Pressefreiheit: Österreich von 17. auf 31. Platz abgestürzt
Im am Dienstag veröffentlichen Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen (RSF) liegt es nur noch auf Platz 31 von 180 Ländern, und damit im Mittelfeld der Staaten mit einer "zufriedenstellenden" Pressefreiheit. RSF Österreich sprach von einem "katastrophalen Absturz" von Platz 17 im Vorjahr. Die SPÖ forderte die Einsetzung eines Konvents, der Medienreformen erarbeiten soll.
2018 war Österreich noch auf dem 11. Platz in der jährlich aktualisierten Liste gelegen. Im Ibiza-Jahr 2019 musste es die Topgruppe verlassen und lag seitdem zwischen den Plätzen 16 und 18. "Schluss mit Ausreden - diesen Absturz kann man nicht mehr schönreden", kommentierte RSF Österreich das Ergebnis. Als Gründe für die massive Verschlechterung wurden neben Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten bei Coronademos auch "Schikanen seitens der Polizei, bezahlte Umfragen in Boulevardmedien und eine Politik, die durch Korruption und Bestechung geprägt ist" genannt.
Die vom Wiener Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell geleitete Österreich-Sektion beklagte, dass Österreich heute das einzige EU-Land ohne Informationsfreiheitsgesetz sei und auch "der Ruf nach einem sinnvollen Medienförderungsgesetz, bei dem Qualität statt Boulevard (Auflage) gefördert werden, (...) bisher ungehört" geblieben sei. Auch "die ständige parteipolitische Einflussnahme auf den ORF muss dringend ein Ende haben".
Die oppositionelle SPÖ forderte als Konsequenz aus dem Absturz die Einsetzung eines "Konvents für Medienfreiheit", der unter Beteiligung von Zivilgesellschaft, Experten und Opposition die nötigen Reformen erarbeiten soll. "Es braucht dringend ein Medienfreiheits- und Transparenzpaket gegen Inseratenkorruption und Message Control, um Medien in ihrer unabhängigen Berichterstattung zu unterstützen", forderte SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried. Konkret nannte er etwa auch eine Erhöhung der Presseförderung sowie ein neues ORF-Gesetz mit mehr Unabhängigkeit für die ORF-Gremien. Ähnlich äußerten sich NEOS. "Eine freie Presse zählt zu den Grundpfeilern einer Demokratie. Die Regierungsparteien, insbesondere die Grünen, dürfen nicht länger tatenlos zuschauen, wie sie langsam, aber sicher stirbt", mahnte Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Konkret müssten ÖVP und Grüne "umgehend ein zeitgemäßes Informationsfreiheitsgesetz vorlegen", forderte die Abgeordnete.
RSF wies darauf hin, dass die heurigen Werte wegen einer geänderten Erhebungsmethode nur bedingt mit jenen des Vorjahres vergleichbar sind. So wurde die Erhebung mit fünf neuen Indikatoren (politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, wirtschaftlicher Kontext, soziokultureller Kontext und Sicherheit) auf eine breitere Basis gestellt.
Die neue Methodologie hat zur Folge, dass weltweit nur noch acht Staaten eine gute Situation der Pressefreiheit attestiert wird (2021: zwölf). Das Maß aller Dinge sind weiterhin die skandinavischen Länder. Norwegen, Dänemark und Schweden bilden das Spitzentrio. Auf die vierte Stelle emporgeschoben hat sich die Ex-Sowjetrepublik Estland (2021: 15). Es folgen Finnland, Irland, Portugal sowie Costa Rica als einziges nicht-europäisches Land der Spitzengruppe.
Während Deutschland vom 13. auf den 16. Platz zurückfiel, wurde Österreich von einer Reihe anderer EU-Staaten überholt. Neben Frankreich (26.) und Luxemburg (21.) sind dies auch die Nachbarländer Tschechien (20.) und Slowakei (27.) sowie die baltischen Staaten Litauen (9.) und Lettland (22.). Im EU-Vergleich liegt Österreich damit nur noch auf Platz 16 von 27. Bestplatzierte Nachbarstaaten sind Liechtenstein (10.) und die Schweiz (14.).
In Österreichs Nachbarschaft liegen nur noch das traditionelle Pressefreiheit-Sorgenkind Ungarn (85.), Slowenien (54.) und Italien (58.) schlechter. Während sich Ungarn leicht verbessern konnte, rutschten die beiden südlichen Nachbarländer noch deutlicher ab als Österreich, das im Index zwischen der Dominikanischen Republik und Spanien liegt.
Insgesamt zeigt die 20. Ausgabe des RSF-Index ein Besorgnis erregendes Bild. So befindet sich die Pressefreiheit in einer Rekordzahl von 28 Ländern derzeit in einer "sehr ernsten Lage". Zwölf Länder seien auf die rote Liste gerutscht, darunter Belarus (153.) und Russland (155.). Die Schlusslichter bilden Nordkorea, Eritrea, Iran, Turkmenistan, Myanmar und China. Trotz der Abwahl des Rechtspopulisten Donald Trump als US-Präsident nur marginal verbessert hat sich die Lage in den USA (42.). Dort seien die Medien nämlich weiterhin polarisiert, hieß es.
In demokratischen Gesellschaften wachse die Spaltung durch die Verbreitung von Meinungsmedien und von Desinformation, konstatiert die Medienfreiheitsorganisation. International gebe es eine Asymmetrie zwischen offenen Gesellschaften und despotischen Regimes, die mit ihren Medien und Online-Plattformen Propagandakriege gegen Demokratie führen.
In Europa seien drei Trends zu bemerken gewesen, und zwar die Rückkehr von Journalistenmorden in der EU (Giorgios Karaivaz in Griechenland und Peter De Vries in den Niederlanden), die massiven Anfeindungen und tätlichen Angriffe von Coronamaßnahmengegnern gegenüber Journalisten in mehreren Staaten wie auch Österreich sowie die Verschärfung von drakonischen Gesetzen gegenüber Journalisten. Davon betroffen gewesen seien neben Ungarn und Slowenien auch Polen (66.) und Albanien (103.). Serbien (79.) konnte sich hingegen dank der Bekämpfung von Straflosigkeit bei Angriffen auf Journalisten verbessern, auch Tschechien (20.) und Bulgarien (91.) lockerten nach Regierungswechseln ihren Einfluss auf die Presse. Bulgarien konnte so die rote Laterne unter den europäischen Staaten an Griechenland (108.) abgeben.