Patientenanwältin kritisiert Heime: „Massiver Schulungsbedarf“ bei Sterbehilfe
Das Recht zu Sterben, wann man möchte – das garantiert das Sterbeverfügungsgesetz seit zwei Jahren allen entscheidungsfähigen Menschen, die unter einer unheilbaren Krankheit leiden und volljährig sind. Doch es gibt offenbar Orte in Österreich, an denen dieses Gesetz beharrlich ignoriert wird.
Wie profil am Wochenende aufdeckte, untersagen die Betreiber mehrerer Pflegeheime ihren Bewohnern per Hausordnung, assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen. Einzelnen Klienten wurde sogar mit dem Rauswurf aus dem Heim gedroht, sollten sie bei Vorbereitungen zum Freitod erwischt werden.
Selbstbestimmtes Sterben ist jedoch ein Menschenrecht – und derartige Regelungen deshalb „nichtig“, so der Menschenrechtsbeirat der Volksanwaltschaft. Daraus folgt: Heime dürfen ihren Bewohnern nicht untersagen, das todbringende Präparat zu besorgen und einzunehmen.
„Tendenziöse“ Heimbetreiber
Die Sprecherin der Patienten- und Pflegeanwaltschaften in den neun Bundesländern reagiert nun auf den profil-Bericht: Michaela Wlattnig kann die Recherchen zum Teil aus eigener Erfahrung bestätigen. Die Interessensvertreterin ortet bei manchen Heimbetreibern ein „tendenziöses“ Verhalten – und zwar „in die Richtung gehend, alles zu tun, um einer Person den assistierten Suizid zu verweigern“.
Zu Beginn der Sterbehilfe Anfang 2022 beobachtete die Patientenvertreterin in den Heimen „Hinweise auf Verweigerung der Information über assistierten Suizid“. Es gab, erzählt Wlattnig, „Vorbehalte, dass die Patientenanwälte in die Einrichtung kommen, um über die Sterbeverfügung zu informieren und eine solche eventuell zu errichten“.
Wlattnig hält es auch für „bedenklich“, dass Pflegeheime im Falle eines Wunsches nach assistiertem Suizid, die Angehörigen darüber informieren. Das dürfe nur mit ausdrücklicher Zustimmung des betreffenden Bewohners erfolgen.
Rund um das Thema assistierter Suizid gibt es beim Pflegepersonal wenig konkretes Wissen über die rechtlichen Anforderungen und den konkreten Ablauf.
Immer wieder werden die Patientenanwaltschaften von Angehörigen der Sterbewilligen über den Wunsch nach assistiertem Suizid informiert. Dann führen die Patientenvertreter ein erstes Beratungsgespräch. Nach zwei ärztlichen Checks und einer Wartefrist von zumindest zwölf Wochen können Sterbeverfügungen errichtet werden – das ist die Voraussetzung, um das tödliche Präparat als Pille, Trinklösung oder Infusion in einer Apotheke zu besorgen.
Warum aber müssen die Patientenanwälte diese Beratungen in den Heimen durchführen, warum gibt es in den Einrichtungen selbst keine Zuständigen dafür?
Vorurteile und wenig Wissen beim Personal
„Auch noch zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gibt es beim Personal rund um das Thema assistierter Suizid wenig konkretes Wissen über die rechtlichen Anforderungen und den konkreten Ablauf“, kritisiert Wlattnig. Die Patientenanwältin spricht wörtlich von einem „massiven Schulungsbedarf, der – so meine Erfahrung aus vielen Vorträgen – meist zu einem Abbau der Vorurteile führt“.
Diese Schulungen sollten am besten die Heime selbst durchführen, fordert sie.
Der Bundesverband aller österreichischen Pflegeheime, der Verein Lebenswelt Heim, hat keinen Überblick darüber, wie die verschiedenen Einrichtungen im Land mit Sterbewünschen ihrer Bewohner umgehen. Der Verband hat aber eine „Handreichung“ zum Thema erarbeitet, in der alle Fragen angeführt werden, die Heimbetreiber klären sollten. Darunter: „Wie gelangt das todbringende Präparat in die Einrichtung und wo wird es verwahrt (definierte Ansprechperson)?“ Oder: „Wie sind Dienstpläne anzupassen, wenn ein AS (assistierter Suizid, Anm.) geplant ist?“ Und: „Gibt es klare Ansprechpersonen seitens des Rechtsträgers, wohin man sich wenden kann?“
In einigen Heimen lautet die Antwort auf diese Frage zwei Jahre nach der Legalisierung der passiven Sterbehilfe immer noch: Nein.