Parteifinanzen: Drei Tricks bleiben trotz geplantem Gesetz legal
Parteien verwenden viel Energie dafür, ihre Finanzierung zu
verschleiern. Die Regierung verspricht nun strengere Prüfungen durch den Rechnungshof. profil erklärt, welche Tricks damit nicht mehr durchgehen - und welche schon.
Parteien haben etwas zu verheimlichen. Das legen zumindest die Umgehungskonstruktionen nahe, die infolge der Ibiza-Affäre öffentlich
wurden. Parteinahe Vereine wurden gegründet, um unbemerkt Spenden von vermögenden Privatpersonen und Konzernen einzusammeln,
Wahlkampfkosten wurden verschleiert, Prüfer genarrt. Anlässe, Parteifinanzen strenger zu prüfen, gab es also viele.
Der Abgang von Sebastian Kurz als Kanzler und ÖVP-Obmann dürfte die Verhandlungen beschleunigt haben: Am Montag der Vorwoche legte Türkis-Grün einen Entwurf zu neuen Transparenzbestimmungen vor, der die Handschrift von Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer trägt. Sie meint: "Das Ausmaß an krimineller Energie muss schon sehr groß sein, um diese Regeln noch zu umgehen." Das Ziel: finanzielles Fairplay für die Politik. Keine Partei solle sich mehr unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen können, sagt Maurer.
Fix ist die Umsetzung freilich noch nicht, die Regierung braucht für Teile des Vorhabens eine Zweidrittelmehrheit, muss also entweder SPÖ oder FPÖ überzeugen. Eine erste profil-Analyse zeigt: Einige altbekannte Tricks würden durch das Paket verunmöglicht - andere Finten blieben weiter völlig legal.
Wer den Rechenschaftsbericht der ÖVP für das Wahljahr 2019 sucht, wird feststellen: Er wurde noch immer nicht veröffentlicht. Zwar hat die
Partei ihren Bericht bereits beim Rechnungshof abgegeben, doch die Prüfer hatten Zweifel an der Richtigkeit der Zahlen. Allerdings dürfen die Kontrolleure nicht direkt in die Bücher der Parteien schauen, sondern erhalten nur zusammenfassende Berichte, erstellt von Wirtschaftsprüfern. Die Parteien müssen zwar Nachfragen des Rechnungshofs beantworten, aber keine konkreten Rechnungen vorlegen. Nur zu gerne hätte das Kontrollorgan die Belege der FPÖ durchstöbert, nachdem bekannt geworden war, dass der frühere Parteichef Heinz-Christian Strache private Ausgaben über die Partei abgerechnet haben soll.
Der türkis-grüne Entwurf würde das bei "begründetem Verdacht" ermöglichen. Sigrid Maurer hält das, neben höheren Strafen, für den "Gamechanger". Bei den Freiheitlichen sorgt die Idee für Bedenken: FPÖ-General Michael Schnedlitz fordert, dass es künftig eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat braucht, um die Rechnungshofpräsidentin zu wählen und abzuwählen - und nicht wie bisher eine einfache Mehrheit. Sonst könnte die Regierungsmehrheit die Prüfer unter Druck setzen, befürchtet Schnedlitz und sieht die Gefahr von "Willkür".
Wenn es im Wahlkampf um den Einzug ins Parlament oder gar um Platz eins geht, neigen Parteien dazu, sich über Gebühr zu verschulden. Sebastian Kurz (ÖVP) und Christian Kern (SPÖ) dürften ihren Parteien Schuldenberge in zweistelliger Millionenhöhe hinterlassen haben, schätzt Politikwissenschafter und Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger. Türkis-Grün will nun jede Partei verpflichten, ihre Vermögenswerte und Schuldenstände jährlich offenzulegen. Bei Kreditsummen über 50.000 Euro müssten laut Entwurf sogar die Kreditgeber und die Konditionen veröffentlicht werden.
Das schafft Transparenz nach außen, weil klar wird, bei wem Parteien in der Schuld stehen. Und es verunmöglicht, dass ein Kreditgeber eine Partei mit marktunüblichen Raten bevorzugt, was einer verdeckten Spende gleichkäme. Experte Sickinger sieht noch einen dritten Aspekt: "Das ist ein innerparteiliches Frühwarnsystem. Wenn den ÖVP-Funktionären bewusst gewesen wäre, dass Kurz am Ende des Jahres 2019 mit über 19 Millionen Euro bei Banken in der Kreide gestanden ist, dann hätte das vielleicht zu innerparteilichen Diskussionen geführt."
