Auf Selbstkritik wartet man bei Weber vergeblich. Für ihn verantwortlich: die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ), deren stellvertretende Chefredakteurin Föderl-Schmid ist. „Hätte die SZ die Vorwürfe von Anfang an ernst genommen, dann würden wir uns nicht in dieser dramatischen Situation befinden, dass Frau Föderl-Schmid bedauerlicherweise im Krankenhaus liegt und ich als Verrückter dargestellt werde“, sagt Weber.
Überhaupt geht es, wenn Weber über die Causa spricht, vor allem um ihn. Er sieht sich als Opfer und sagt, dass er Angst habe, in einem Wirtshaus angefeindet zu werden. Und er sagt: „Ich bin 53 Jahre alt, ich habe in meinem Leben schon viele Krisen überlebt. Im Moment denke ich, dass ich auch das überstehen werde.“
Anfänge bei der „Krone“
Weber kann nicht schweigen. Zwar hat er seit dem 8. Februar, dem Tag, an dem Föderl-Schmid als vermisst gemeldet wurde, seinen sonst so aktiven Twitterkanal nicht mehr bespielt. Im Hintergrund geht die Arbeit aber weiter. Er schickt neue Vorwürfe an Redaktionen aus, stellt ihnen Fragen und bittet um Stellungnahmen.
Mit profil wollte Weber ursprünglich nicht sprechen. Er erklärte, dass er sich vorerst gegenüber Medien nicht äußern wollte. Zwölf Stunden später willigte er plötzlich doch zu einem Gespräch ein. Es ist nicht ganz leicht, aus dem Mann schlau zu werden, der sich seit 20 Jahren immer wieder mit schweren Anwürfen in die Schlagzeilen drängt. Zwei Dinge, so scheint es, treiben ihn an: seine Nähe zu sich selbst und der Frust über die gescheiterte Karriere auf der Uni.
Alles begann in Salzburg. Dort war Weber Anfang der 1990er-Jahre als Journalist und später als Wissenschafter tätig. Während seiner Arbeit im Lokalteil der Salzburger „Kronen Zeitung“ schrieb er ein Feldtagebuch. Die Notizen wurden 1995 zu einer der wichtigsten Quellen seines Buches „Nachrichtenkonstruktion im Boulevardmedium“. Es ist eine kritische Abhandlung des Geschäftsmodells des Boulevardblatts und davon, wie die „Krone“ gegen unliebsame Politiker kampagnisierte und die Nähe zur erstarkenden FPÖ suchte. Im Jahr darauf erschien seine Dissertation „Die Dualisierung des Erkennens“.
Jagd statt Uni
Doch aus der Wissenschaftskarriere wurde nichts, Weber musste sich mit befristeten Projekten zufrieden geben: eine Kränkung. Sie ist einer der zentralen Brüche in Webers Leben, diese Deutung drängt sich auf. In Interviews und Büchern geht es immer wieder um diese Schmach, um seine Liebe zur Universität, die unerwidert blieb.
Von seiner künftigen Mission erfuhr Weber 2004 durch Zufall. Er erhielt ein E-Mail, das ihn auf ein Plagiat seiner Dissertation hinwies. Am Anfang seiner Karriere stand die Frage: „Wie viele unentdeckte Plagiate meiner Doktorarbeit mag es geben?“, schrieb er später in einem Buch.
An Selbstbewusstsein mangelt es Weber nicht. Im Vorwort zu seinem Buch „Auf Plagiatsjagd“ schrieb er 2023: „Man wunderte sich sogar einmal über mein ‚fotografisches Gedächtnis‘, nachdem ich wieder die beste schriftliche Klausurarbeit abgegeben hatte. Mehr als einmal war ich meinen akademischen Mitmenschen suspekt, weil ich einen Text so schnell aus dem Hut zaubern konnte.“ In einem Interview mit dem Onlinemedium „Talkaccino“ sagte er Anfang Jänner: „Zunächst finde ich jemanden super. Mit der Zeit entdecke ich allerdings Fehler. Und irgendwann fange ich dann an, die Person zu verspotten, weil ich sie nicht mehr ernst nehmen kann.“ Für narzisstisch hält sich Weber nicht, im Gespräch mit profil sagt er, dass er es gut finde, nur sehr wenige, dafür aber sehr enge Freunde zu haben.
