Pferdestaffel: FPÖ-Traum mit fragwürdiger Auftragsvergabe
Als sich in der letzten Wiener Landtagssitzung im Mai der SPÖ-Abgeordnete Marcus Schober zu Wort meldete, lag eine Mischung aus Empörung und Fassungslosigkeit in seiner Stimme. Dass im 21. Jahrhundert, in dem man mit möglichen Cyberattacken rechnen müsste, eine berittene Polizei gefordert wird, gehe einfach nicht in sein "Hirn hinein", sagte er. So wie Schober geht es derzeit vielen.
Die gesamte politische Opposition schüttelt ungläubig den Kopf, Tierschützer sind in Aufruhr, selbst die Polizeigewerkschafter - bis auf die Spitze der freiheitlichen Personalvertreter - halten das Vorhaben von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) für eine Schnapsidee. Für die FPÖ hingegen erfüllt sich mit der Pferdestaffel, die ab nächstem Jahr probeweise im Polizeidienst sein soll, ein jahrelanger Traum. Für manche sogar mehr als das. Johann Tschürz zum Beispiel kann endlich wieder aufatmen.
Als der FPÖ-Landeshauptmannstellvertreter im Burgenland vergangenen August gemeinsam mit dem damaligen Wiener Vize-Bürgermeister und heutigen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus die Reiterstaffel im deutschen Rosenheim besuchte, zeigte er sich durchgehend "begeistert" von den Pferden im Polizeidienst - und zugleich maßlos schockiert: "So etwas in Österreich nicht zu haben", sagte Tschürz, sei "echt ein Wahnsinn".
Wo für Tschürz der Wahnsinn endet, beginnt er für andere: Bereits diese Woche startet die erste Ausbildungsphase für die Reiterstaffel. In den nächsten Monaten sollen 14 Pferde für einen ersten Probebetrieb beschafft werden. Währenddessen macht sich Markus Figl, ÖVP-Bezirksvorsteher in Wien-Innere Stadt, Sorgen um seine Pflastersteine, andere über steigendes Pferdeäpfelaufkommen. Werden auch den Polizeitieren, so wie den Fiakerpferden, Windeln verpasst? Müssen die Polizisten künftig Pferdegackerl-Sackerl bei sich tragen? Alles ungeklärt. Wie viel der Pferdespaß schlussendlich kosten wird, weiß niemand. Nicht einmal das Innenministerium (BMI) selbst.
Schon im Frühjahr 2016 stellte die FPÖ-Wien ein Konzept für eine Reiterstaffel in der Bundeshauptstadt vor, die auf der Donausinsel, im Prater oder in der Lobau Verbrecher abschrecken sollte. Für 20 Pferde rechneten die Freiheitlichen damals einmalige Anschaffungskosten in der Höhe von 100.000 Euro, sowie 50.000 Euro jährliche Kosten -mit diesem Budget wären die Tiere entweder niemals zu Polizeipferden ausgebildet worden, verwahrlost oder verhungert.
In Hamburg etwa, wo im April 2010 wieder eine Reiterstaffel mit zu Beginn fünf Pferden eingeführt wurde, fielen allein in den ersten acht Monaten rund eine halbe Million Euro an (ohne Personal). Innenminister Kickl ließ die Rechnung inzwischen nachbessern. Die Anschaffungskosten für 14 Tiere sowie Ausrüstung für Pferd und Polizist werden vom BMI nun mit rund 380.000 Euro beziffert. Die laufenden Kosten pro Jahr -unter anderem für Einstallung, Tierarzt, Hufschmied - mit rund 110.000 Euro. Der Haken an der Kostenrechnung: Die Pferde werden vorerst in der Reitanlage der Theresianischen Militärakademie in Wr. Neustadt (Ther-MILAK) ausgebildet und untergebracht, der geplante Standort in Wien ab 2019 ist laut Kickls Pressesprecher noch nicht gefunden. Das BMI kann also etwaige Umbau-oder Mietkosten noch gar nicht abschätzen.
Der zweite Haken: Anders als zu Beginn kolportiert, soll die berittene Polizei nicht allein in Wien eingesetzt werden, sondern "eine österreichweit agierende Einheit" werden, die vom BMI gesteuert wird. "Wenn die Staffel zum Beispiel in Salzburg gebraucht wird, dann wird sie dorthin geschickt", sagt Kickls Sprecher Christoph Pölzl gegenüber profil. Für die Hin-und Rückfahrt auf der Strecke Wien-Salzburg muss man für einen Tiertransporter mindestens 6,5 Stunden Fahrzeit berechnen. Die Pferde sollen laut der Münchner Reiterstaffel aus Tierschutzgründen nicht länger als vier Stunden am Tag im Dienst sein. Es werden also auch in der Nähe der jeweiligen Einsatzorte Stallungen gebraucht, in denen die 14 Pferde unterkommen können.