Die Angst vor zu viel Transparenz beflügelte bei den Sozialdemokraten die Kreativität. Als Vorfeldorganisation der SPÖ hätte die mächtige Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) ab 2012 ihre Einnahmen und Ausgaben im Rechenschaftsbericht der Partei veröffentlichen müssen. Das wollte sie ganz offensichtlich nicht. Also wurde die FSG aus dem Parteistatut gestrichen und hat seither - offiziell - nichts mehr mit der SPÖ zu tun. Auf roten Parteitagen, im Vorstand und auf Wahllisten mischt die FSG freilich weiter kräftig mit. Möglich macht das ein Verein namens GewerkschafterInnen in der SPÖ, der seit 2012 eine offizielle Vorfeldorganisation der SPÖ ist und Delegierte in Parteigremien schicken darf.
Der Kniff: Dem Verein gehören alle FSG-Teilgewerkschaften als juristische Personen an. Die FSG hat also einfach einen Verein zwischen sich und die SPÖ geschaltet, den sie selbst kontrolliert. Indem die FSG Mitgliedsbeiträge an den Zwischenverein zahlt, kann sie unbemerkt Gelder in Richtung SPÖ schieben. Dem will Türkis-Grün mit einer Lex FSG begegnen. Als nahestehende Organisationen würden laut dem Gesetzesentwurf künftig auch Organisationen gelten, die direkt oder indirekt Delegierte in Parteigremien entsenden dürfen. Damit müsste auch die FSG ihre Spenden, Fraktionsförderungen (etwa von der Arbeiterkammer) und ihre Mitgliedsbeiträge offenlegen. Jörg Leichtfried von der SPÖ bekennt sich grundsätzlich zu transparenten Finanzen, will den Entwurf aber noch "genauer studieren".
Dank Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist der Trick inzwischen weltberühmt. Auf Ibiza plauderte er aus, wie Parteien Spendengelder über private Vereine an der Rechnungshofkontrolle vorbeischleusen. Tatsächlich sammelten mehrere FPÖ-nahe Vereine Hunderttausende Euro von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen ein. "Patria Austria" heißt einer der Vereine im FPÖ-Umfeld, der im Verdacht steht, Spendengelder zum Teil für die Bundespräsidentenkampagne von Norbert Hofer eingesetzt zu haben. So könnte es den Freiheitlichen gelungen sein, Kostenstellen aus ihrer Parteibuchhaltung auszulagern.
Wie ließe sich diese Intransparenz verhindern? NEOS-Nationalrat Niki Scherak hätte eine Idee: "Es braucht einen Straftatbestand für illegale Parteienfinanzierung. Wenn ich dafür ins Gefängnis gehen kann, wird sich das ganz schnell aufhören." In Deutschland gibt es einen solchen Passus bereits, für Österreich ist er aktuell nicht geplant. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft musste mangels Tatbestands alle Ermittlungen gegen parteinahe Vereine einstellen.
"Wir haben klar gesagt, dass wir planen, die Wahlkampfkosten-Obergrenze einzuhalten", sagte die damalige ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger wenige Tage vor der Wahl 2017. Nach der Wahl stellte sich heraus: Die ÖVP gab fast das Doppelte der erlaubten sieben Millionen Euro aus. Und auch die SPÖ überschritt das Kostenlimit (knapp). Geht es nach Türkis-Grün, müssen Parteien künftig einen eigenen Wahlwerbungsbericht veröffentlichen, in dem alle Posten genau ausgeschildert werden, von Flyern bis zu Plakatwerbung. Das soll die Überprüfung erleichtern. Allerdings erst sechs Monate nach der Wahl, wie Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit kritisiert: "Damit wird es vor dem Wahltag weiterhin keine Transparenz geben, und die Wähler können das nicht in ihre Entscheidung miteinbeziehen. Das schafft nicht die Nachvollziehbarkeit, die nach all den Affären notwendig wäre."
Was haben russische Oligarchen mit der Wien Energie gemeinsam? Öffentlichen Unternehmen ist es, genauso wie ausländischen Geldgebern, strikt untersagt, an Parteien zu spenden. Es gibt aber eine Umgehungsmöglichkeit: In Parteizeitungen und Publikationen von Vorfeldorganisationen können Unternehmen wie die ÖBB, aber auch Ministerien so viele kostenpflichtige Anzeigen schalten, wie sie wollen - ob die bezahlten Summen immer dem Werbewert entsprechen, war in der Vergangenheit oft fraglich. Auch weil im Umfeld der Parteien viele Druckwerke entstehen, deren Empfängerkreis überschaubar ist. Diese Lücke bleibt trotz türkis-grünem Entwurf.
Und dafür gibt es für den Parteienfinanzierungsexperten Sickinger sogar gute Gründe: Anzeigen können ja sehr wohl auch einfach sein, was sie sein sollen: Werbung für das jeweilige Unternehmen. "Der rote Pensionistenverband und der schwarze Seniorenbund haben zum Beispiel jeweils über 300.000 Mitglieder. Die können mit ihren Magazinen auch eine entsprechende Reichweite für Inseratenkunden anbieten."Würde die Zahlung für ein Inserat den tatsächlichen Werbewert überschreiten, müsste sie allerdings als Spende an die Partei deklariert werden, meint Sickinger.