Der Spürhund als Richter
Schon früh gab es Menschen, die vor Webers Methoden warnten. Im August 2007 veröffentlichte der „Standard“ einen Gastkommentar von Webers Doktorvater, Kommunikationswissenschafter Peter Bruck. Damals hatte sich Weber im Auftrag des grünen Abgeordneten Peter Pilz Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) vorgeknöpft und war mit scharfen Sagern aufgefallen. Bruck erklärte Webers gerechtfertigtes Anliegen, „das Google-Paste-Syndrom“ zu bekämpfen, also die sich aufgrund neuer Technologien und überforderter Dozenten häufenden Plagiate. Über den Fall Hahn schrieb Bruck aber: „Weber hat gezielt ein boulevardeskes Medien-Halali erzeugt und sich vom Spürhund zum Jäger und vom Jäger zum Richter gewandelt.“
Hahn war der erste Politiker, dem sich Weber widmete. Es folgten Vertreter der ÖVP, der SPÖ und der Grünen, Menschen aus Kunst und Kultur wie Staatsoperndirektor Bogdan Roščić und Simulationsforscher Nikolas Popper. Oft griffen auch die Medien Webers Gutachten auf, die großen Skandale blieben im Regelfall aber aus. Zwar musste Bundesministerin Christine Aschbacher (ÖVP) 2021 nach Plagitatsvorwürfen zurücktreten, Justizministerin Alma Zadić (Grüne) aber blieb im Amt, obwohl Weber 2022 ihre Doktorarbeit ein „Blendwerk“ genannt hatte. Die Universität Wien konnte kein Plagiat feststellen. Die TU Wien prüfte 2023 Poppers Dissertation, die für Weber nie hätte angenommen werden dürfen, und hielt fest, dass kein Zweifel an der Originalität vorliege.
Eines ist für Weber allerdings klar: Er hat keine politische Schlagseite. Ganz egal wessen Arbeiten er untersucht oder wer seine Gutachten in Auftrag gegeben hat, er habe immer ergebnisoffen gearbeitet. „Was das betrifft, habe ich eine absolut hohe Ethik“, sagt er im Gespräch mit profil.
Der entrechtete Mann
So sei es auch bei Föderl-Schmid gewesen. Weber sagt, er habe nach Financiers für das Gutachten gesucht und sei eben bei NIUS fündig geworden. Die Kritik an dem vom ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt gegründeten Portal hält er für falsch: „Wenn man sagt, dass Reichelt hetzt und die Gesellschaft spaltet, muss man auch sagen, dass Barbara Tóth erst recht hetzt und die Gesellschaft spaltet.“ „Falter“-Journalistin Tóth erklärte in der vergangenen Woche, die vermeintlichen Plagiatsfragmente in Föderl-Schmids Dissertation seien kaum beanstandenswert und kritisierte Weber und Reichelt für ihre groben Vorwürfe.
Weber gibt jedenfalls gerne die rechte Erzählung des entrechteten Mannes wieder. In einer Befangenheitserklärung, die er seinem Urteil über Föderl-Schmid beifügte, erklärte er seinen Ärger über die „bundesdeutschen Cultural und Gender Studies“, die an der Uni Salzburg die Macht übernommen hätten.
Er bedauert diesen politischen Seitenhieb, wie Weber im profil-Gespräch sagt, mit Gender Studies habe er sich noch nie beschäftigt. Doch schon in „Auf Plagiatsjagd“ beschwerte er sich, wie so oft, über die mangelnde Bedeutung von Qualifikation und echtem Können für wissenschaftliche Karrieren. Stattdessen seien Zufall sowie Kontakte entscheidend – und das Geschlecht. Und zitiert einen Wegbegleiter in dem Zusammenhang mit den Worten: „Du müsstest jetzt eine Frau sein.“