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„Sebastian Kurz war eine Katastrophe für Österreich“

In seinem neuen Buch fragt sich Paul Lendvai: „Wer bin ich?“ Mit profil sprach der Autor und Holocaust-Überlebende über ungebildete Politiker, gelungene Integration und beste Freunde mit NS-Vergangenheit.

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Herr Lendvai, Ihr neues Buch trägt den Titel „Wer bin ich?“, und die Antwort darauf ist vielfältig: Publizist, gebürtiger Ungar, Jude, Migrant, österreichischer Patriot, Europäer. Gibt es eine Identität, die mit dem Alter in den Vordergrund rückt?

Paul Lendvai

Im Vordergrund steht Österreich. Österreich ist für mich das Wichtigste.

Ein Politiker, der Sie stark beschäftigt hat, ist Bruno Kreisky, über den Sie auch eine Biografie geschrieben haben. Was fehlt den Politikern heute, wieso gibt es keine Kreiskys mehr?

Lendvai

Ich hatte viel Glück im Leben, eines davon war meine Nähe zum Ausnahmepolitiker Kreisky. Es gibt kaum jemanden, der so viele Wahlen gewonnen hat. In Wahrheit sind die anderen Zwerge gegen ihn.

Kreisky - Licht und Schatten einer Ära =

Alte Bekannte

Paul Lendvai (links) mit Bruno Kreisky im Jahr 1985:  „In Wahrheit sind die anderen Zwerge gegen ihn."

Woran liegt das?

Lendvai

Hauptsächlich an der Bildung. Die Politiker sind heute höchst ungebildet. Sie lesen nicht. Es ist ein Abstieg der politischen Klasse. Vielleicht war Österreichs letzter gebildeter Politiker Wolfgang Schüssel. Wenn er auch kein großer Sympathieträger ist, immerhin hat er Bücher gelesen und geschrieben. Der Abstieg der politischen Klasse ist gefährlich, weil sie für die politische Vertretung des Volkes so wichtig ist. Es sind weniger die Medien das Problem, sondern dass die Leute nur noch die Überschriften lesen.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.