Wie profil aus Justizkreisen bestätigt wurde, könnte das Band jetzt auch den Urheber in Bedrängnis bringen. Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit dem Pilnacek-Tape gegen eine Person, weil sie ohne Einverständnis des Betroffenen ein nicht öffentliches Gespräch aufnahm und das Band veröffentlichte. Der Strafrahmen für den „Missbrauch von Abhörgeräten“ beträgt ein Jahr. Handelt es sich beim Beschuldigten um Mattura?
Naheliegend wäre es, schließlich stammt das Band von ihm, bestätigt wurde es aber nicht. Die Staatsanwaltschaft darf keine Namen nennen. Um wegen eines Tonbandmitschnitts zu ermitteln, bräuchte es eigentlich die Freigabe des Betroffenen. Die kann Pilnacek nicht mehr erteilen. Doch der dritte Mann, der am Tisch saß, der Unternehmer Rauball, erklärte gegenüber profil, er hätte bei seiner Einvernahme durch das Landeskriminalamt „darauf bestanden, Ermittlungen gegen Herrn Mattura einzuleiten, da ich auch Opfer dieses illegalen Aktes war“. Er, Rauball, hätte von dem Tonmitschnitt nichts gewusst. Das Motiv Matturas sei ihm „schleierhaft“.
Anhaltspunkte dazu liefert die bisher unbekannte Vergangenheit von Ton-Mann Mattura.
Matturas zwielichtige Vergangenheit
Der Niederösterreicher, der in einem Dorf nahe St. Pölten aufwuchs, ist zwar erst 38 Jahre alt, hat aber bereits eine filmreife Karriere hingelegt – nicht gerade im positiven Sinne.
Als 22-Jähriger schloss er sich – wie viele andere politische Glücksritter – dem BZÖ unter dem damaligen Parteichef Jörg Haider an. Bald besetzte er die bedeutungslose Rolle des BZÖ-Obmanns seines Heimatbezirks Melk.
Schon damals konnte man erahnen, dass Mattura Ambitionen hat, bloß wollte es nicht so recht klappen. Kandidaturen für das BZÖ brachten ihm kein Mandat ein, im Jahr 2011 setzte es dann den ersten großen Dämpfer: Mattura schlitterte in die Privatinsolvenz, die Schuld ist inzwischen getilgt.
Heute hat Mattura laut profil-Informationen seinen Wohnsitz auf der Isle of Man in der Irischen See, die Insel gilt bei Reichen, Konzernen und Gaunern als beliebtes Steuerparadies.
Ist das ein Indiz, dass ihm in den Folgejahren geschäftlich mehr Glück gegönnt war?
Gut möglich: Denn Mattura knüpfte Kontakte in die Unterwelt, zu den Bossen von illegalen Glücksspiel-Lokalen. Ab 2016 trat der Ex-BZÖler als Sprecher der Schutzvereinigung der Automatenwirtschaft auf. Das war ein Zusammenschluss von Wirten und Unternehmern, die infolge der Glücksspielreform 2011 ihre Berechtigung zum Aufstellen von Glücksspielautomaten verloren hatten. Einige der Betreiber machten illegalerweise weiter, die Vereinigung war ihr politisches Sprachrohr. Und Mattura ihr Gesicht nach draußen.
Lobbyist für Glücksspiel-Betreiber
Im Namen der Betreiber lobbyierte er gegen den Branchenriesen Novomatic, der sich aus Sicht der kleinen Aufsteller mit dem Gesetz seiner Konkurrenten entledigt hatte, weil nun pro Bundesland nur mehr eine Handvoll Konzessionen vergeben wurden.
Dem Verband ging irgendwann das Geld aus, auch weil der Kontrolldruck der Finanzpolizei gegen illegale Automaten zunahm. Eine illegale Glücksspiel-Gruppierung war allerdings bereits damals so mächtig, dass sie Verwaltungsstrafen aus der Portokasse berappte – und die Behörden über Jahre zum Narren hielt.
Die Rede ist von der mutmaßlich kriminellen Organisation unter der Leitung des Oberösterreichs S., der auch unter dem Spitznamen „Phantom“ bekannt ist – aktuell ermittelt die WKStA mit Unterstützung des Bundeskriminalamts gegen die Truppe. profil berichtete ausführlich.
