Anspruch auf "Papamonat"? Das sagen Experten
Vizekanzler Heinz-Christian Strache weilt derzeit im "Papamonat" und nimmt nur "bestimmte" Termine wahr. Er hat damit eine neue Diskussion rund um die Themen "Papamonat" und Väterkarenz entfacht. Die ÖGB-Frauen fordern nun einen Rechtsanspruch auf den "Papamonat".
profil hat mit der ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzenden Korinna Schumann, Rolf Gleißner (stellvertretender Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der Wirtschaftskammer Österreich) und Florian Holzinger (Experte für Genderorschung vom Institut "Joanneum Research") über die "Karenzfaulheit" der Männer, Geschlechterstereotypen und die Zukunft des "Papamonats" gesprochen.
profil: Derzeit besteht kein genereller Rechtsanspruch aller Väter auf einen "Papamonat". Soll dieser Rechtsanspruch auf alle Arbeitsbereiche - ohne Voraussetzung des Einverständnisses des Arbeitgebers - ausgeweitet werden?
Florian Holzinger: Untersuchungen zeigen: Wenn sich Väter bereits von Beginn an in die Kinderbetreuung involvieren, also bereits direkt nach der Geburt, so wirkt dies nachhaltig und führt dazu, dass sie sich auch an der Kinderbetreuung beteiligen, wenn die Kinder älter werden. Es fördert die emotionale Bindung zwischen Kindern und Vätern. Daher ist es sinnvoll, das Instrument "Papamonat" für alle Väter zu ermöglichen, denn dadurch könnte auch die Beteiligung der Männer am Kinderbetreuungsgeld steigen. Ein Rechtsanspruch ist hier sicher ein wichtiger Schritt. Allerdings zeigt bereits die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, dass der alleinige Rechtsanspruch nicht ausreicht, um die Beteiligung der Väter zu erhöhen. Es braucht von Seiten der Politik und Gesellschaft begleitende Maßnahmen, beispielsweise Kampagnen, die involvierte Vaterschaft und Beteiligung der Männer an Hausarbeit und Kinderbetreuung als Leitbilder vermitteln. Durch diese Kampagnen sollten idealerweise gesellschaftliche Diskussionsprozesse ausgelöst werden, die über das engere Feld "Papamonat" und Väterkarenz hinausgehen, und in denen Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gleichstellung zwischen den Geschlechtern ganz allgemein verhandelt werden.
Rolf Gleißner (WKÖ): Verschiedene Rechte sichern Mütter und Väter rund um die Geburt ab und ermöglichen eine volle Väterbeteiligung: Kollektivverträge sehen die bezahlte Freistellung des Vaters vor, wenn die Ehefrau oder Lebensgefährtin ein Kind bekommt. Väter haben außerdem Anspruch auf Karenz, man(n) kann auch Urlaub für die Zeit nach der Geburt nehmen, und schließlich können Vater und Unternehmen die Familienzeit („Papamonat“) vereinbaren. Ein einseitiger Anspruch auf den "Papamonat" ist weder sinnvoll noch nötig: Wir kennen keinen Fall, in dem ein Arbeitgeber einem Vater die Freistellung nach der Geburt verweigert hätte. Zudem sind einseitige Ansprüche vor allem für Kleinbetriebe ein Problem: Ein Gasthaus, dessen einziger Koch mitten in der Saison einen Monat ausfällt, hat es schwerer als der Staat, der seinen Beamten einen "Papamonat" gibt.
Schon jetzt leisten die Arbeitgeber von Eltern einen großen Beitrag: Mit ihren Beiträgen zum Familienlastenausgleichsfonds finanzieren die Unternehmen den Großteil der Familienleistungen. (Rolf Gleißner)
Korinna Schumann (ÖGB): Es ist höchste Zeit für einen Rechtsanspruch auf einen "Papamonat" für alle Väter – unabhängig davon, wo sie beschäftigt sind. Die Geburt eines Kindes ist für Eltern etwas ganz Besonderes und alle Väter sollen die Möglichkeit haben, ihre Partnerin in den ersten Wochen zu unterstützen und die Bindung zum Kind zu stärken. Doch der "Papamonat" würde nicht nur vielen Männern entgegenkommen, die sich heute aktiver einbringen wollen, sondern auch dazu führen, dass die bezahlte und unbezahlte Arbeit in Zukunft zwischen den Geschlechtern gleichmäßiger aufgeteilt wird.
