die ausgewerteten Daten sind in zahlreichen Sprachen abgefasst, vorwiegend auf Englisch, Spanisch, Mandarin, Koreanisch, Griechisch und Russisch, vereinzelt auch auf Deutsch.

5. Wie kam es zu der Recherche?

Die Datensätze wurden dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) in mehreren Tranchen übergeben. Weder gab es dafür eine Gegenleistung, noch Auflagen gleich welcher Art (mit Ausnahme des selbstverständlichen Quellenschutzes). Das ICIJ ist eine Mitte der 1990er Jahre entstandene US-amerikanische Non-Profit-Organisation mit Sitz in Washington, die sich im Laufe der Jahre zu einem globalen Recherche-Netzwerk entwickelt hat. Derzeit sind 280 investigative Journalistinnen und Journalisten ICIJ-Vollmitglieder, Österreich wird von den profil-Kollegen Stefan Melichar und Michael Nikbakhsh vertreten. Wie schon bei früheren Projekten („Offshore Leaks“, „Swissleaks“ „Panama Papers“, „Paradise Papers“, „FinCen Files“) koordinierte ICIJ die Recherchen die auch ausgewählte Medienpartner einschlossen – in Österreich war das neben auch der ORF. Als Veröffentlichungstermin wurde der 3. Oktober 2021, 18.30 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit, akkordiert. Aus diesem Grund konnten wir dazu auch nichts in der aktuellen profil-Printausgabe abbilden. Die internationalen Berichte zu den Pandora Papers finden Sie gebündelt auf www.icij.org.

6. Wer war an der Recherche beteiligt?

Wie schon bei den FinCen Files recherchierten profil und der ORF in Österreich gemeinsam. Der ORF rollt seine Berichterstattung dazu Zug um Zug aus, am 3. Oktober berichten dazu zunächst orf.at, ZiB1 und ZiB2, Ö1 und „Report“ folgen. Unter den rund 150 am Projekt Pandora Papers beteiligten Medienhäuser und -organisationen finden sich unter anderem  „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR aus Deutschland, „Le Monde“ aus Frankreich, „El País“ aus Spanien, „L’Espresso“ aus Italien, BBC und „Guardian“ aus Großbritannien, SVT aus Schweden, die norwegische „Aftenposten“. Aus Zentral- und Osteuropa war unter anderem das Organized Crime and Corruption Project beteiligt, aus Japan die Tageszeitung „Asahi Shimbun“, in den USA recherchierten Kolleginnen und Kollegen der „Washington Post“ und des „Miami Herald“.

Die Recherchen unserer Projektpartner finden Sie hier.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.