ORF-Experte Peter Hackmair: "Pastern war im Fußball weit verbreitet"
INTERVIEW: CLEMENS ENGERT
profil: Das sogenannte „Pastern“ war im Skisport weit verbreitet. Gab es das brutale Ritual auch im Fußball? Hackmair: Ja. Es passierte meistens im Trainingslager und lief eigentlich immer nach dem gleichen Schema ab: Ein junger Spieler, der gerade einen Profi-Vertrag unterschrieben hatte, wurde geschnappt, auf der Massagebank festgebunden und mit Badeschlapfen oder Ähnlichem geschlagen – oft, bis er geblutet hat. Dann wurde der Anus mit einer scharfen Traumasalbe eingerieben. Dazu kamen weitere Demütigungen, und zum Abschluss wurde der Kopf rasiert. Das Ganze dauerte zwischen 15 und 30 Minuten.
profil: Wie weit war das Ritual im Fußball verbreitet? Hackmair: Offenbar gab es das in irgendeiner Form bei vielen Profivereinen. Ich kannte die Berichte von Mitspielern aus den Nachwuchs-Nationalteams. Die Demütigung von jungen Spielern war gang und gäbe.
profil: Sie selbst konnten dem Pastern entgehen? Hackmair: Mein Glück war zunächst, dass ich noch keinen Profi-Vertrag hatte, als ich zur Kampfmannschaft stieß. Als ich schließlich einen Profi-Vertrag unterschrieben hatte, wusste ich, was mich beim nächsten Trainingslager erwarten würde. Ich hatte richtig Angst davor und sprach mit meinem damaligen Mentaltrainer darüber. Wir kontaktierten einen Rechtsanwalt, der den Verein mit möglichen juristischen Konsequenzen konfrontierte. Zunächst gab es ein Mords-Tamtam, doch schließlich hat der Verein das „Pastern“ verboten. In weiterer Folge informierte mein Mentaltrainer den ÖFB darüber, dass es das Ritual bei verschiedenen Vereinen gab. Auf unsere Initiative hin wurde es meines Wissens dann in allen Klubs unterbunden. Das war vor etwa zehn Jahren. Ich hoffe, dass das heute auch noch so ist.
Ich habe tatsächlich Spieler gesehen, die durch das Pastern regelrecht gebrochen wurden.
profil: Würden Sie die damaligen Übergriffe in den Bereich „sexualisierte Gewalt“ einordnen, oder ging es dabei eher um die Ausübung von Macht? Hackmair: Es ging vorrangig um Machtmissbrauch, wobei die Grenze zur körperlichen Gewalt klar überschritten wurde. Ob es in den Bereich des sexuellen Missbrauches fällt, müssen andere beurteilen. Ich verstehe erst heute, dass es damals wohl auch um Existenzängste ging. Die älteren Spieler hatten Angst, dass ihnen ein Junger den Platz wegnehmen könnte. Pastern war ja kein Ritual, um einen Spieler zu integrieren, sondern eher das genaue Gegenteil.
profil: War es nicht belastend, mit den Tätern gemeinsam in einer Mannschaft spielen zu müssen? Hackmair: Ja, das war ein echter Zwiespalt. Es ging eigentlich nur, weil man als junger Spieler den großen Traum hat, Profi zu werden, und sein ganzes Leben darauf hinarbeitet. Man hört dann nicht einfach nach einem solchen Vorfall auf – auch wenn es vielleicht konsequent gewesen wäre. Es gab allerdings schon einige, die den Verein möglichst rasch wechseln wollten, oder einfach hofften, dass die Spieler, welche die Übergriffe begangen hatten, selbst schnell weg sein würden.
profil: Haben Trainer und Funktionäre gar nicht auf diese Vorfälle reagiert? Hackmair: Es ist nicht absichtlich weggeschaut worden, es wurde aber auch nicht wirklich hingeschaut. Dass es dieses Problem gibt, war jedenfalls bekannt.
profil: Welche Auswirkungen hatte das Ritual auf die Psyche der Betroffenen? Hackmair: Ich habe tatsächlich Spieler gesehen, die durch das Pastern regelrecht gebrochen wurden.
Zur Person
Peter Hackmair, 1987 in Vöcklabruck geboren, spielte in allen Nachwuchsnationalteams Österreichs und absolvierte 120 Bundesliga-Spiele. Nach seinem Rücktritt als Aktiver 2012 veröffentlichte Hackmair mit „Träume verändern“ und „FREIGerEIST“ zwei Bücher. Seit 2015 arbeitet er für den ORF bei Live-Spielen als Analytiker. Mit seinem aktuellen Projekt „Träum weiter“ unterstützt Hackmair Menschen dabei, sich ihre Träume zu erfüllen.