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profil: Während des "Papamonates" erhalten die Arbeitnehmer in der Regel kein Entgelt vom Arbeitnehmer. Sollte ein genereller Anspruch auf Entgelt während dieser Zeit bestehen oder ist das derzeitige Modell ausreichend?
Florian Holzinger: Natürlich ist es leichter für Väter, den "Papamonat" in Anspruch zu nehmen, wenn dieser beispielsweise als zusätzlicher Urlaub anrechenbar ist und auch flexibel eingesetzt werden kann, beispielsweise zusätzliche zwei bis vier Urlaubswochen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt.
Korinna Schumann: Der Familienzeitbonus in der Höhe von 700 Euro war ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Über eine Weiterentwicklung kann man natürlich nachdenken, aber zu allererst gilt es, allen Vätern die gleiche Chance zu geben, den "Papamonat" zu nutzen und nicht vom Wohlwollen des Arbeitgebers abhängig zu sein. Hier ist nun die Regierung am Zug.
In vielen Köpfen ist noch fest verankert, dass man als Mann nicht in Karenz geht und sich um Haushalt und die Kindererziehung kümmert. (Korinna Schumann)
Rolf Gleißner: Schon jetzt leisten die Arbeitgeber von Eltern einen großen Beitrag: Mit ihren Beiträgen zum Familienlastenausgleichsfonds finanzieren die Unternehmen den Großteil der Familienleistungen. Zu den oben genannten Rechten kommen noch die Rechte auf Elternteilzeit, Entgeltfortzahlung, Kündigungsschutz, etc. Übertreibt man es, kann das auf die Eltern zurückfallen. Kinder müssen der ganzen Gesellschaft ein Anliegen sein, daher darf nicht alles den Unternehmen aufgeladen und muss der "Papamonat" anders finanziert werden.
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profil: Warum bleibt der Rechtsanspruch der Väterkarenz so häufig ungenutzt?
Florian Holzinger: Dies ist eine schwierige Frage, denn auf die Entscheidung, in Väterkarenz zu gehen, wirken vielfältige Faktoren: die direkte Arbeitsumgebung und insbesondere die Einstellung der Vorgesetzten, aber auch der KollegInnen; die eigenen Rollenbilder der Väter, jene der Mütter und des familiären Umfelds; gesellschaftliche und kulturelle Vorbilder und Erwartungen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Entscheidung über Väterkarenz. Die Ursachen sind daher nach wie vor in traditionellen Rollenerwartungen an Frauen und Männer hinsichtlich Kinderbetreuung und Berufstätigkeit zu sehen. In Österreich gibt es nach wie vor eine sehr traditionelle Form der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern.Frauen werden für die häusliche Sphäre, Kinderbetreuung, Fürsorge zuständig gesehen und Männer für die außerhäusliche Erwerbstätigkeit und die Generierung von Einkommen und Wohlstand. Zwar weichen diese Vorstellungen langsam auf und werden von anderen Konzepten ersetzt, aber eben noch nicht in allen gesellschaftlichen Gruppen oder Milieus. Zudem beobachten wir immer wieder, dass Unternehmen gerade auch in Zeiten des Fachkräftemangels nicht bereit sind, Väterkarenz für ihre männlichen Fachkräfte zu ermöglichen. Zwar verbieten sie es nicht, aber sie unterstützen es ebensowenig und schaffen so ein Klima, in dem Väter nur gegen den Widerstand ihrer Vorgesetzten und teilweise auch gegen den der KollegInnen in Karenz gehen können.
