Papamonat: Die Politik scheitert daran, junge Väter für die Karenz zu begeistern
Beate Hartinger-Klein verantwortet ein riesiges Ressort mit unzähligen Baustellen – von der Pflegereform bis zur Neugestaltung der Mindestsicherung. Aber das hindert die FPÖ-Sozialministerin nicht daran, sich auch mit Themen zu befassen, für die sie nur am Rande zuständig ist: „Danke schön für diese Frage“, frohlockte Hartinger-Klein in der ORF-„Pressestunde“ am 3. Februar, als sie um eine Stellungnahme zum Papamonat für Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft gebeten wurde. „Ja, das will ich, wir werden das umsetzen, das ist auch mit dem Koalitionspartner besprochen“, erklärte sie. Der Rechtsanspruch für alle solle „so rasch als möglich“ kommen.
Strache und SPÖ einig
Irgendetwas muss die Ministerin da missverstanden haben. ÖVP-Familienministerin Juliane Bogner-Strauß, für die Materie hauptverantwortlich, ließ anschließend ausrichten, dass man sich „in Gesprächen“ befinde. Von einer fixfertigen Einigung könne aber keine Rede sein. Aus der ÖVP-dominierten Wirtschaftskammer kamen schwere Bedenken, auch die Wirtschaftsministerin ist nicht begeistert. Ohne Erleichterungen für die Unternehmer bei anderen Familienleistungen sei der Rechtsanspruch auf einen Papamonat nicht umsetzbar, erklärte Margarete Schramböck. Dafür bekommt Hartinger-Klein Unterstützung aus der eigenen Partei. Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der vor Kurzem selbst Vater wurde und beruflich ein paar Wochen lang pausierte, rühmte den Vorstoß der Kollegin: „Ein Papamonat für alle wäre ein familienpolitischer Gewinn“, glaubt er. Ausnahmsweise kann die SPÖ da voll zustimmen.
Das alles hört sich seltsam vertraut an – fast wie früher, wenn innerhalb der Großen Koalition gestritten wurde. Die Frage, wie man österreichischen Vätern etwas mehr Gelegenheit zur Betreuung ihrer Kinder bieten könnte, treibt die Politik schon ziemlich lange um. Letztlich beweist die Problematik, dass politischer Wille oft nicht ausreicht, um die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Obwohl seit fast 30 Jahren an Regelungen für eine bessere, einfachere, verlockendere Väterkarenz herumgedoktert wird, blieben die Ergebnisse äußerst bescheiden: Nicht einmal fünf Prozent der Tagsätze für die Kinderbetreuung werden derzeit von Männern in Anspruch genommen.
Die Bemühungen der Politik haben bis dato vor allem der Bürokratie zu Höhenflügen verholfen. Allein die Begrifflichkeiten, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen, könnten junge Paare davon abhalten, ein Kind in die Welt zu setzen. Noch bevor der Nachwuchs auf der Welt ist, gilt es, sich mit Vokabeln wie Kinderbetreungsgeldkonto, Familienzeitbonus oder Günstigkeitsrechnung auseinanderzusetzen. Für den jetzt so intensiv debattierten Papamonat (im Amtsdeutsch „Väterfrühkarenz“) gibt es drei Varianten: Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben einen Rechtsanspruch, für maximal vier Wochen unbezahlt beim Baby zu bleiben – allerdings nur, wenn sie Beschäftigte des Bundes sind oder als Landesbedienstete nicht ausgerechnet in Kärnten leben; dort gibt es den Papamonat nämlich nicht. Je nach Kollektivvertrag haben auch manche Dienstnehmer in der Privatwirtschaft einen Rechtsanspruch. Alle anderen müssen sich mit ihrem Arbeitgeber einigen. Seit 1. März 2017 gibt es auch noch die Möglichkeit, für die Zeit bei der Familie einen finanziellen Zuschuss zu beantragen, eben den „Familienzeitbonus“ in der Höhe von 700 Euro. Diese Leistung wird später abgezogen, sollte der Vater noch einmal in Karenz gehen.
Selten genutzter Anspruch
Wie eine parlamentarische Anfrage der NEOS im Sommer 2018 ergab, nahmen zwischen März 2017 und März 2018 lediglich 5907 Österreicher (darunter auch 20 Frauen) den Papamonat samt Familienzeitbonus in Anspruch – bei insgesamt fast 95.000 Kindern, die in diesem Zeitraum geboren wurden. Ein Renner scheint das Angebot also nicht zu sein. Für zusätzliche Komplikationen könnte eine neue EU-Richtlinie sorgen, die bereits als akkordiert gilt und demnächst beschlossen werden soll. Sie besagt, dass europaweit alle Jungväter Anspruch auf zehn Tage Urlaub beim Kind haben sollen – mit finanzieller Unterstützung in Höhe des Krankengelds.
NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard plädiert also nicht ganz zu Unrecht dafür, die Elternkarenz ganz neu aufzustellen, anstatt das bestehende System noch weiter zu verkomplizieren. „Das Problem ist nach wie vor, dass die Gesellschaft den Müttern die Hauptverantwortung aufbürdet. Derzeit können die Eltern sich ausmachen, wer wie lange für die Kinderbetreuung daheim bleibt. Das macht die Frauen zu Bittstellerinnen“, findet Bernhard. Sein Vorschlag: ein Individualanspruch für jeden Elternteil auf maximal 18 Monate Erziehungszeit.
Der Sozialrechtler Wolfgang Mazal will nicht ausschließen, dass mehr Akzeptanz für den Papamonat die Karenzzeiten der Väter insgesamt sogar noch reduzieren könnte. „Es wird Männer geben, die das machen und anschließend sagen: So, das wars jetzt für mich.“ Das Mindset in Österreich habe bisher verhindert, dass sich Väter und Mütter für die Erziehung der Kinder in gleichem Ausmaß zuständig fühlten. Natürlich könne die Politik nun hergehen und die Dinge so regeln wie etwa in skandinavischen Ländern, wo es in aufrechter Ehe praktisch keine Unterhaltsverpflichtungen der Ehepartner füreinander gibt – also beide arbeiten müssen. „Aber die Frage ist schon, wie weit man Menschen umerziehen soll“, meint Mazal. „Stattdessen könnte man auch sicherstellen, dass Frauen keine ökonomischen Nachteile aus ihrer Arbeit für die Familie haben.“ Eine Möglichkeit, das zu garantieren, wäre beispielsweise das verpflichtende Pensionssplitting.
Auch darüber diskutiert die österreichische Politik übrigens schon ziemlich lange.