Eine profil vorliegende „Einstellungszusage“ zeigt, was bisher geheim war: Mattura dürfte ab Juni 2020 für eben diese Gruppierung tätig gewesen sein, die in ihrer Hochphase über 50 illegale Glücksspiellokale kontrollierte und mehrstellige Millionenumsätze machte. „Hiermit wird bestätigt, dass Herr Christian Mattura in unserem Unternehmen als Vollzeitkraft (Servicedienstmitarbeiter) mit einem Bruttoeinkommen von EUR 3.000,- beschäftigt wird“, heißt es in dem Schrieb eines Logistikunternehmens, das die Ermittler dem Netzwerk von S. zurechnen – die Firma betrieb eine Lagerhalle unweit von Wels, in der knapp 1000 Glücksspielautomaten lagerten. Sie dienten als Nachschub, falls die Finanz in den Lokalitäten der Gruppe Geräte einkassierte.
Wie aber passen Matturas Aktivitäten in der Schattenwelt mit seiner Abhörfalle gegen Pilnacek zusammen?
Konnex zu Pilnacek
Im Ermittlungsakt zur Glücksspiel-Gruppierung findet sich dazu zumindest eine interessante Parallele: Laut dem Kronzeugen im Verfahren, einem früheren Mitstreiter der Gruppe, der vor den Ermittlern umfassend ausgepackt hat, wickelte Mattura einen Spezialauftrag für die Organisation ab – bei dem es am Rande auch um Pilnacek ging.
Der Kronzeuge: „Zu Mattura kann ich angeben, dass S. (der mutmaßliche Kopf der Gruppe) ihn mir im Jahr 2019 vorgestellt hat.“ Mattura habe Geld von S. erhalten, damit er ein Negativ-Campaigning gegen die Novomativ fährt – und zwar mit der Webseite novopate.com. Auf dieser Seite tauchte auch Pilnacek auf.
Die Seite, die 2020 online ging, wurde zwar längst vom Netz genommen, es lassen sich aber historische Versionen der Webseite finden. Dort wird bevorzugt Johann Graf – Gründer und Eigentümer des Milliardenkonzerns Novomatic – als „Novopate“ ins Visier genommen. Teils speisten sich die Infos aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss, teils waren es aber auch krude Spekulationen und Besudelungen ohne Belege. Christian Pilnacek wurde den Usern als angeblich „mächtiger Beschützer“ der Novomatic präsentiert, als deren „Vertrauensmann in der Justiz“.
Hat Mattura diese Seite für einen Betreiber von illegalen Glücksspielen aufgebaut, um einen Konkurrenten und mehrere Beamte anzupatzen? Jener Mattura, der bis heute eine Firma besitzt, die auf Softwaredienstleistungen spezialisiert ist?
Mattura antwortet per WhatsApp
profil konfrontierte den 38-jährigen per WhatsApp mit den Recherchen. Mattura antwortete prompt, „dass ich im Zusammenhang mit der Pilnacek-Aufnahme weder von Dritten beauftragt wurde, noch habe ich dafür eine finanzielle Entlohnung erhalten“. Das Thema Glücksspiel sei für ihn „bereits seit drei Jahren abgeschlossen“. Fragen zu seiner möglichen Involvierung bei der „Novopate“-Seite (die vor bald vier Jahren online ging) und zu seiner Tätigkeit für illegale Glücksspielbetreiber beantwortete er nicht.
Auch zu den Ermittlungen im Tonband-Fall, zu seiner Privatinsolvenz und zu seinem Wohnsitz in einem Steuerparadies hüllte er sich in Schweigen.
Kurz nach Erscheinen des Tonbands bestritt Mattura gegenüber der „Presse“, dass es ihm um Rache gegangen sei, wobei er dabei ungeschickterweise ein paar pikante Details verriet: „Es gibt seit vier Jahren ein Verfahren, in dem es ums Glücksspiel geht, das aber noch läuft und zu dem ich nichts sagen kann. Losgetreten von der ÖVP und der Novomatic. Auch Pilnacek soll dabei eine Rolle gespielt haben.“ Mattura habe Pilnacek offen darauf angesprochen und die Sache sei geklärt.
Ob es sich dabei um das Verfahren gegen die oberösterreichische Gruppierung handelt, für die Mattura tätig war, bleibt unklar.
Weniger kryptisch ist Matturas Whats-App-Statusnachricht. Dort sind zwei Emojis zu sehen: Ein vierblättriges Kleeblatt und die Flagge der Isle of Man.