Rolf Gleißner: Der Anteil der Väter in Karenz steigt. Die Zahlen zeigen, dass einer der Hauptgründe dafür, dass mehr Frauen als Männer in Karenz gehen, das in vielen Fällen höhere Einkommen von Vätern ist. Beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld liegt der Väteranteil bei 31%, bei den niedrigeren Pauschalvarianten im Schnitt bei 20%. Daneben sind auch private und wohl auch biologische Gründe (z.B. das Stillen) ausschlaggebend, dass Mütter mehr Zeit mit Kleinkindern verbringen.
Väter sind mit Widerständen konfrontiert – vor allem am Arbeitsplatz, und teilweise sind sie selbst auch immer noch traditionellen Männlichkeitskonstruktionen verhaftet. (Florian Holzinger)
Korinna Schumann: In vielen Köpfen ist noch fest verankert, dass man als Mann nicht in Karenz geht und sich um Haushalt und die Kindererziehung kümmert. Und auch wenn heute immer mehr Väter von klein an für ihre Kinder da sein und in Väterkarenz gehen wollen, wissen wir aus unserer Beratung, dass das nicht immer so einfach ist und im Betrieb oft nur schwer durchzusetzen ist. Viele Betroffene haben auch Angst, dass sich die Väterkarenz negativ auf ihre Karriere auswirken könnte. Dazu kommen die finanziellen Sorgen und, ob sich die Familie das überhaupt leisten kann.
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profil: Bemerken Sie im Zuge Ihrer Arbeit mit der Thematik noch immer eine gewisse Tabuisierung der Väterkarenz? Lösen sich die klassischen Geschlechterrollen langsam auf oder bestehen sie weiter?
Florian Holzinger: Ich würde in diesem Zusammenhang nicht von Tabuisierung sprechen. Aber Väter sind mit Widerständen konfrontiert – vor allem am Arbeitsplatz, und teilweise sind sie selbst auch immer noch traditionellen Männlichkeitskonstruktionen verhaftet. Sie sehen sich noch immer in der Rolle des Familienernährers und dies wird ihnen auch als gesellschaftlich relevant vorgehalten. Auch die kulturellen Vorbilder in Massenmedien ändern sich nur langsam – Kinder betreuende Väter sind noch immer nicht ganz im Mainstream angekommen, wie auch die Debatte über Männlichkeit anlässlich eines Fotos von Daniel Craig mit Baby im Tragetuch zeigt.
Korinna Schumann: Es hat sich zwar viel bewegt, aber die klassische Rollenverteilung, wonach der Vater einen gutbezahlten Job hat und viele Überstunden leistet und die Mutter wegen der Kinderbetreuung keine oder nur eine Teilzeitbeschäftigung ausübt, ist in Österreich vielfach gelebtes Familienmodell. Männer, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, sind somit auch dem gesellschaftlichen Rollen-Druck ausgesetzt.
Rolf Gleißner: Es wird von einzelnen Problemfällen berichtet, überwiegend haben sich Gesellschaft und Unternehmen schon so gewandelt, dass Väterkarenz meist akzeptiert wird. Das heißt nicht, dass die klassischen Rollen sich aufgelöst haben, zumal einige Faktoren diese begünstigen, wie das Stillen des Kindes, kurze Öffnungszeiten von Kindergärten, der häufig höhere Verdienst des Mannes, etc.
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profil: Welche Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach gesetzt werden, um die Attraktivität der Väterkarenz beziehungsweise des "Papamonats" zu erhöhen?
Florian Holzinger: Ich denke, es braucht gesellschaftliche Diskussionsprozesse und Vorbilder einerseits und ein Bewusstsein in den Unternehmen, dass die Unterstützung der Väter auch deren Motivation, Arbeitszufriedenheit und Bindung an das Unternehmen erhöhen kann. Hier braucht es Kampagnen der Interessensvertretungen, Beratungsangebote für Unternehmen, wie sie Väterkarenzen unterstützen und auch organisieren können. Ich denke, dass hier noch viel Aufhol- und Aufklärungsbedarf besteht.
