Plagiatsverdacht gegen steirischen ÖVP-Politiker Buchmann
Das zentrale Thema der Dissertation hat auch Jahre später nichts von seiner Dringlichkeit verloren: „Die Wirtschaft im Spannungsfeld von Zentrum und Peripherie: Ansätze zur Rückholung der Kundenkaufkraft in die City am Beispiel der Landeshauptstadt Graz“. Verfasst im Jahr 2000 von Christian Buchmann, damals Mitarbeiter der Wirtschaftskammer Steiermark und Grazer ÖVP-Gemeinderat, später Stadtrat, seit 2005 Mitglied der steirischen Landesregierung. 1998 hatte der heute 53-jährige Grazer an der Karl-Franzens-Universität spondiert, 2000 promovierte er ebenda zum Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Nun lastet ein Plagiatsverdacht auf Buchmanns damaliger Arbeit.
Buchmann, zwischen 2007 und 2008 auch stellvertretender ÖVP-Bundesparteiobmann, soll in seinem 179-seitigen Elaborat (zuzüglich Anhang) an zahlreichen Stellen vorwiegend deutsche Fachliteratur abgekupfert haben. Anfang vergangener Woche ereilte das Rektorat der Universität Graz unter dem Vorsitz von Christine Neuper, ein 38-seitiges Gutachten eines Mannes, dessen detektivische Arbeit in der Vergangenheit immer wieder für angeregte Debatten im und um den akademischen Betrieb sorgte: der Salzburger Medienwissenschaftler und Publizist Stefan Weber, ein Sachverständiger für Plagiatsprüfungen.
Weber analysierte Buchmanns Dissertation im Auftrag namentlich nicht genannter Auftraggeber mittels spezieller Software (Turnitin, WCopyfind, Unplag). Die mit 20. Juni datierte Expertise liegt profil vollständig vor. „Die Dissertation umfasst 179 Seiten exklusive Anhang. Plagiatsstellen wurden auf 53 Seiten gefunden, das sind 29,6 Prozent der Seitenanzahl … Plagiatsstellen wurden von Seite 9 (der ersten Seite Fließtext) bis Seite 165 gefunden“, schreibt Weber. Und weiter: „Als Ergebnis der auf der Turnitin-Softwareprüfung aufbauenden komparatistischen Tiefenprüfung mit WCopyfind sowie der Prüfung mit Unplag ist festzuhalten, dass sich in der Dissertation mannigfaltige Plagiatsstellen befinden, die in Summe werkprägenden Charakter haben und deutlich auf eine Erschleichungsabsicht des Verfassers hinweisen.“
Demnach soll der amtierende steirische Landesrat für Wirtschaft, Tourismus, Europa und Kultur seine Quellen zwar korrekt im Literaturverzeichnis abgebildet, im Manuskript selbst aber wiederholt keine oder nur unzulängliche Quellenangaben gemacht haben. Mehrere Passagen sollen überhaupt wörtlich abgeschrieben worden sein. Dies legt zumindest Webers Gutachten nahe.
Weber fand in der Dissertation fast 70 kritische Stellen.
Auf Grundlage von zunächst zehn online nicht verfügbaren Literaturtiteln aus den neunziger Jahren stieß der Sachverständige auf vorerst fast 70 problematische Passagen. So heißt es im Gutachten auch: „Die Rekonstruktion des Gutachters kann keine Vollständigkeit beanspruchen. Es gilt wohl: Je mehr Offline-Literaturtitel man einscannen und vergleichen würde, desto mehr Übernahmen würden mutmaßlich entdeckt werden. Die hier dokumentierten Übernahmen überschreiten die Bagatellgrenze erheblich, weshalb die Dokumentation nach zehn Print-Literaturtiteln zunächst abgebrochen wurde.“ Besonders inspirierend dürfte Buchmann die Publikation „Standortfragen des Handels“, herausgegeben 1995 von der deutschen Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels, gefunden haben. Weber fand in der Dissertation mehr als 30 kritische Stellen. Auch Inhalte aus der 1998 erschienenen Studie „Innenstadt und Einzelhandel“ (Herausgeber: die deutsche Bundesanstalt für Straßenwesen) sollen vielfach ohne Quellenangabe übernommen worden sein. Webers Gegenüberstellung von Buchmanns Ausführungen und den Quellen umfasst in Summe nicht weniger als 33 Seiten. Buchmanns damalige Doktorväter waren und sind übrigens Gesinnungsfreunde: Gerald Schöpfer, einst selbst steirischer ÖVP-Landesrat und Vorstand des Instituts für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte an der Uni Graz, heute Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes sowie Otto Petrovic, ÖVP-naher Unternehmer und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Informationswissenschaft und Wirtschaftsinformatik.
Stefan Weber war für profil nicht zu erreichen. Auf Anfrage teilte Buchmanns Sprecher Markus Poleschinski schriftlich mit: „Landesrat Mag. Dr. Christian Buchmann hat seine Dissertation zum Thema ,Die Wirtschaft im Spannungsfeld von Zentrum und Peripherie‘ selbstständig verfasst und wörtlich oder inhaltlich übernommene Stellen als solche gekennzeichnet. Die Defensio der Dissertation hat er positiv absolviert.“ Zudem habe Buchmann „die Rektorin der Karl-Franzens-Universität Graz bereits ersucht, die Vorwürfe prüfen zu lassen“.
Seitens der Universität Graz nahm Vizerektor Martin Polaschek zu dem Fall Stellung. „Es handelt sich um schwerwiegende Plagiatsvorwürfe. Wir nehmen das keinesfalls auf die leichte Schulter.“ Demnach werde die Universität die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (OEAWI) umgehend mit der Erstellung weiterer Gutachten beauftragen, um Webers Expertise zu objektivieren. „Sollte sich der Plagiatsverdacht erhärten, wird die betroffene Person (Anm. Buchmann) im Wege eines Verwaltungsverfahrens um Stellungnahme ersucht. Sollte sich der Verdacht als richtig erweisen, müssten wir die Dissertation per Bescheid für nichtig erklären und die Doktorwürde aberkennen.“
Polaschek legt zugleich Wert auf die Feststellung, dass es sich vorerst nur um Verdachtsmomente handle, „die wir seriös behandeln werden“.