Ein Mann hält die Hand einer älteren Frau
Pflege

Pflegeheime: Volksanwaltschaft zeigt Mängel bei Schmerzmanagement auf

In vielen Fällen lassen sich Schmerzen vermeiden – vorausgesetzt, sie werden erkannt. Die Volksanwaltschaft kritisiert mangelndes Schmerzmanagement in österreichischen Pflegeheimen.

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Eine Horrorvorstellung ist in vielen österreichischen Alten- und Pflegeheimen Realität: Ein Patient hat Schmerzen, bekommt aber nicht die benötigten Medikamente. Diese Schmerzen können chronisch werden, zu einer Senkung der Lebensqualität und zu Depressionen und Schlafstörungen führen.

Von Juli 2022 bis September 2023 überprüfte die Volksanwaltschaft schwerpunktmäßig 123 Einrichtungen in allen Bundesländern und sprach mit 1511 Bewohner:innen. Zwar fanden die Prüfer keine „vor Schmerzen wimmernde“ Patienten vor, dafür jede Menge Menschenrechtsverletzungen. „Wenn Menschen ihre Schmerzen nicht äußern können, kann das auch zu Gewalt führen“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz. Unterlassene Behandlung von Schmerzen verletzte die „Europäische Charta der Patientenrechte.“ Diese enthält das Recht auf Vermeidung unnötiger Leiden und Schmerzen.

Kein Schmerzmanagement in Heimen

80 Prozent aller Menschen in Alten- und Pflegeheimen müssen mit Schmerzen leben, und das wäre „in vielen Fällen vermeidbar“, so der Volksanwalt weiter: „Schmerzen müssen sofort behandelt werden. Das ist nur möglich, wenn sie rechtzeitig erkannt werden.“ Doch nicht alle Patient:innen können auf ihre Schmerzen aufmerksam machen. Menschen mit Demenz oder kognitiven Beeinträchtigungen haben oft Schwierigkeiten, mit dem Pflegepersonal zu kommunizieren. Das betrifft etwa 60 Prozent der Bewohner:innen aller Heime. Wenn die Schmerzen nicht aufhören, trägt das auch zu weiteren Verschlechterungen von Krankheiten wie Demenz bei.

Dabei sei es für das Personal wichtig, aktiv auf Patient:innen einzugehen, betont Pflegewissenschafterin Esther Kirchberger – auch auf jene, die nicht zur Last fallen wollen. Denn selbst Partien:innen, die sich Hilfe holen könnten, werden laut einem Prüfbericht der Volksanwaltschaft nicht entsprechend versorgt.

Ein gravierender Mangel ist, dass ein Viertel der Alten- und Pflegeheime kein professionelles Schmerzmanagement nach modernen medizinischen Erkenntnissen vorweisen können. Dieses beinhaltet ein mehrstufiges Verfahren, bei dem zuerst überprüft wird, ob jemand Schmerzen hat (1. Schritt), welche Symptome die Person aufweist (2.), wie sie behandelt werden muss (3.), und ob die Behandlung hilft. Diese Instrumente werden jedoch zu wenig eingesetzt. Auf die Mängel angesprochen, erklären Heimbetreiber, nicht gewusst zu haben, dass alle genannten Aspekte für eine erfolgreiche Schmerzbehandlung notwendig sind. Sie fragen vielleicht nach, wo Patientinnen Schmerzen spüren, aber nicht wie er sich anfühlt: pochend, brennend oder klopfend. Oft fehlt das Personal, das Wissen oder beides.

Ein Lichtblick: In den meisten untersuchten Einrichtungen finden Schulungen zum Schmerzmanagement statt – die überwiegende Mehrheit davon hat auch sogenannte Pain Nurses in Ausbildung. Dort werden sie auf betreuungsintensive Fälle vorbereitet.

Volksanwaltschaft fordert Gesetzesänderungen

Um die Mängel zu beheben, empfiehlt die Volksanwaltschaft eine Reihe von Maßnahmen. Schmerzen müssten in jeder Einrichtung standardisiert erfasst und behandelt werden. Vom optimalen Zustand sei man laut Pflegewissenschafterin Kirchberger „weit entfernt“. Sie ist Mitglied der Schwerpunktkommission und kritisiert, dass es zwar hoch wirksame Medikamente gegen Schmerzen gibt – diese jedoch nicht optimal eingesetzt werden. Wenn in einem Heim kein Arzt rund um die Uhr zur Verfügung steht, kommen Betroffene nicht schnell genug zum Heilmittel. Das bedeutet, dass Patienten unnötig lang auf eine ärztliche Verordnung oder eine Spitalseinweisung warten müssen. Stattdessen brauche es in jeder Pflegeeinrichtung ein Notfalldepot an stärkerer Medikation.

Achitz‘ Appell richtet sich auch an die Politik: „Das vollständige Einsetzen eines Schmerzmanagements braucht ausgebildetes Personal. Damit dieses Personal zur Verfügung gestellt und finanziert werden kann, braucht es wieder politische Maßnahmen.“

Prognosen der Gesundheit Österreich GmbH gehen davon aus, dass in Österreich mit jedem Jahr zwischen 5.000 und 6.000 zusätzliche Personen für den Bereich Pflege und Betreuung benötigt werden. Die anstehende Pensionierungswelle wird bis zum Jahr 2040 57.300 Stellen unbesetzt hinterlassen. Offensiven zur Personalrekrutierung, ein effizienteres System und ein verstärkter Fokus auf Prävention sind notwendige Schritte, um den jährlichen Mehrbedarf zu decken.

Eine Drehschraube dafür ist ein funktionierendes Schmerzmanagement. Wenn es diplomierten Pflegerinnen gesetzlich erlaubt wäre, Patient:innen in Pflegeheimen vor Ort mit stärkeren Medikamenten zu behandelt, könnten Krankenhausressourcen geschont werden, argumentiert die Volksanwaltschaft.

Lesetipp

Wie das Dossier-Magazin in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, sind Missstände, Vernachlässigung und Gewalt in der Altenpflege keine Seltenheit.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.