Was den Transport betreffe, sei jedenfalls eines klar, sagt Pölzl: "Die Pferde werden sicher nicht einzeln, sondern alle zusammen in einem Wagen transportiert." Nächstes Problem: "Solche großen Lkw für 14 Pferde findet man nicht", sagt Leopold Erasimus, Geschäftsführer des Österreichischen Pferdezuchtverbandes. Bleibt nur zu hoffen, dass das BMI hier gute Leasing-Verträge aushandelt, denn zwei neue Pferde-Lkw mit Platz für jeweils mindestens sieben Pferde können mehrere Hundertausend Euro kosten. Andererseits, glaubt man Werner Herbert, FPÖ-Nationalratsabgeordneter und Bundesvorsitzender der blauen Polizeigewerkschaft AUF, "dürfen die Probebetrieb- Kosten für die berittene Polizei" sowieso "kein Grund für die Ablehnung des Projektes sein".
Elisabeth Gürtler, die Generaldirektorin der Spanischen Hofreitschule, kann den FPÖ-Plänen nichts abgewinnen. Was Herbert Kickl davon hält, ließ er via Aussendung ausrichten: "Es mutet schon ein wenig seltsam an, wenn eine Pferdeliebhaberin eine 'Berittene Polizei' ablehnt." Das sei doch "ein Widerspruch in sich". Gürtler wurde in die Diskussion um die Reiterstaffel nur deshalb involviert, weil Kickl Ende Mai in einer E-Mail, die an alle Polizisten im Land ging, unter anderem erklärte: "Vertreter der Spanischen Hofreitschule unterstützen dieses Projekt und sehen es sehr positiv." Später stellte sich heraus, dass Gürtler weder von dem Schreiben wusste, noch eine Befürworterin einer Reiterstaffel ist. Lediglich der Gestütsleiter der Spanischen Hofreitschule unterstütze privat das Projekt. Laut Kickls Pressesprecher war das "ein kleiner Formulierungsfehler".
Zumindest im FPÖ-Umfeld verbindet die Pferdefreundschaft. Werner Kaizar, Pressesprecher von Wiens Vizebürgermeister Dominik Nepp (Kaizar war zuvor auch Pressesprecher von Johann Gudenus), hat das Konzept für die Reiterstaffel maßgeblich mitkonzipiert. Dass Kaizar selbst ein begeisterter Reiter ist, lässt sich kaum übersehen: Er präsentiert sich gern im Look des britischen Landadels, trägt Tweed-Anzüge, und -wenn es der Anlass erlaubt -dazu Reiterstiefel. Sein Pferd "Herzog von Cumberland" ist derzeit in den Stallungen der TherMILAK untergebracht.
Bis Ende 2015 wurden in der Militärakademie Offiziere im Reiten ausgebildet, danach wurde das Programm vom Verteidigungsministerium beendet. Der Reitstall der TherMILAK mit Reiterhalle, drei Springplätzen, einem Rennplatz und 33 Pferdeboxen wurde danach vom Zweigverein Reiten des Heeressportvereins (HSV) unter der Leitung von Oberstleutnant P., ehemaliger Ausbildungsleiter beim Bundesheer, angemietet. FPÖ-Pressesprecher Kaizar ist Mitglied im HSV - und sitzt auch gemeinsam mit P. im sechsköpfigen Projektteam des BMI für die Reiterstaffel.
P., der bereits Anfang des Jahres Zeitungsberichte und TV-Beiträge zu einer möglichen Einführung einer berittenen Polizei auf seiner Facebook-Site teilte, soll künftig Ausbildungsleiter der Reiterstaffel werden. "Die Verhandlungen mit dem Innenministerium laufen in diese Richtung", bestätigt auch Michael Bauer, Presseprecher des Verteidigungsministeriums, gegenüber profil. Brisantes Detail: P. darf mit seinem Verein auf dem Militärgelände keinen Gewinn machen; seine Frau, eine erfolgreiche Showreiterin, hat aber laut Wirtschaftskammer ein Gewerbe unter dem Titel "Pferde-und Reittrainer; Reitställe, Pferdepensionen" angemeldet und ab Herbst 2016 entgeltlich Reitstunden auf dem Gelände der Militärakademie angeboten. "Wir haben im Frühsommer 2017 davon erfahren und das sofort abgestellt", sagt Bauer. Rechtliche Schritte würden derzeit geprüft. Das BMI wollte sich bis Redaktionsschluss dazu nicht mehr äußern. Für die NEOS-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper ist die Sache damit jedenfalls nicht ausgesessen:
"Das Vorgehen des BMI offenbart ein Beziehungsgeflecht von Profiteuren im Umfeld der FPÖ und des Heeressportvereins, das eine mehr als schiefe Optik auf die Pferdeambitionen von Innenminister Kickl wirft", sagt sie zu profil. Sie stellt nun sowohl an den Innen-als auch an den Verteidigungsminister eine parlamentarische Anfrage.