„Perfide“ Aussage im Streit um die Staatsbürgerschaft
Guten Morgen!
So ein verlängertes Wochenende lädt förmlich dazu ein, sich mit guten Bekannten zu treffen und über das aktuelle politische Geschehen zu diskutieren – etwa über den neuen steirischen Landeshauptmann, die Inflation, die anstehende Bundespräsidentschaftswahl (die FPÖ-Spitze will heute beraten, wer ins Rennen um die Hofburg zieht), Österreichs Neutralität oder eine Lockerung des Staatsbürgerschaftsrechts. Die Themen gehen kaum aus. Und mitunter kann dann schon mal der Punkt kommen, an dem die Meinungen nicht diametraler sein könnten und eine wohlgepflegte Debatte in einen wilden Streit ausufert.
Dass ein rege Diskussion wichtig und eine konstruktive Streitkultur sinnhaft ist, haben sich meine Kolleg:innen Siobhán Geets und Clemens Neuhold schon länger gedacht und ein neues profil-Ressort auf die Beine gestellt: Unter dem schönen Signet „Streiten wir!“ debattieren zum Beispiel kluge Köpfe über das Weltgeschehen oder (gesellschafts-)politische Themen, die bewegen – in der aktuellen profil-Ausgabe Bundespräsident a.D. Heinz Fischer und AMS-Chef Johannes Kopf über Sinn und Zweck und Zukunft der österreichischen Neutralität.
Eine wilde Debatte ist am Wochenende auch zwischen der ÖVP und den Grünen entbrannt. Die Generalsekretärin der Volkspartei, Laura Sachslehner, sieht in den zuletzt gestiegenen Asylanträgen eine „Belastung“, unter der Österreich leide, wie sie auf Twitter verlautbart hat. Aus Reihen des grünen Koalitionspartners hagelt es Kritik: Die außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic ortet „rassistische Polemik“. Lukas Hammer, grüner Kilmasprecher, bittet Sachslehner, sich nicht so über schutzsuchende Menschen zu äußern – „bei so viel Menschenverachtung in einem Tweet“.
Was in einem Streit jedenfalls immer von Vorteil ist: Die Fakten auf seiner Seite zu haben. Etwas, das ÖVP-Generalsekretärin Sachslehner in der vorhergehenden Debatte (in der Koalition wird merklich nicht nur hinter verschlossenen Türen heftig diskutiert) um eine mögliche Lockerung des Staatsbürgerschaftsrechts - die von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ins Spiel gebracht wurde - nicht unbedingt von sich behaupten kann. In einer Aussendung meint die ÖVP-Politikerin, dass die deutliche Zunahme an Einbürgerungen im ersten Quartal 2022 belege, dass Erleichterungen bei der Vergabe eines österreichischen Passes absurd wären. „Das ist eine sehr perfide Aussage“, urteilt der Migrationsexperte Gerd Valchars: „Schließlich geht der Anstieg der Einbürgerungen im ersten Quartal 2022 praktisch ausschließlich auf Nachkommen von Verfolgten des Nationalsozialismus zurück. Für diese wurde eine neue Möglichkeit des Erwerbs geschaffen, um das Unrecht des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft in der Vergangenheit zu korrigieren“, so Valchars zu profil. Das zeigt auch ein einfacher Blick in die Aufzeichnungen der Statistik Austria.
Falls Sie für Ihre kommende Debatte (das nächste lange Wochenende kommt bestimmt) noch auf der Suche nach einer soliden Faktenbasis sind, darf ich Ihnen jedenfalls unseren faktiv-Newsletter ans Herz legen, den Sie hier abonnieren können.
Eine schöne (kurze) Woche,
Katharina Zwins