Gleichzeitig braucht es aber auch klare Signale der Politik, wie die Verteilung von Erwerbsarbeit und (unbezahlter) Kinderbetreuung zwischen den Geschlechtern in Zukunft gestaltet werden sollte. Zwar erscheint dies zunächst als privates Problem, aber mit nachhaltigen gesellschaftlichen Auswirkungen. Wenn man den Anteil der Väter, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, tatsächlich erhöhen will, reicht es nicht aus, nur ein Instrument wie das Kinderbetreuungsgeld und den Papamonat einzuführen, sondern es braucht entsprechende begleitende Maßnahmen, die gesellschaftliche Diskurse auslösen und breit rezipiert werden. Diese hat es zu Beginn durchaus gegeben ("Echte Männer gehen in Karenz"), dies ist aber danach eingeschlafen und nunmehr öffentlich nur wenig präsent. Der gegenwärtige Diskurs der Bundesregierung über die steuerzahlenden Leistungsträger - diese werden fast ausschließlich in der männlichen Form bezeichnet - trägt sicher nicht dazu bei, Diskussionen über Männlichkeitskonstruktionen jenseits des Familienernährers zu motivieren.
Zwar kann der Papamonat von Vizekanzler Strache und seine Ankündigung, später auch für ein paar Wochen in Karenz gehen zu wollen, möglicherweise ein Signal für Väter sein, sich in Zukunft mehr in die Kinderbetreuung zu involvieren. Insofern wird hier ein Vorbild geschaffen. Allerdings stellt sich die Frage, wie involviert der Vizekanzler tatsächlich in die Kinderbetreuung ist, wenn er ebenfalls bekannt gibt, welche wichtigen beruflichen Termine er nicht versäumen kann. Gleichzeitig zeigt seine Bemerkung, dass er in der Karenz „meiner Frau und unserem Kind zur Seite stehen“ möchte, auch, dass für ihn Kinderbetreuung in erster Linie Frauensache ist. Der Mann wird hier als die Frau bei der Kinderbetreuung unterstützend vorgestellt, aber nicht als eine Person, die dies alleine, in selbstständiger Weise übernehmen könnte. Damit wären wir wieder bei den vorherrschenden traditionellen Rollenbildern in Österreich.
Korinna Schumann: Statt veraltete Rollenbilder weiter zu verfestigen, gilt es gesetzliche Maßnahmen zu setzen, die den modernen Lebensrealitäten entgegenkommen und sich der Zeit zu stellen. Daher sollte die Politik vermehrt Anreize setzen, damit sich Väter die Karenz mit der Mutter leichter teilen können. Eine gesetzliche Anrechnung der Karenzzeiten ist dafür ebenso wichtig wie der gesetzliche Rechtsanspruch auf den Papamonat. Auch Unternehmen profitieren von einem offeneren Umgang mit dem Thema. Denn Familienfreundlichkeit macht Unternehmen attraktiv und wirkt sich auf die Motivation der MitarbeiterInnen aus. Es braucht aber auch ganz dringend ein Umdenken in der Gesellschaft. Unbezahlte Arbeit darf nicht länger hauptsächlich und ganz selbstverständlich „Frauensache“ sein. Männer, die in Karenz gehen und mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, dürfen nicht unter Druck gesetzt oder belächelt werden. Ganz im Gegenteil: Wir müssen sie dabei ermutigen und unterstützen.
Rolf Gleißner: Natürlich sind Unternehmen daran interessiert, dass wichtige Mitarbeiter nicht für ein, zwei oder mehr Jahre ausfallen. Gleichzeitig sind Mütter und Väter meist zuverlässige, loyale Mitarbeiter. Unternehmen sollten daher Vätern jedenfalls eine Auszeit ermöglichen. Letztlich ist es aber Privatsache von Mutter und Vater, zu entscheiden, wer wie lange beim Kind bleibt.